Seit fast drei Wochen demonstrieren Hunderttausende in Deutschland gegen Rechtsextremismus. An diesem Wochenende gab es vielleicht einen neuen Höhepunkt.
100.000 Menschen waren zu der Demonstrationen am Reichstag in Berlin gegen Rechtsextremismus angemeldet. Doch es kamen viel mehr. Sie wollen symbolisch das Herz der deutschen Demokratie schützen. Mehr als 150.000 Menschen waren es nach Angaben der Berliner Polizei. Die Veranstalter – das Bündnis „Hand in Hand“ – sprachen sogar von 300.000 Teilnehmern.
Der Veranstaltungsort vor dem Reichstagsgebäude sei trotz des Sprühregens überfüllt. Deswegen habe die Polizei mehrere Erweiterungsflächen geöffnet, um die große Zahl der Menschen zu fassen, sagte eine Sprecherin.
Motto: „Wir sind die Brandmauer“
Die Demonstrantinnen und Demonstranten in Tiergarten und Regierungsviertel skandierten „Alle zusammen gegen den Faschismus“ und „Ganz Berlin stoppt die AfD“. Auf Plakaten waren Parolen zu lesen wie „Kein Raum für Rassismus“. Viele der Sprechchöre und Plakate richteten sich gezielt gegen die AfD und deren Vertreter.
Zu der Kundgebung hatte ein breites Bündnis von mehr als 1.400 Verbänden, Initiativen und Institutionen aufgerufen. Das Motto: „Wir sind die Brandmauer“. Die Veranstaltung richtete sich gegen Rechtsextremismus, aufgerufen wurde „zur Verteidigung einer offenen und demokratischen Gesellschaft“.
Die Kundgebung sei als Reaktion auf die AfD und bevorstehende Wahlen gedacht, teilte das Veranstalter-Bündnis „Hand in Hand“ mit.
Zu den Unterstützern zählen zahlreiche kleine Initiativen, aber auch große Organisationen wie die Gewerkschaften Verdi, GEW und IG Metall, Amnesty International, Flüchtlings-Hilfsorganisationen und auch die Klimaprotestgruppen Extinction Rebellion und Letzte Generation.
Veranstalter: Politische Parteien tun zu wenig gegen Rechtsextremismus
In der Liste der Unterstützer finden sich keine Parteien. Die Veranstalter untersagen zudem das Zeigen von Parteiflaggen auf der Demo am Samstag. Diese seien auch eingeladen. Die Botschaft laute aber: „Euer Job geht jetzt erst los.“ Bislang hätten die Parteien im Bundestag zu wenig gegen Rechtsextremismus und den Aufstieg der AfD getan.
Allerdings nahmen viele Politikerinnen und Politiker an der Kundgebung teil. SPD-Chefin Saskia Esken und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zeigten sich gemeinsam mit einem Plakat mit der Aufschrift: „Nazis die rote Karte zeigen“.
Falsche Behauptungen auf Social Media Faktencheck: Sind diese Bilder von der Demo in Hamburg gefälscht oder nicht?
Am Freitag haben in Hamburg rund 50.000 Menschen gegen Rechtsextremismus demonstriert. Auf Social Media werden die Zahlen und Bilder zum Teil angezweifelt – was steckt dahinter?
Großdemos auch bei uns und in anderen Teilen Deutschlands
Derweil finden auch in SWR3Land Demos statt. Dazu SWR-Reporter Andreas Herrler:
Riesig wurde in Baden-Württemberg wohl vor allem die Demonstration in Freiburg:
Viele Veranstaltungen in Baden-Württemberg Demos gegen Rechtsextremismus: allein in Freiburg rund 30.000 Menschen
In Baden-Württemberg demonstrieren am Samstag erneut Tausende Menschen gegen rechts. Allein in Freiburg waren rund 30.000 Menschen auf der Straße, aber auch woanders war einiges los.
In Rheinland-Pfalz kamen in der Landeshauptstadt Mainz Tausende zusammen – allerdings nicht nur dort: Das ganze Wochenende über sind in verschiedenen Städten Demonstrationen geplant.
Auf dem Ernst-Ludwig-Platz Rund 10.000 Menschen demonstrieren in Mainz gegen Rechtsextremismus
Gut zwei Wochen nach der ersten großen Demonstration gegen Rechtsextremismus in Mainz gab es einen neuen Protest. Am Samstagmittag kamen Tausende zu einer Kundgebung in der Mainzer Innenstadt.
