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Tamara Trunk
Tamara Trunk

Mareike wusste schon immer, dass sie keine Kinder haben möchte. Mit 23 Jahren wurde sie schwanger und hat sich für eine Abtreibung entschieden. Sie erzählt hier von widersprüchlichen Gefühlen, dem Weg zur Abtreibung und Vorurteilen.

Mareike winkt uns schon von der Haustür aus zu, als wir durch das Gartentor die Treppe zum Haus hochgehen. Wir bewundern die Idylle des kleinen Dorfes in Rheinland-Pfalz, Mareike lacht viel, bittet uns herein und passt dabei auf, dass ihr Kater Chucky nicht nach draußen huscht. Wir setzen uns ins Wohnzimmer, Mareike ist ein bisschen aufgeregt.

Bis zu diesem Tag kannte ich keine Frau, die schon mal einen Schwangerschaftsabbruch erlebt hat – und das, obwohl nach Schätzungen jede vierte bis fünfte Frau einmal in ihrem Leben eine Abtreibung hat. Nur wenige Frauen sprechen darüber. Mareike ist eine von den wenigen. Sie erzählt uns ihre Geschichte.

Triggerwarnung: Dieser Artikel thematisiert die Abtreibung einer Frau und beinhaltet detaillierte Schilderungen zu ihren persönlichen Erlebnissen.

Wie Mareike ihren Schwangerschaftsabbruch erlebt hatWährend im US-Senat über ein nationales Gesetz zum #Abtreibungsrecht abgestimmt werden soll, das zu #Abtreibungsverboten führen könnte, wird in Deutschland die Abschaffung des #Paragraph219a vorbereitet. Die Aufhebung des Werbeverbotes für Schwangerschaftsabbrüche soll Ärzten erleichtern, über Abtreibungen aufzuklären.

„Ein Schritt in die richtige Richtung, aber nicht die Lösung des Problems“, meint Mareike, die 2014 selbst eine Abtreibung erlebt hat. Mit 23 Jahren wurde sie schwanger, wusste aber, dass sie keine Kinder haben möchte und hat sich für eine Abtreibung entschieden. Sie erzählt hier von widersprüchlichen Gefühlen, ihrem Weg zur Abtreibung und Vorurteilen.Posted by SWR3 on Monday, May 9, 2022

Ungewollt schwanger: Was tun?

Es ist 2014. Mareike ist 23 Jahre alt, sie steht vor den Prüfungen ihrer Ausbildung im Gesundheitswesen. Es ist eine stressige Zeit, Mareike hat große Prüfungsangst. Mit ihrem Freund ist sie seit einem Jahr zusammen, sie sind gerade erst zusammengezogen. Irgendwann fällt auf, dass Mareike sich komisch fühlt, ihr ist oft übel, sie hat Kopfschmerzen, muss sich übergeben. Prüfungsstress? Sie macht einen Schwangerschaftstest. Als sie das Ergebnis sieht, weint sie.

Für Mareike stand schon immer fest: Sie möchte keine Kinder bekommen. Umso schockierter ist sie, als sie den positiven Schwangerschaftstest in den Händen hält.

Das war schrecklich für mich. Ich habe das erst mal gar nicht richtig realisieren können. Ich hatte einen Schock. Ich habe direkt geweint, und alles in mir hat ‚Nein‘ geschrien.

Als Erstes erzählt Mareike ihrem Freund davon. Er war da, hat sie in den Arm genommen, aber so richtig reden konnten sie darüber lange Zeit nicht. Er wusste auch gar nicht, was er sagen sollte, war überfordert. „Er hat versucht so gut da zu sein wie er konnte“, sagt Mareike. Er weiß, dass Mareike keine Kinder bekommen möchte.

Für die finale Gewissheit macht Mareike einen Termin beim Frauenarzt aus. Schon am Telefon sagt sie, dass sie schwanger ist, das Kind aber nicht zur Welt bringen möchte. Die Untersuchung bestätigt das positive Testergebnis: Mareike ist in der fünften Woche schwanger, trotz Pille. Der Arzt meint, das könnte am Stress liegen. Mareike ist sich immer noch sicher: Das Kind will sie nicht bekommen. Sie spricht das Thema Abtreibung an.

Abtreibung in Deutschland legal?

Mit ihrem Frauenarzt habe Mareike großes Glück gehabt, sagt sie. Er durfte ihr zwar nicht viel zu dem Abbruch sagen, hat ihr aber die Visitenkarte eines anderen Arztes gegeben, der Schwangerschaftsabbrüche durchführt.

