141.792 Menschen sind 2019 in Deutschland Opfer von partnerschaftlicher Gewalt geworden. Mord, Totschlag, Vergewaltigung, Stalking – die Liste ist lang. Die Corona-Pandemie hat die Situation verschärft. So kannst du dich informieren und helfen.
Alle 45 Minuten wird eine Frau Opfer vollendeter oder versuchter schwerer Körperverletzung durch den Partner oder den Ex. Beinah jeden dritten Tag wird eine Frau von ihrem Partner oder Ex umgebracht. Das zeigen die Zahlen aus der Kriminalstatistischen Auswertung zu Partnerschaftsgewalt 2019 des Bundeskriminalamtes – und das sind nur die gemeldeten Fälle (die BKA-Zahlen für 2020 liegen noch nicht vor). Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) geht davon aus, dass 75 bis 80 Prozent der Fälle nicht gemeldet werden.
- Insgesamt sind laut dem Bericht knapp 142.000 Menschen im Jahr 2019 in Deutschland Opfer von Gewalt durch ihren Partner oder Ex-Partner geworden.
- Die Zahl der registrierten Fälle ist im Vergleich zum Vorjahresbericht leicht gestiegen.
- In 117 Fällen sind Frauen durch häusliche Gewalt gestorben, in 32 Fällen starben Männer.
Du brauchst Hilfe? Hier findest du Adressen und Telefonnummern
Häusliche Gewalt während der Corona-Pandemie
Während der Corona-Pandemie hat sich die Situation noch einmal verschärft: Im Jahr 2020 haben sich deutlich mehr Frauen oder besorgte Nachbarn und Freunde an das Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen gewendet – das zeigt der Jahresbericht der Beratungsstelle. Es gab demnach rund 51.400 Beratungen – ein Anstieg um 15 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, der höchste Anstieg der Beratungen seit fünf Jahren. In rund 24.000 dieser Beratungen sei es um Fragen zu häuslicher Gewalt gegangen.
Die gestiegenen Beratungszahlen ließen aber keine direkten Rückschlüsse auf tatsächlich gestiegene Fallzahlen zu, es werde aber ein Anstieg der Gewalt vermutet. Dennoch: „Für viele Frauen ist dieses Hilfetelefon zum Rettungsanker geworden“, sagte Familienministerin Giffey bei der Vorstellung des Berichts.
Während der Corona-Pandemie hatte das Bundesfamilienministerin zusätzlich die Aktion Zu Hause nicht sicher gestartet, bei der vor allem in Supermärkten auf das Hilfetelefon aufmerksam gemacht wurde. Hintergrund war die Sorge, dass Frauen im Lockdown schwerer Hilfe bekommen und Gewalttaten unbemerkt bleiben.
Bundesweites Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen
Das Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen ist ein bundesweites Angebot, das vom Bundesfamilienministerium unterstützt wird. Petra Söchting leitet dieses Beratungsangebot und hat bereits im vergangenen Jahr anlässlich des Internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen mit uns für die SWR3-Vormittagsshow mit Kristian Thees gesprochen.
Die häusliche Gewalt beginnt oft mit Beleidigungen
Sie betonte, dass Gewalt nicht ausschließlich Schläge oder Vergewaltigungen beinhaltet – Gewalt kann auch psychischer Art sein. Daher wünsche sie sich, dass Frauen in ihrer eigenen Partnerschaft frühzeitig sensibel sind und versuchen zu merken, wenn Grenzen verletzt werden.
Denn oft, so die Erfahrung der Beraterin, entwickelt sich Gewalt über einen längeren Zeitraum und beginnt früher, als Viele denken. Kontrolle sei hier ein großes Thema, das anfangs vielleicht noch nicht gefährlich wirkt. Der Partner versucht, seine Frau öfter telefonisch zu erreichen, sie zu fragen, was sie tut, wo sie steckt, wann sie wieder kommt – das wirkt ja erst einmal vielleicht ganz nett.
Beleidigungen, von denen die Frauen häufig berichten und die oft erst im Nachhinein als der Beginn eines Leidensweges wahrgenommen werden, sind Sätze wie:
- Ohne mich bist du nichts.
- Du würdest doch alleine gar nicht zurechtkommen.
- Was hast du da wieder gemacht?
- Du bist einfach dumm.
- Wieso kannst du das nicht?
So erkennst du, ob jemand Opfer von Gewalt wurde
Oft ist es als Außenstehender gar nicht so einfach zu erkennen, ob jemand von häuslicher Gewalt betroffen ist. Denn viele Frauen haben Strategien entwickelt, um ihre Situation zu Hause so gut es geht zu verheimlichen. Das kann daran liegen, dass sie sich schämen, dass sie sich die Probleme nicht eingestehen wollen oder auch daran, dass sie ihre Kinder schützen wollen.
Auffällig ist deshalb gerade das, was vielleicht am Wenigsten für Aufsehen sorgt: Wenn sich eine Frau immer weiter von ihrem sozialen Umfeld zurückzieht, das Telefon nicht abnimmt, Verabredungen absagt und sich möglicherweise auch in Ausreden verstrickt.
Ebenfalls kann Freunden, Verwandten oder Bekannten auffallen, dass eine Frau immer ihren Lebenspartner um Erlaubnis fragt, ob sie etwas tun oder weggehen darf. