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Christian Kreutzer
Christian Kreutzer

Seit dem 7. Oktober 2023 hat sich die politische Landkarte der Region grundlegend geändert. Wir haben die Zusammenhänge für euch aufgeschlüsselt.

An diesem 7. Oktober sind Hamas-Terroristen in Israel eingefallen und haben dort tausendfach grauenhafte und sadistische Verbrechen begangen. Israel hat darauf mit einem großen Krieg reagiert. Zehntausende Palästinenser sind dabei getötet worden.

Etwas mehr als ein Jahr danach, steht in der Region kaum noch ein Stein auf dem anderen: Hamas und Hisbollah sind am Boden, die enorme außenpolitische Macht des Iran ist gebrochen und Syriens Tyrann Baschar al-Assad ist geflohen. Wir schlüsseln den Konflikt Land für Land auf. Hier unsere Überblickskarte – per Mouseover erhaltet ihr erste Kurzinfos; weiter unten findet ihr ausführliche Erklärungen zu jeder der Kriegsparteien:

Der Iran: die gebrochene Großmacht

Der schiitische Iran kämpft in der Region nicht nur gegen Israel. Auch mit dem sunnitischen Saudi-Arabien liegt Teheran im Clinch. Seine Mittel in diesem Konflikt sind einfach: Das Regime finanziert und führt Dutzende schiitisch geprägte Milizen und Terrorgruppen in der gesamten Nahost-Region. Darunter sind die Hisbollah im Libanon, die Huthi-Miliz im Jemen, mehrere Milizen im Irak, aber auch die sunnitische Terrororganisation Hamas im Gaza-Streifen. Sie haben lange auf Irans Befehl andere Gruppen und Armeen angegriffen. Ein besonderer Verbündeter und Schutzbefohlener war Syriens Diktator Baschar al-Assad.

Jetzt hat Israel die wichtigsten dieser außenpolitischen „Arme“ des Iran mehr oder weniger amputiert: mit dem Einmarsch im Gazastreifen und den Schlägen gegen die Hisbollah. In der Folge wurde auch Assad gestürzt. Im Moment steht der Iran vor den Trümmern seiner mörderischen Außenpolitik. Wie die Menschen im Iran selbst zu den Machenschaften ihres Regimes stehen, sieht man an vielen Demonstrationen und Unruhen. Meist werden sie blutig niedergeschlagen.

Die Lage in Syrien nach Assads Sturz

Fast ein halbes Jahrhundert haben die Assads den Vielvölkerstaat beherrscht – mit Folter, Mord und Korruption. Russland und der Iran haben Assads Sturz in den Zehnerjahren verhindert: Russland hat den Diktator mit Luftangriffen unterstützt (und Zehntausende Zivilisten getötet). Der Iran hat die libanesische Hisbollah nach Syrien abkommandiert.

Dann aber sind die beiden Stützen des Regimes ausgefallen: Russland steckt in der Ukraine in der Bredouille. Die Hisbollah hat Krieg mit Israel angefangen – und krachend verloren. Ohne die beiden Mächte waren auch Assads Truppen nicht mehr bereit zu kämpfen und sind geflohen.

Jetzt sieht es so aus: Die Rebellen aus dem nord-syrischen Idlib sind aus ihrer Enklave ausgebrochen und haben in wenigen Tagen einen Großteil des Landes erobert. Ihre Führungs-Organisation, die Hizbut Tahrir ash-Sham, war vor mehr als zehn Jahren Verbündeter des Terrornetzwerks Al-Kaida, hat sich von ihm aber losgesagt. Sie verspricht jetzt Religionsfreiheit und Toleranz. Ob und inwieweit man darauf vertrauen kann, wird sich zeigen.

Ganz im Norden kämpfen aber andere islamistische Milizen unter Führung der Türkei gegen die Kurden. Und: Im Südosten, am Drei-Ländereck Syrien-Jordanien-Irak haben auch die USA noch mehrere Basen. Sie unterstützen sowohl die Kurden, als auch arabische Milizen und kämpfen zugleich gegen iranisch geführte Milizen in der Region. Dazwischen gibt es auch noch kleinere Enklaven des „Islamischen Staates“, den Diktator Assad hat gewähren lassen.

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Die Kurden in Nordost-Syrien: Kampf um ein eigenes Land

Sie haben sich im syrischen Bürgerkrieg ein riesiges Territorium in Nord-Syrien erkämpft und nennen es Rojava (sprich: Roschava). Geführt wird es de facto von der kurdischen Partei PYD („Partei der demokratischen Union) und ihrer Miliz, der YPG („Volksverteidigungseinheiten“). Die beiden sind organisatorisch verbunden mit der kommunistischen türkisch-kurdischen PKK, die in vielen Staaten als terroristisch gilt. Die Ordnung dort ist relativ modern: Frauen können beispielsweise hohe Positionen erreichen. Die politische Opposition dort wird zwar teils in ihrer Arbeit behindert und gegängelt, aber nicht ermordet, wie unter Assad.