Abtreibungen sind in Deutschland seit 1871 grundsätzlich strafrechtlich verboten. 1927 wurden Schwangerschaftsabbrüche aus medizinischen Gründen erlaubt. Seit 1974 sind Abtreibungen auch aus anderen Gründen bis zur 12. Woche straffrei – wenn vorher ein Beratungsgespräch stattgefunden hat.

Eine Kommission empfiehlt jetzt Änderungen:

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Eine von der Bundesregierung eingesetzte Kommission empfiehlt, die Regeln für Schwangerschaftsabbrüche zu lockern. Es geht auch um Leihmutterschaft und Eizellspende.

Paragraf 219a: Um was geht es in der Debatte?

Werbung für Schwangerschaftsabbrüche ist erst seit 1933 strafbar. Im März 2022 wurde aber, wie im Koalitionsvertrag zwischen SDP, FDP und Grünen vereinbart, die Aufhebung des Paragrafen 219a angekündigt. Am 13. Mai wurde im Bundestag erstmals über den Gesetzesentwurf beraten – am 24.6.2022 wurde über die Streichung des Paragrafen abgestimmt und endgültig beschlossen.

Der neue Entwurf soll laut Bundesregierung zwei Dinge sicherstellen: Zum einen müssen Ärztinnen und Ärzte künftig nicht länger mit strafrechtlicher Verfolgung rechnen, wenn sie sachliche Informationen über Ablauf und Methoden eines Schwangerschaftsabbruchs bereitstellen (dazu zählt auch die Hompeage). Zum anderen erhalten betroffene Frauen so leichter Zugang zu sachgerechten fachlichen Informationen. Die Suche nach einem geeigneten Arzt soll damit auch erleichtert werden.

Die Abschaffung des Paragrafen ist ein Anfang, aber nicht Lösung des Problems, meint Mareike. Es würde sich nichts daran ändern, dass Ärzte mit Abtreibungsgegnerinnen und -gegnern zu kämpfen hätten. Praxen und Kliniken bekommen Kinderschuhe vor die Tür gestellt, es finden Demonstrationen statt, Frauen, die auf dem Weg zum Eingriff sind, werden abgefangen.

Wie sind Freunde und Familie mit der Abtreibung umgegangen?

Mareike hatte anfangs das Gefühl, sie müsste die Schwangerschaft geheim halten. Neben ihrem Freund erzählt sie erst mal nur ihrer Mutter, ihrer Schwester und ihren zwei engsten Freundinnen davon. Die Reaktionen sind unterschiedlich. „Beim Satz ‚Ich bin schwanger‘ haben sich erst mal alle gefreut, aber dann waren sie schnell enttäuscht, als ich gesagt habe ‚Stopp, ich möchte es nicht bekommen‘.“ Deswegen hat Mareike nicht vielen davon erzählt.

Ich wollte nicht ständig diese Enttäuschung von anderen entgegennehmen.

Mit ihrem Freund hat Mareike rückblickend zu wenig darüber gesprochen. Er hat versucht, für sie da zu sein, konnte sie bei der Entscheidung aber nicht unterstützen. Erst viel später sagt er zum ersten Mal, dass es der falsche Zeitpunkt gewesen wäre. Grundsätzlich hätte er sich aber vorstellen können, Vater zu werden.

Klarer sieht Mareike nach den Gesprächen mit ihrem engsten Umfeld nicht, sie stehen sich zu nahe für objektive Ratschläge. Ein Familienmitglied sagt zu ihr, sie habe ja bisher noch nichts erreicht, vielleicht sollte sie einfach Mutter werden. Die Worte treffen sie hart, auch wenn es in dem Moment vielleicht unüberlegt war.

Abtreibung: Auf der Suche nach Pro und Contra

Mareike hat dann versucht, sich selbst über Abtreibungen zu informieren, um final eine Entscheidung zu treffen. Im Internet ist sie bei der Recherche auf alles Mögliche gestoßen. Blogs, Foren, Webseiten – auch von Abtreibungsgegnerinnen und -gegnern. Viele Texte und Bilder haben sie schockiert, nahezu traumatisiert, sagt Mareike.

Deswegen sucht sie das Gespräch mit gleichaltrigen Müttern, von denen sie wusste, dass sie ungeplant schwanger wurden. Sie hofft, mit ihnen über ihre Gedanken und Ängste sprechen zu können – doch Mareike fühlt sich bedrängt. Sie bekommt Babyfotos geschickt, wird über Fortschritte der Kinder informiert, ihr wird ins Gewissen geredet, dass eine Abtreibung Mord sei. Irgendwann war Mareike klar, dass sie den nächsten Schritt gehen muss.

