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Barbara Lampridou
Barbara Lampridou
Lea Kerpacs
Lea Kerpacs: Website-Redakteurin bei SWR3

Ein Mann wird ins Koma geschlagen und stirbt, einer Frau wird mehrfach ins Gesicht geschlagen – weil sie trans sind. Was machen solche Vorfälle mit der Community? Wir haben mit einer trans Frau über transfeindliche Gewalt gesprochen.

Ob ich mir die Haare grün färbe, mir den Hals tätowieren lasse oder ob ich in anderen Baumwoll-Klamotten rumrenne, die unisex sind, es ist doch völlig Banane! Das geht doch keinen was an! Und Perücken und Toupets haben alte Omas und eitle Männer auch schon immer getragen. Die muss ich jemandem nicht vom Kopf reißen!

Das sagt uns trans Frau Dana Diezemann im Interview. Wir durften sie schon einmal in ihrem Leben begleiten: 2019 haben sie und ihre Frau uns in der Beziehungsshow erklärt, wie sich ihre Partnerschaft verändert hat, als Dana sich als trans Frau outete.
So selbstverständlich, wie ihre Aussage oben für viele klingt, ist sie aber nicht. Gleich zwei schwere Übergriffe auf trans Personen sind in den vergangenen Wochen durch die Presse gegangen. Mit Dana sprechen wir darüber:

Am 2. September starb Malte, nachdem er eine Woche im künstlichen Koma lag. Der Grund ist ein schwerer Übergriff, als er sich für zwei Frauen eingesetzt hat, die belästigt wurden.

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Ein trans Mann wird attackiert, nachdem er zwei CSD-Teilnehmerinnen helfen wollte. Seine Verletzungen sind so schwer, dass er nach Tagen im Koma stirbt.

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Übergriff in Bremen: Perücke vom Kopf gerissen und krankenhausreif geprügelt

Nur ein Tag später wurde eine trans Frau in Bremen angegriffen. Als sie in der Straßenbahn fuhr, stieg eine Gruppe von 15 Jugendlichen ein, die die 57-Jährige erst beschimpfte, dann die Perücke vom Kopf riss und der trans Frau mehrfach ins Gesicht schlug. Als Umstehende einschritten, verließen die Jugendlichen die Bahn an der nächsten Haltestelle. Die Verletzte musste ins Krankenhaus eingeliefert werden.

Dana weiß aus eigener Erfahrung, wie schwer der Weg vor allem am Anfang sein kann, offen trans zu leben:

Man kann ja einen Körper, der nicht zu einem passt, nicht von einer zur anderen Sekunde umbauen. Ich bin auch mit Perücke rumgelaufen. […] Man sieht es. Und diese Angst, entdeckt zu werden, diese Angst in der Öffentlichkeit ist da: ‚Seht her, das ist ein…‘ und was auch immer.

Blicke würden nicht ausbleiben: „Du nimmst all deinen Mut zusammen und gehst auf die Straße. Und dann kriegst du diese Blicke, das ist einfach so. Wenn du noch am Anfang deiner Hormontherapie stehst, wenn du immer noch diese männlichen Züge hast, gucken viele dreimal, was ist das denn jetzt? Ein Mann oder eine Frau?

Sie erzählt, dass das auch für sie schwer gewesen sei. Körperliche Gewalt habe sie nicht erlebt, Beschimpfungen schon. Die vergangenen Fälle haben sie mitgenommen:

[Beschimpfungen] kann man ignorieren, solange man die körperliche Distanz hat. Aber wenn man in der Straßenbahn sitzt und so ein Mob da reinkommt, dann hat man verloren. Dann muss man sehen, dass man überlebt.

Coming-out als trans: der schwere und schöne Weg zu sich selbst

Dana hat vor circa zehn Jahren begonnen, nach drei bis vier Jahren sei sie dann „halbwegs angekommen“. Diese „Wandlung“, wie sie es nennt, sei auf der einen Seite sehr schön. Es sei eine Zeit der Selbstverwirklichung, in der man sich vielleicht zum ersten Mal neu ausleben kann. Es könne aber auch sehr hart sein:

Wenn du keinen hast, dem du dich anvertrauen kannst. Diese ganze Arztproblematik, Krankenkasse,… Dann mit dir selber: Das fängt ja bei den Äußerlichkeiten an, Klamotten und so weiter. Und diese Unsicherheitsphase ist: Du bist wie auf einer Eisscholle. So habe ich mich gefühlt.

Dazu kommen dann noch Reaktionen von außen. Die können positiv sein – aber auch Unverständnis, Beschimpfungen und körperliche Gewalt können Reaktionen sein: „Durch solche Erlebnisse wirst du natürlich zurückgesetzt.

Du kriegst wirklich so einen verbalen Schlag ins Gesicht, wenn du angegriffen wirst. Oder wenn du körperlich angegangen wirst, von irgendjemandem, den du noch nie gesehen hast, mit dem du nie gesprochen hast, dem du nie etwas getan hast. Dann ist das sehr schwer zu verdauen.

Die Übergriffe beschränken sich deshalb nicht nur auf die körperlichen Verletzungen – die seelischen Folgen können unter Umständen weit länger einschränken. Häufig breche ein großer Teil des Umfelds weg, Beziehungen können auseinander gehen und auch der Job kann je nach Arbeitgeber nicht mehr sicher sein.

