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Christian Kreutzer
Christian Kreutzer
Cornelia Stenull
Cornelia Stenull

Wie geht es nach dem Assad-Regime in Syrien weiter? Aus der Ferne verfolgen Tausende Menschen gebannt den Umsturz in ihrer alten Heimat. So sehen Syrer in BW & RLP ihre Zukunft.

Nach dem Sturz von Baschar al-Assad haben Syriens Rebellen den „Moment der Heimkehr“ ausgerufen. Die SWR3 Morningshow hat mit Momo al-Wazir in Wuppertal gesprochen. Der 30-jährige Syrer ist 2015 mit seiner Familie aus Damaskus nach Deutschland gekommen.

Momo beschreibt die entscheidende Nacht auf Sonntag: die Versuche, Kontakt zur Familie zu halten, während dort der Strom ausgefallen war. Auch er beschreibt die große Freude – und die Unsicherheit. Er sei aber schon optimistisch, sagt Momo. So denkt er über eine mögliche Rückkehr nach Syrien:

Tag 1 nach dem Sturz von Assad – wie geht es den Menschen?

Ähnliche Gedanken und Gefühle hat auch Abdullah Al Samman. Er arbeitet als Journalist beim Hessischen Rundfunk. Im SWR3 Topthema sagt Abdullah, er sei einfach nur froh, dass die Jahre des Kampfes vorbei seien. Und er sei sich sicher, dass viele Syrer jetzt in ihre Heimat zurückkehren wollen – eine Entscheidung, die er gut verstehe. Selbst habe er das Gefühl, dass er zwei Heimaten habe – in Deutschland und in Syrien. Er wolle unbedingt dabei sein, wenn Syrien wieder aufgebaut wird.

Beratung für Geflüchtete, die nach Syrien zurückkehren wollen

Shideh Daghooghi ist Regionalleiterin für Migration in Mainz, sie bietet für Syrerinnen und Syrer, die in Rheinland-Pfalz und Hessen leben, Beratungen für die freiwillige Rückkehr an. Im SWR3 Topthema sagt sie, dass schon am Tag 1 nach dem Sturz des Assad-Regimes viele Anträge reingekommen seien. Menschen, die nach Syrien zurück möchten, rät sie zunächst zu klären:

  • ob sie in Syrien eine Unterkunft haben,
  • ob sie sich dort selbst versorgen könne,
  • ob ihre Kinder in eine Schule gehen können,
  • zudem bräuchten sie noch Papiere und Einreiseerlaubnisse.

Derzeit werde mit den Fluggesellschaften geklärt, wann es Flüge nach Syrien geben könnte.

Kristin Helberg, eine von Deutschlands bekanntesten Syrien-Expertinnen, glaubt, dass Tausende Menschen über eine Rückkehr nachdenken – Menschen, die derzeit in Deutschland, in der Türkei oder in den Nachbarländern Syriens leben. Für viele gebe es aber besondere Vorbedingungen, so Helberg im SWR3 Interview:

Bamf stoppt Entscheidungen über Asylanträge von Syrern

Währenddessen wird in Berlin über die Folgen des Umsturzes in Syrien für die Asylpolitik diskutiert. Sie dürfe jetzt nicht zu schnell geändert werden, warnte der Grünen-Europapolitiker Anton Hofreiter am Montag. Aus der Union kamen dagegen Forderungen nach schnelleren Abschiebungen.

Vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) hieß es am Montagmittag, es würden bis auf Weiteres keine Asylanträge von Syrerinnen und Syrern bearbeitet. Die Lage sei unübersichtlich, deshalb könne man zur Zeit keine seriösen Einschätzungen vornehmen, bestätigte ein Sprecher der Behörde dem Spiegel. Betroffen seien mehr als 47.000 Asylanträge von Syrern, die noch nicht entschieden sind. Laut Bundesinnenministerium leben in Deutschland aktuell knapp eine Million Menschen syrischer Herkunft.

Derweil nehmen immer mehr europäische Länder nehmen erstmal keine Asylbewerberinnen und -bewerber aus Syrien mehr auf – jetzt auch Italien. Vorher hatten das auch Schweden, Norwegen, Dänemark und Großbritannien angekündigt.

Assad ist weg: Tausende feiern in und um Syriens Hauptstadt Damaskus

In der Nacht auf Sonntag sind die Aufständischen in der Hauptstadt Damaskus einmarschiert. „Der Tyrann Baschar al-Assad ist geflohen“, teilten sie in sozialen Medien mit. SWR3-Syrien-Korrespondentin Nina Amin hat die Szenen in Damaskus am Morgen beschrieben:

Offenbar ist Assad nach Moskau geflohen, Syriens Armee schien nicht bereit, die Macht des Diktators noch länger zu verteidigen. An vielen Orten in Syrien wurde am Sonntag der Sturz des Assad-Regimes gefeiert.