Bis wann ist eine Abtreibung möglich?

Ein Schwangerschaftsabbruch ist innerhalb der ersten zwölf Wochen nach der Empfängnis möglich. Aus medizinischen Gründen kann auch danach eine Abtreibung durchgeführt werden, jedoch nur, wenn eine Gefahr für die Schwangere besteht. Mareike hat noch sieben Wochen Zeit, danach wäre ein Abbruch nach der Beratungsregelung nicht mehr möglich.

Ich hatte nicht die Möglichkeit, wirklich einfach nur damit überfordert zu sein. Ich musste auch handeln.

Pflichtberatung vor der Abtreibung

Das verpflichtende Gespräch bei der sogenannten Schwangerschaftskonfliktberatung war sehr kurz. Mareike hat sich unwohl gefühlt, mit einer fremden Person über ihre Gründe zu sprechen. Wieso sie hier ist? „Weil ich es muss.“ Mareike erzählt von ihrer Situation und wird auf Alternativen wie Adoption hingewiesen, aber von der Beraterin nicht in eine Richtung gedrängt oder verurteilt. Diese Beratungsgespräche müssen neutral ablaufen. Gebracht hat es ihr trotzdem nichts. Danach bekommt sie die Bescheinigung, die ihr ermöglicht, einen Termin für den Eingriff zu vereinbaren.

Abtreibung ja oder nein: widersprüchliche Gefühle

Mareike ist in der zwölften Woche schwanger, als der Tag der Abtreibung gekommen ist – zum letztmöglichen Termin. Dass sie schon so weit war, war der Grund für ihre letzten Zweifel an dem schon lange gefassten Entschluss. Mareike war sich bewusst, dass der Eingriff heftig sein kann, sie konnte nicht einschätzen, wie ihr Körper darauf reagiert und wie sie psychisch damit umgeht. Sie wollte nicht riskieren, dass sie ihre Abschlussprüfung wegen möglicher Folgen nicht schaffen würde. Also wartete sie, bis die Prüfungen vorbei waren.

Ob ich will oder nicht: Für einen kleinen Moment war ich eine Mutter. Und dann war ich es nicht mehr.

In der Zeit davor merkt Mareike, wie sich ihr Körper verändert, sie spürt eine Verbindung zu dem, was in ihrem Bauch wächst. In ihrem Blog schreibt Mareike über ihre Erfahrungen mit dem Schwangerschaftsabbruch. Ihre Gefühle beschreibt sie so:

„Das wollte ich nicht, da mir ganz klar war, dass es kein lebendiger Teil meines Lebens werden sollte. Aber es passierte dennoch. Mein Körper veränderte sich und wurde zur perfekten Umgebung für neues Leben. Ich konnte spüren, dass ich nicht mehr alleine war. Das war faszinierend und beängstigend. Dem Embryo gegenüber hatte ich nur positive Gefühle, sogar beschützende Instinkte. Das hört sich total abwegig an, das ist mir klar. Genau da beginnen ja auch diese absolut gegensätzliche Gefühle, die Frauen oft spüren, wenn sie sich für einen Abbruch entschieden haben. Das ist keine Entscheidung aus Hass und Egoismus.“ (aus dem Beitrag „Trauma“ vom 8.2.2022)

Was kostet eine Abtreibung?

Weil Mareike noch in der Ausbildung ist und sie ein niedriges Einkommen hat, musste sie die Abtreibung nicht selbst zahlen. Ein ambulanter Schwangerschaftsabbruch kostet laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) je nach Methode zwischen 350 und 600 Euro. Den Antrag dafür musste sie persönlich bei der Krankenkasse stellen, telefonisch war das nicht möglich.

Das war auch so eine schreckliche Situation. Ich kam bei der Versicherung rein, und zwar in ein Großraumbüro. Ich saß an einem Tisch mit einer Person und drumherum ganz viele andere Leute, bei denen ich das Gefühl hatte, die kriegen das jetzt alle mit, was ich gerade mache. Es war richtig unangenehm.

Ablauf der Abtreibung: Mareikes Erfahrungsbericht

Der Gang zum Arzt am Tag des Abbruchs ist hart. Mareike weiß: Wenn sie wieder raus geht, wird sie nicht mehr schwanger sein. Ihr Freund begleitet sie an dem Tag in die Arztpraxis. Rückblickend hat er sein Bestes getan, auch wenn er damals nicht die beste Hilfe war. Was er hätte anders machen können, kann Mareike aber auch heute nicht sagen. Sie fühlt eine Mischung aus Erleichterung, dass es bald geschafft ist und Trauer. Aber vor allem hat sie Angst.