Die Türkei bekämpft das kurdische Staatengebilde mithilfe islamistischer syrischer Milizen. Unter ihnen sind offenbar auch ehemalige Kämpfer des „Islamischen Staates“ (IS). Nach dem Sturz Assads sind diese Milizen weit in das Kurdengebiet vorgedrungen. Ein von den USA eingefädelter Deal soll den Vormarsch aber gestoppt haben. Mehr Infos zur Situation im Norden Syriens haben die Kollegen der Tagesschau für euch:

Israel: Sieg nach Tausenden Toten

Israel ist nach dem Terror-Angriff des 7. Oktober im Gaza-Streifen einmarschiert, um die Hamas zu vernichten und rund 200 Geiseln zu befreien. Viele der Geiseln sitzen aber immer noch in den Kellern und Tunneln der Hamas. Die Hamas selbst ist gebrochen: Ihre Führung ist tot, zehntausende Kämpfer (und Zivilisten) ebenfalls und ihre Infrastruktur ist zerstört. Zugleich hat Israel nach zunehmenden Angriffen die Hisbollah im Libanon – wie die Hamas ein verlängerter Arm des Iran – angegriffen und stark geschwächt. Ebenfalls in die Schranken gewiesen hat Israel die Huthi-Miliz im Jemen (auch mit Iran verbündet), die immer wieder Raketen auf den jüdischen Staat abgefeuert hat.

Auch im Iran selbst hat Israel militärisch zugeschlagen und unter anderem Hamas-Chef Ismail Haniyah getötet. Der Iran antwortete darauf seinerseits mit Angriffen – allerdings ohne dabei viel Schaden anzurichten. Zuletzt hat Israels Luftwaffe Militäranlagen im von Assad befreiten Syrien angegriffen, damit sie nicht den Islamisten in die Hände fallen – eine Taktik, die viele für unbedacht halten:

Ergebnis: Mehrere von Israels Todfeinden sind vorerst besiegt. Israel hat die Verhältnisse im Nahen Osten auf den Kopf gestellt und schwebt derzeit relativ unangreifbar über den trüben Wassern. Zugleich ist das Land isoliert. Premier Benjamin Netanjahu ist in Den Haag wegen Kriegsverbrechen angeklagt.

Die aktuellen Entwicklungen findet ihr immer auch in unserem Nahost-Ticker:

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Gaza: in Schutt und Asche

Was für die Hamas gilt, gilt leider zugleich für den gesamten Gaza-Streifen: Er ist praktisch komplett zerstört, zwischen 40.- und 50.000 Menschen (darunter Zehntausende Zivilisten) sind umgekommen, Millionen obdachlos. Die palästinensische Bevölkerung hat damit einen fürchterlichen Preis für den Terrorangriff der Hamas und Israels Sicherheitsbedürfnis bezahlt.

Niemand weiß, wie es weitergeht. Die gemäßigtere Regierung des palästinensischen Westjordanlandes könnte den Streifen theoretisch übernehmen – oder eine Wiederaufbau- und Schutztruppe aus arabischen und westlichen Staaten.

Westjordanland: Opfer israelischer Siedlungspolitik

Hier geht alles drunter und drüber, erscheint zugleich aber geordneter als andere Gegenden: Das Westjordanland – eigentlich als Herzstück eines Palästinenserstaates geplant – wird von Israel nach und nach enteignet und mit jüdischen Siedlungen zugepflastert. Immer wieder führt Israel gewaltsame Razzien durch, bei denen etliche Palästinenser ums Leben kommen.

Und damit nicht genug: Viele der jüdischen Siedler sind Extremisten, die die palästinensische Bevölkerung terrorisieren, um sie von ihrem Land zu vertreiben. Im Westen werden einige Siedler-Organisationen bereits als Terrorgruppen sanktioniert. Doch auch durch Israels Armee soll es Übergriffe geben, berichtet die Tagesschau:

Zugleich unterhalten die palästinensischen Behörden seit jeher enge Beziehungen zu Israel und bekämpfen mit dessen Hilfe Terroristen. Mächtigste Partei ist die Fatah, die 2007 von der Hamas blutig aus Gaza vertrieben wurde. Nach dem Ende des Krieges in Gaza könnte die Fatah theoretisch zurückkehren und den Gaza-Steifen übernehmen.

Die Golanhöhen: Puffer zwischen Israel und Syrien

Das hügelige Grenzgebiet, das eigentlich zu Syrien gehört, hat Israel im Sechstagekrieg 1967 eingenommen und später annektiert. Immer wieder hatte syrische Artillerie von dort nach Israel gefeuert. Eine schmale Pufferzone zwischen Israelis und Syrern verwaltet die UNO. Israel ist aber nach dem Sturz Assads auch dort eingerückt. Im syrischen Bürgerkrieg war es mehrfach aus dem Grenzgebiet von Rebellen beschossen worden.