Hier jubeln dem Text zufolge syrische Christen nahe Damaskus vor einer weihnachtlich geschmückten Kirche und lassen die Glocken läuten:

In the city of Sahnaya, located in the countryside of Damascus, Syrian #Christians are celebrating the fall of Bashar al-Assad. They are chanting, {One, one, one — the Syrian people are one.} pic.twitter.com/bAC5RhUqU4

Syriens Rebellen rufen „Moment der Heimkehr“ aus

Dies ist der Moment, auf den die Vertriebenen und die Häftlinge lang gewartet haben, der Moment der Heimkehr und der Moment von Freiheit nach Jahrzehnten der Unterdrückung und des Leids.“

Gerichtet an die Millionen Flüchtlinge, die durch den Bürgerkrieg vertrieben wurden, erklärten die Aufständischen: „An die Vertriebenen weltweit: Ein freies Syrien erwartet euch.“ Der 8. Dezember markiere „das Ende der dunklen Ära“ der Unterdrückung unter Assad und seinem Vater Hafis al-Assad.

Viele Rückehrer warten schon an der libanesischen Grenze

Sicher ist: Nach dem Sturz von Assad wollen viele Syrer wieder zurück in ihre Heimat. Augenzeugen berichten, dass sich die Menschen an der libanesischen Grenze drängten. Der Libanon habe den Übergang inzwischen geöffnet. Auf der syrischen Seite hätten sich die Grenzer zurückgezogen. Hier laut Text Bilder vom Grenzübergang Masnaa am Sonntag:

⚡🇸🇾 Syrian refugees in Lebanon head to Masnaa Border Crossing to return home.#syria #damascus #BasharAlAssad pic.twitter.com/9YSLnViMd1

Der Libanon hat umgerechnet auf seine Bevölkerungszahl mehr syrische Flüchtlinge aufgenommen als jeder andere Staat der Welt. Mit Stand vom 30. September waren etwa 770.000 syrische Flüchtlinge in dem Land mit und 5,3 Millionen Einwohnern registriert. In diesem Video des türkischen Senders TRT sieht man lange Schlangen von Autos, die vom Libanon Richtung Syrien fahren:

Queues of cars stretch at Masna crossing as Syrian refugees wait to return home form Lebanon after the fall of Assad. Randolph Nogel has more pic.twitter.com/fs2LvQSnCa

Syrien-Expertin in SWR3: Grund zum Jubeln für fast alle

Kristin Helberg beschreibt im SWR3 Interview Chancen und Gefahren der siegreichen Rebellion. Racheakte habe man bislang noch nicht gesehen. Sie sieht aber auch Risiken:

Rebellen befreien Assads berüchtigtes Foltergefängnis nahe Damaskus

Eine der ersten Amtshandlungen der Rebellen: Sie stürmten offenbar das berüchtigte Foltergefängnis Saydnaya nördlich von Damaskus und befreiten Tausende vor allem politische Hälftlinge. Seitdem haben die bekannten syrischen „Weißhelme“ die Anlage nach versteckten Zellen und Einrichtungen durchsucht, allerdings keine gefunden.

K9 teams are assisting in the search at Sednaya Prison, focusing on hidden doors or undiscovered basements that might hold detainees beyond those released yesterday.#WhiteHelmets #Saydnaya pic.twitter.com/dgf2gjBoFv

Tausende Menschen sind zu dem schrecklichen Gefängnis geströmt und suchen ihre Angehörigen unter Zehntausenden Gefangenen. Viele der befreiten Insassen sind schwer traumatisiert. „Wie heißt du? Wie ist die Telefonnummer deiner Familie?“, fragen die Befreier diesen Mann – er ist nicht in der Lage zu antworten:

One of the detainees freed from Assad’s human slaughterhouse in Sednaya has lost his memory and is unable to speak, shattered by the horrors he endured, Rebels try to ask him about any details to take him back to his family but he’s unable to speak.#Syria #Sednaya pic.twitter.com/PgDVWJFl7w

Wie es in Syrien nach dem Sturz Assads weitergehen könnte

Die wichtigste Figur unter den Siegern ist bestimmt der Milizführer, der sich Abu Mohammed al-Dscholani nennt. Er kam am Sonntagnachmittag in Damaskus an. Al-Dscholani, der eigentlich Ahmed al-Scharaa heißt, führt die „Hayat Tahrir al-Sham“. Früher war sie als „Nusra-Front“ bekannt und mit Al-Kaida verbündet.

Von dem Terrornetzwerk hat sich Al-Dscholani jedoch schon vor fast zehn Jahren losgesagt. In einem Interview hat er vor einiger Zeit sogar den USA Friedensverhandlungen angeboten.

In Idlib wurden der Organisation von Al-Dscholani Folter und die Vertreibung von Minderheiten vorgeworfen. Viele, vor allem innerhalb der sunnitischen Bevölkerungsmehrheit, sehen in ihnen aber das deutlich kleinere Übel. Al-Dscholani gilt vielen als radikal aber als Pragmatiker:

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