Abtreibungsmethoden: ab der 9. Woche nur operativ

Weil Mareike schon in der 12. Woche war, kam die medikamentöse Abtreibung nicht mehr in Frage. Bei ihr wurde eine Absaugung unter Vollnarkose durchgeführt. Das Narkosegespräch lief ganz normal ab, war nichts Besonderes, erinnert sich Mareike. Dafür sei die letzte Untersuchung vor dem Eingriff das Schlimmste gewesen, was ihr in der ganzen Zeit der Schwangerschaft passiert ist.

Während der Ultraschalluntersuchung dreht der Arzt plötzlich den Monitor und zeigt Mareike das Bild. Er sagt: „Hier ist das Kind.“ Mareike verfällt in eine Schockstarre. Beim letzten Ultaschallbild war nur ein kleiner Punkt zu erkennen, jetzt plötzlich ist da eine menschliche Form. In diesem Moment konnte Mareike nicht begreifen, was passiert.

Ich war total wütend, weil ich das von dem Arzt ziemlich übergriffig fand und weil ich nicht genau wusste, was er damit bezwecken wollte.

Sie taumelt aus dem Untersuchungszimmer und kommt direkt in den OP. Mareike fühlt sich noch nicht bereit, ihr gehen viele Gedanken durch den Kopf, sie hat Angst, etwas Falsches zu machen. Die gegensätzlichen Gefühle sind auf dem Höhepunkt. Dann setzt die Narkose ein.

Als Mareike wieder aufwacht, bekommt sie keine Luft. Sie hyperventiliert und hat das Gefühl, ihr ist etwas Schlimmes passiert, wie bei einem Albtraum. Ihr ist schlecht, sie übergibt sich, auch noch Stunden danach. Der Arzt kam nicht noch einmal zu ihr. Irgendwann wird sie aufgefordert, die Praxis zu verlassen.

Abtreibung: Folgen für Körper und Psyche

Noch Wochen nach dem Eingriff geht es Mareike schlecht. Durch die Absaugung sind Blutergüsse an der Gebärmutter entstanden, das war sehr schmerzhaft, legte sich aber nach einiger Zeit. Was länger bleibt, sind die Gedanken rund um das Kind, Schuldgefühle, Selbstverurteilung, Schmerz und Trauer. Aber auch die Gewissheit, dass es die richtige Entscheidung war.

Ich hätte dieses Baby bestimmt geliebt und wäre eine gute Mutter gewesen. Aber für mich und mein Leben wäre es nicht richtig gewesen.

Lange spricht Mareike mit niemandem über ihre Abtreibung. Sie hat Schamgefühle, aber auch Angst vor Reaktionen von anderen. Sie fühlte sich einsam und weiß nicht, wie sie je damit zurechtkommen soll. Irgendwann ist der Alltag wieder da, die Ausbildung erfolgreich beendet und die Suche nach einem Job steht bevor. Therapeutische Hilfe hat sie zu diesem Zeitpunkt keine, versucht sich selbst zu helfen. Sie kauft ein Notizbuch und schreibt nur für sich ihre Gedanken und Briefe an das Kind auf.

Ich habe irgendwann verstanden, dass ich die ganze Zeit aufschreibe, dass mir jemand vergibt, aber das macht keiner. Und deswegen muss ich es selbst machen. Dann habe ich aufgehört, diese Notizen oder Briefe zu schreiben.

Ab diesem Punkt kann Mareike akzeptieren, was sie erlebt hat. Sie erlaubt sich, beides zu fühlen. Sie darf traurig sein, aber gleichzeitig hinter ihrer Entscheidung stehen.

So kann ich voller Überzeugung sagen: Das war richtig, ich habe abgetrieben.

Mareike und ihr Freund waren nach den Erlebnissen zwei Jahre lang getrennt. Die Schwangerschaft war nicht der einzige Grund, dennoch hat sie die Beziehung belastet.

Tabuthema Abtreibung: Scham, Vorurteile und Anfeindungen

Auf ihrem Blog und ihrem Instagram-Kanal schreibt Mareike mittlerweile ganz offen über ihren Schwangerschaftsabbruch. Mit jedem neuen Eintrag wenden sich Betroffene an sie. Die meisten halten es vor ihrem Umfeld geheim, manche erzählen nicht mal ihren Ehepartnern davon. Es sind junge Frauen, aber auch Frauen, die schon eine Familie haben und kein weiteres Kind möchten.