Wochenlange Demonstrationen gegen Rechtsextremismus: Beobachter sehen große Auswirkungen
Seit gut drei Wochen gehen überall in Deutschland wieder und wieder zehntausende Menschen gegen Rechtsextremismus und gegen die AfD auf die Straße. Auslöser für die jüngsten Proteste waren die Enthüllungen des Recherchezentrums Correctiv über ein Treffen von Rechtsextremisten am 25. November, an dem AfD-Politiker sowie einzelne Mitglieder der CDU und der sehr konservativen Werteunion in Potsdam teilnahmen.
Tausende demonstrieren gegen AfD-Veranstaltung und Alice Weidel in Simmern
Demnach wurden dort unter dem Verschleierungsbegriff „Remigration“ Vertreibungspläne besprochen. Konkret ging es um die Frage, wie man Millionen ausländisch-stämmige Menschen sowie in den Augen der Rechtsextremisten politisch unliebsame Deutsche, loswerden könnte.
Die AfD reagiert darauf nervös und mit wilden Lügen-Vorwürfen und -Geschichten, sagt Politikwissenschaftler Matthias Quent:
Hier unser Faktencheck zu einem der Vorwürfe:
Falsche Behauptungen auf Social Media Faktencheck: Sind diese Bilder von der Demo in Hamburg gefälscht oder nicht?
Am Freitag haben in Hamburg rund 50.000 Menschen gegen Rechtsextremismus demonstriert. Auf Social Media werden die Zahlen und Bilder zum Teil angezweifelt – was steckt dahinter?
Chrupalla spricht von Instrumentalisierung – ruft aber AfD zu Mäßigung auf
AfD-Chef Tino Chrupalla, dessen Partei in der jüngsten Umfrage des ZDF-Politbarometer von 22 auf 19 Prozent abgerutscht war, schlug am Samstag weichere Töne an: In einem Interview mit dem Deutschlandfunk wertet er zunächst die zahlreichen Kundgebungen im Land gegen rechts als Ablenkungsmanöver der Regierung.
Es sei „legitim, mit der Regierung auf die Straße zu gehen“, fügte Chrupalla hinzu. Allerdings sehe er eine Instrumentalisierung der Kundgebungen durch die Regierenden, um von den „wirklichen Problemen“ abzulenken.
Chrupalla beklagte, dass es bei den Kundgebungen der vergangenen Wochen Aufrufe zu Gewalt gegen seine Partei gegeben habe – zugleich rief er auch die AfD-Mitglieder zur Mäßigung auf. Er erwarte, „dass unsere Parteifreunde und auch unsere Wähler sich davon nicht provozieren lassen“, sagte der AfD-Vorsitzende. Und: Zu Deutschland gehörten auch Deutsche mit Migrationshintergrund, betonte er. Seine Partei plane nicht, diese auszuweisen.
Umfrage: Teilnahme an Demos löst Gefühl von „Handlungsmacht und Zusammengehörigkeit“ aus
Den Teilnehmern der Demonstrationen hingegen vermittelt die Teilnahme daran ein Gefühl von „Handlungsmacht und Zusammengehörigkeit“ und dass sich im Land etwas bewegt. Das besagt eine neue Umfrage des Kölner Rheingold-Instituts.
Die meisten Demonstrierenden und ihre Sympathisanten hoffen demzufolge, dass aus den Demonstrationen eine konstante „Bürgerwelle“ hervorgeht, die nicht nur gegen Rechtsextremismus aufsteht, sondern gegen alles, was in der Politik schief läuft.
61 Prozent der Bevölkerung ab 18 Jahren stimmen demnach der Aussage zu, dass die Demonstrationen ihnen das Gefühl geben, es bewege sich etwas in Deutschland. 29 Prozent wollen sich auch künftig an Demonstrationen gegen Rechtsextremismus und für die Demokratie beteiligen.
Das Institut hat Ende Januar mehr als 1.000 Personen online und 26 Personen ausführlich in Tiefeninterviews befragt. Die Ergebnisse der Online-Befragung sind den Angaben zufolge repräsentativ für die Bevölkerung in Deutschland ab 18 Jahren.
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Das Bündnis setzt sich nach eigenen Anagaben für einen Zusammenhalt in der Gesellschaft gegen Rechtsextremismus ein.