Ein Mann wird ins Koma geschlagen und stirbt, einer Frau wird mehrfach ins Gesicht geschlagen – weil sie trans sind. Was machen solche Vorfälle mit der Community? Wir haben mit einer trans Frau über transfeindliche Gewalt gesprochen.
Das sagt uns trans Frau Dana Diezemann im Interview. Wir durften sie schon einmal in ihrem Leben begleiten: 2019 haben sie und ihre Frau uns in der Beziehungsshow erklärt, wie sich ihre Partnerschaft verändert hat, als Dana sich als trans Frau outete.
So selbstverständlich, wie ihre Aussage oben für viele klingt, ist sie aber nicht. Gleich zwei schwere Übergriffe auf trans Personen sind in den vergangenen Wochen durch die Presse gegangen. Mit Dana sprechen wir darüber:
Am 2. September starb Malte, nachdem er eine Woche im künstlichen Koma lag. Der Grund ist ein schwerer Übergriff, als er sich für zwei Frauen eingesetzt hat, die belästigt wurden.
Übergriff in Bremen: Perücke vom Kopf gerissen und krankenhausreif geprügelt
Nur ein Tag später wurde eine trans Frau in Bremen angegriffen. Als sie in der Straßenbahn fuhr, stieg eine Gruppe von 15 Jugendlichen ein, die die 57-Jährige erst beschimpfte, dann die Perücke vom Kopf riss und der trans Frau mehrfach ins Gesicht schlug. Als Umstehende einschritten, verließen die Jugendlichen die Bahn an der nächsten Haltestelle. Die Verletzte musste ins Krankenhaus eingeliefert werden.
Dana weiß aus eigener Erfahrung, wie schwer der Weg vor allem am Anfang sein kann, offen trans zu leben:
Blicke würden nicht ausbleiben: „Du nimmst all deinen Mut zusammen und gehst auf die Straße. Und dann kriegst du diese Blicke, das ist einfach so. Wenn du noch am Anfang deiner Hormontherapie stehst, wenn du immer noch diese männlichen Züge hast, gucken viele dreimal, was ist das denn jetzt? Ein Mann oder eine Frau?“
Sie erzählt, dass das auch für sie schwer gewesen sei. Körperliche Gewalt habe sie nicht erlebt, Beschimpfungen schon. Die vergangenen Fälle haben sie mitgenommen:
Coming-out als trans: der schwere und schöne Weg zu sich selbst
Dana hat vor circa zehn Jahren begonnen, nach drei bis vier Jahren sei sie dann „halbwegs angekommen“. Diese „Wandlung“, wie sie es nennt, sei auf der einen Seite sehr schön. Es sei eine Zeit der Selbstverwirklichung, in der man sich vielleicht zum ersten Mal neu ausleben kann. Es könne aber auch sehr hart sein:
Dazu kommen dann noch Reaktionen von außen. Die können positiv sein – aber auch Unverständnis, Beschimpfungen und körperliche Gewalt können Reaktionen sein: „Durch solche Erlebnisse wirst du natürlich zurückgesetzt.“
Die Übergriffe beschränken sich deshalb nicht nur auf die körperlichen Verletzungen – die seelischen Folgen können unter Umständen weit länger einschränken. Häufig breche ein großer Teil des Umfelds weg, Beziehungen können auseinander gehen und auch der Job kann je nach Arbeitgeber nicht mehr sicher sein.
Es brauche einen großen Mut, um in diesem Gefühl nicht stecken zu bleiben, sagt Dana. Auch für sie war der Weg in ihr jetziges Leben alles andere als leicht, denn nicht nur sie musste diesen Weg gehen: Auch für ihre Partnerin Stefanie begann ein neuer Abschnitt. Die Heilbronnerin musste damit klarkommen, dass aus ihrem Partner eine Partnerin wurde.
Coming-out in der Beziehung: Wenn der Partner zur Partnerin wird
Als Dana während der Beziehung klar wurde, dass ihr Körper nicht zu ihrem Inneren passt, war sie sich absolut sicher: „Ich werde meine Beziehung verlieren. Weil wenn der Partner sich so dramatisch ändert und sich von Männlein zu Weiblein wandelt, dann rennt der Partner natürlich weg.“ Steffi hat dann lange darüber nachgedacht, ob sie das bis zu ihrem Lebensende mitmachen möchte oder ob sie einfach geht. Letztlich ist sie geblieben, weil sie eben mit diesem Menschen leben wollte.
2005, als die beiden sich kennenlernten, war für Steffi klar: „Das ist ein Mädchen. Ich stehe auf sehr weibliche Männer. Dass aus dem Mädchen eine Frau wird, hab ich aber nie gedacht.“
Äußerlich vom Mann zur Frau
Denn lackierte Nägel und mal Interesse an Frauenklamotten sind etwas ganz anderes, als wenn's dann wirklich ernst wird und zum Beispiel der Bart, den Steffi so geliebt hat, für immer durch Strom wegepiliert wird.
Heute, einige Jahre später, fällt es Steffi nicht mal mehr auf, was Dana im Gesicht hat oder nicht. Wenn Dana dann sagt „ich hab gar keine Ohrringe drin“ und Steffi mit „echt?“ darauf reagiert, antwortet Dana „du guckst mich ja gar nicht mehr an“, erzählt Steffi.
Mit viel Geduld ein Paar geblieben
Aber beide sagen: Dass wir ein Paar bleiben konnten, gab's nicht zum Nulltarif. Es war ein langer Kampf, um absolute Offenheit für die eigenen, ehrlichen Gefühle und die des Partners.
Steffi bejaht die Aussage von Dana: „Immer wenn ich gesagt habe: ‚Stopp, das geht mir jetzt wieder eine Nummer zu schnell‘, dann ist es wieder in eine langsame Ebene gekommen – bis ich wieder dabei war und das auch alles akzeptieren konnte, was um mich rum passiert.“
Charakter verändert sich nach Geschlechtsangleichung
Steffi liebt Dana. Durch ihre Geschlechtsangleichung hat sich aber auch Danas Charakter verändert. „Früher waren es um die 3.000 Wörter. Heute sind es glaube ich um die 15.000 bis 23.000 Worte. Das fängt morgens um 7 Uhr schon an. Die Augen gehen auf und dann geht es los: bla bla bla. Früher wars angenehmer“, erzählt Steffi. „Was Östrogene nicht anrichten“, unterbricht sie Dana lachend.
Doch es sind noch mehr weibliche Eigenschaften, die Dana jetzt im Vergleich zu früher zeigt.
Frau werden war nicht leicht
Was sich zum Glück im Laufe der Zeit verändert hat: Danas Klamottengeschmack. Denn sie wollte anfangs Schnürstiefel und knallenge Sachen tragen. „Je auffallender, desto besser.“ Steffi aber blieb hart und sagte damals zu Dana: „So gruselig und so furchtbar geh ich mit dir nicht vor die Tür – und dann sind wir losgezogen und haben erst mal normale Klamotten gekauft.“
Dana erklärt: „Man möchte ganz übertrieben Weiblichkeit zeigen. Aber so funktioniert das nicht. Heute brauche ich keinen Lippenstift mehr, damals waren das noch künstliche Wimpern.“
Nicht nur Dana – auch Steffi hat sich verändert
Auch Steffi hat sich im Laufe der Zeit verändert. Früher hat sie sich sehr drüber aufgeregt, wenn Leute sie und Dana offen angeglotzt haben. „Man kann gucken, aber das Angestarre finde ich widerlich.“ Heute passiert den beiden sowas zwar auch noch. Aber Steffi nimmt es inzwischen viel lockerer.