Gleichzeitig bekommt Mareike dadurch viele Hassnachrichten und Anfeindungen. Wieso andere, auch fremde Menschen sie für ihre Entscheidung verurteilen, kann Mareike nicht verstehen. Was sie gar nicht mehr hören kann, ist das Vorurteil, Frauen seien selbst Schuld, sie hätten einfach nicht aufgepasst. Oder sie seien egoistisch und würden jetzt einfach so abtreiben lassen. Oder, dass sie keinen Sex haben dürfe, wenn sie keine Kinder haben möchte. Meistens bekommt sie Bibelzitate geschickt, eine Person hat aber auch schon geschrieben „Ich wünsche dir, dass du irgendwann ein Kind willst und dann keins mehr bekommen kannst.“

Was Abtreibungsgegner und -gegnerinnen machen, ist einfach in meinen Augen ganz oft eine Hexenjagd, das steht einfach in keinem Verhältnis.

Mareike kann respektieren, dass es Menschen gibt, für die Leben mit der Empfängnis beginnt und ein Abbruch für die deswegen nie in Frage käme. Für Mareike ist der Embryo zu diesem Zeitpunkt kein Lebewesen in dem Sinne. Sie wünscht sich, dass beide Ansichten respektiert werden.

Wann beginnt menschliches Leben?

Die Debatte darüber, wann menschliches Leben beginnt, ist oft die Grundlage für die Diskussion um Abtreibungen. Mareike hat sich diese Frage auch gestellt. Die Wissenschaftlerin Dr. Mai Thi Nguyen-Kim hat dazu recherchiert.

Du musst dich dann damit auseinander setzen: Was ist das, was gerade in dir ist? Ist es wirklich nur ein Zellhaufen? Ist das schon Leben?

Ob ein geplatztes Kondom oder eine Vergewaltigung – aus welchem Grund eine Frau schwanger ist, spielt für Mareike keine Rolle. Wichtig sei: Es ist ihr Leben, es ist ihr Körper, es ist ihre Entscheidung. Die Frau hat einen Grund und das reiche. Die Pro-Choice-Bewegung steht mit diesem Glaubenssatz der Pro-Life-Bewegung gegenüber, die sich als Lebensschützer sehen und sich klar gegen Abtreibungen aussprechen. Mareike findet auch, dass Leben schützenswert ist – fragt sich dabei aber, wieso das Leben der Frauen und auch Ärzte nicht respektiert wird. Auch in anderen Ländern wie Polen und Amerika wird dazu viel diskutiert und demonstriert.

Ich sage immer: Ich bin nicht für Abtreibungen und bitte alle Schwangeren, in die nächste Klinik zu gehen. Ich bin einfach für die Wahl – dass ich für mich entscheiden kann, ob ich eine Familie gründen will oder nicht. Und was da mit meinem Körper passiert.

Jede Frau fühlt anders – jede Entscheidung ist in Ordnung

2022. Heute sind Mareike und ihr Freund von damals wieder zusammen und haben viel aufgearbeitet. Über Kinder haben sie nochmal gesprochen. Mareike kommt aber regelmäßig zu dem Schluss, dass ein Kind nicht das richtige für sie ist. Der Schwangerschaftsabbruch ist heute ein Teil von Mareikes Leben wie jedes andere Erlebnis auch. Es war traumatisch und löst traurige Erinnerungen aus. Aber was passiert ist, hat Mareike in ihr Leben integriert, ohne das Gefühl zu haben, Rechenschaft ablegen zu müssen. Deswegen hat sie auch darauf verzichtet, in diesem Beitrag anonym aufzutauchen.

Und obwohl sie für viele jetzt „die, die abgetrieben hat“ sein mag, ist sie nicht die erste, einzige und letzte Frau, die diese Entscheidung trifft. 2021 wurden in Deutschland 94.596 Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt. Mareike wünscht sich, dass keine Frauen mehr für ihre persönlichen Entscheidungen verurteilt werden.

Doch am Wichtigsten ist ihr die Aufklärung zum Thema Schwangerschaftsabbrüche. Dass Menschen sich informieren und in den Dialog gehen. Wenn man sich mit dem Thema auseinandersetzt, sollte man sich umfassend informieren, nach Fakten suchen, mit Ärzten und Betroffenen sprechen – und niemanden bedrängen.

Bittet Mareike heute jemand um einen Rat, sagt sie der Person, dass nur das eigene Gefühl zählt. Keiner kann sich in eine ganz individuelle Situation hineinversetzen. Aber egal wie die Entscheidung ausgeht, sie muss respektiert werden.

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