The Golan Heights, a rocky area internationally recognised as Syrian territory, is the site of the latest tensions between Israel and Hezbollah https://t.co/IGtvTlXowm pic.twitter.com/B8aBsVBOBr

Der Libanon: Zerrissen zwischen vielen Konflikten

Praktisch der gesamte Nahe Osten spiegelt sich in dem kleinen 4,5-Millionen-Einwohner-Staat: Schiiten, Sunniten, sieben (!) verschiedene Gruppen von Christen, dazu Drusen und Beduinen – sie alle versuchen dort, irgendwie miteinander klarzukommen.

Die mit großem Abstand mächtigste Gruppe war – dank iranischer Hilfe – lange die schiitische Hisbollah. Selbst die libanesische Armee wirkte dagegen wie eine Hilfstruppe. Die Hisbollah einen „Staat im Staate“ zu nennen, griff schon fast zu kurz: Der Iran hatte die Organisation unter anderem mit Tausenden weit reichenden Raketen ausgerüstet. Deren Ziel: Israel.

Nach dem 7. Oktober hat die Hisbollah sich eine Weile zurückgehalten, dann aber den Beschuss Nord-Israels immer mehr eskaliert. Irgendwann war Schluss: Israel hat massiv zurückgeschossen, reihenweise Hisbollah-Führer getötet (darunter ihren Chef Hassan Nasrallah) und die meisten Waffenlager vernichtet – teils mit eigenen Bodentruppen im Süd-Libanon.

Dabei sind aber auch Tausende Zivilisten getötet worden. Jetzt ist die Hisbollah am Boden. Zugleich hofft der Libanon nach dem Sturz Assads darauf, dass rund 700.000 syrische Flüchtlinge, die die Sozialsysteme schwer belasten, wieder nach Hause zurückkehren. Das Land geht im Moment durch eine der schwersten Wirtschaftskrisen seiner Geschichte.

Die Türkei: Gewinnerin Nr. 2

Die Türkei ist zurzeit neben Israel die wohl wichtigste Regionalmacht – und wie Israel Gewinnerin des Assad-Sturzes: Ihre Verbündeten werden jetzt künftig mit großer Wahrscheinlichkeit in Syrien herrschen. Die Türkei unterstützt seit Langem die Rebellen in Idlib. Die ebenfalls islamistische „Syrische Nationale Armee“ (SNA), die Gebiete in Nordsyrien hat, hört sogar auf ihre Befehle. In ihren Reihen sollen zahlreiche ehemalige IS-Kämpfer sein.

Mit ihrer Hilfe greift sie die kurdischen Gebiete an – das Hauptziel ihrer Kampagnen in Syrien. Angeblich fühlt sich die Türkei durch die dortige Schwesterorganisation der kurdischen PKK bedroht. Damit gerät sie jedoch mit ihrem NATO-Partner USA aneinander: Die USA haben mit Hilfe der Kurden den IS besiegt und halten auch jetzt zu ihnen. Zuletzt hat die SNA kurdische Gebiete brutal erobert und dort Berichten zufolge auch gleich schwere Menschenrechtsverletzungen begangen. Die USA haben wohl vorerst einen Waffenstillstand vermittelt.

Die Türkei beherbergt aber auch mehr als vier Millionen Menschen, die vor dem Krieg in Syrien geflohen sind. Wie im Libanon gibt es deswegen viel Unzufriedenheit. Allein dadurch hat die Tükei Interesse an einem stabilen Syrien, in das die Geflüchteten bald wieder zurückkehren.

Huthi-Miliz im Jemen: Irans Wadenbeißer am Roten Meer

Der Jemen gilt als gescheiterter Staat. Er ist in mehrere Teilstaaten zerbrochen. Wichtig für den Nahost-Konflikt ist der Westen um die Hauptstadt Sanaa. Hier regiert die Huthi-Miliz. Sie vertritt die den Schiiten nahestehende Gruppe der Zaiditen und wird vom Iran gegen die Angriffe Saudi-Arabiens unterstützt, aber auch kontrolliert.

Seit dem Einmarsch Israels im Gaza-Streifen beschießen die Huthi immer wieder Schiffe im Roten Meer, aber auch Israel selbst. Israel hat kleinere Luftangriffe auf Stellungen der Huthis gestartet. Wie sich die Lage dort nach dem Ende des Assad-Regimes und der Schwächung des Iran entwickelt, steht noch in den Sternen. Auf der folgenden Karte sieht man in Grün, die von den Huthis eroberten Gebiete:

A map of the attacks by the Houthi rebels on commercial shipping off the coast of #Yemen.Of note that the vast majority of incidents have occurred outside of Yemeni territorial waters, and many have taken place away from #Houthi controlled coasts.Thank you to @detresfa_ for… pic.twitter.com/ZVdfBE2QoV

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