Man kann sich verlieren. Ich kenne Leute, die dann in der Geschlossenen waren, weil sie sich umbringen wollten. Weil sie merkten, dass sie in dieser Gesellschaft nicht mit ihrer Selbstverwirklichung zurecht- und vorankamen. Weil sie angefeindet werden, weil sie anders sind als die anderen.

Es brauche einen großen Mut, um in diesem Gefühl nicht stecken zu bleiben, sagt Dana. Auch für sie war der Weg in ihr jetziges Leben alles andere als leicht, denn nicht nur sie musste diesen Weg gehen: Auch für ihre Partnerin Stefanie begann ein neuer Abschnitt. Die Heilbronnerin musste damit klarkommen, dass aus ihrem Partner eine Partnerin wurde.

Coming-out in der Beziehung: Wenn der Partner zur Partnerin wird

Als Dana während der Beziehung klar wurde, dass ihr Körper nicht zu ihrem Inneren passt, war sie sich absolut sicher: „Ich werde meine Beziehung verlieren. Weil wenn der Partner sich so dramatisch ändert und sich von Männlein zu Weiblein wandelt, dann rennt der Partner natürlich weg.“ Steffi hat dann lange darüber nachgedacht, ob sie das bis zu ihrem Lebensende mitmachen möchte oder ob sie einfach geht. Letztlich ist sie geblieben, weil sie eben mit diesem Menschen leben wollte.

2005, als die beiden sich kennenlernten, war für Steffi klar: „Das ist ein Mädchen. Ich stehe auf sehr weibliche Männer. Dass aus dem Mädchen eine Frau wird, hab ich aber nie gedacht.

Äußerlich vom Mann zur Frau

Denn lackierte Nägel und mal Interesse an Frauenklamotten sind etwas ganz anderes, als wenn's dann wirklich ernst wird und zum Beispiel der Bart, den Steffi so geliebt hat, für immer durch Strom wegepiliert wird.

Dann irgendwann in ein geschminktes Gesicht zu gucken und das auch zu küssen, ist auch nicht ganz normal. Also man muss sich da schon sehr dran gewöhnen – und auch sich umstellen.

Heute, einige Jahre später, fällt es Steffi nicht mal mehr auf, was Dana im Gesicht hat oder nicht. Wenn Dana dann sagt „ich hab gar keine Ohrringe drin“ und Steffi mit „echt?“ darauf reagiert, antwortet Dana „du guckst mich ja gar nicht mehr an“, erzählt Steffi.

Mit viel Geduld ein Paar geblieben

Aber beide sagen: Dass wir ein Paar bleiben konnten, gab's nicht zum Nulltarif. Es war ein langer Kampf, um absolute Offenheit für die eigenen, ehrlichen Gefühle und die des Partners.

Das haben wir uns erarbeitet. Das war nicht am Anfang so. Steffi war überhaupt nicht offen und es hat Jahre gedauert.

Steffi bejaht die Aussage von Dana: „Immer wenn ich gesagt habe: ‚Stopp, das geht mir jetzt wieder eine Nummer zu schnell‘, dann ist es wieder in eine langsame Ebene gekommen – bis ich wieder dabei war und das auch alles akzeptieren konnte, was um mich rum passiert.

Manchmal waren mir die Schritte nicht schnell genug. Im Nachhinein muss ich aber sagen, war es richtig. Wir können schon stolz sein, dass wir diese Beziehung gehalten haben.

Charakter verändert sich nach Geschlechtsangleichung

Steffi liebt Dana. Durch ihre Geschlechtsangleichung hat sich aber auch Danas Charakter verändert. „Früher waren es um die 3.000 Wörter. Heute sind es glaube ich um die 15.000 bis 23.000 Worte. Das fängt morgens um 7 Uhr schon an. Die Augen gehen auf und dann geht es los: bla bla bla. Früher wars angenehmer“, erzählt Steffi. „Was Östrogene nicht anrichten“, unterbricht sie Dana lachend.

Doch es sind noch mehr weibliche Eigenschaften, die Dana jetzt im Vergleich zu früher zeigt.

Sie ist weicher geworden, verständnisvoller, kuscheliger. Aber auch ausgeglichener und in sich zufriedener.

Frau werden war nicht leicht

Was sich zum Glück im Laufe der Zeit verändert hat: Danas Klamottengeschmack. Denn sie wollte anfangs Schnürstiefel und knallenge Sachen tragen. „Je auffallender, desto besser.“ Steffi aber blieb hart und sagte damals zu Dana: „So gruselig und so furchtbar geh ich mit dir nicht vor die Tür – und dann sind wir losgezogen und haben erst mal normale Klamotten gekauft.

Dana erklärt: „Man möchte ganz übertrieben Weiblichkeit zeigen. Aber so funktioniert das nicht. Heute brauche ich keinen Lippenstift mehr, damals waren das noch künstliche Wimpern.

Nicht nur Dana – auch Steffi hat sich verändert

Auch Steffi hat sich im Laufe der Zeit verändert. Früher hat sie sich sehr drüber aufgeregt, wenn Leute sie und Dana offen angeglotzt haben. „Man kann gucken, aber das Angestarre finde ich widerlich.“ Heute passiert den beiden sowas zwar auch noch. Aber Steffi nimmt es inzwischen viel lockerer.

Ich steh da drüber. Es hat mir damals sehr wehgetan, aber nicht wegen mir, sondern wegen ihr. Aber jetzt berührt es mich nicht mehr.

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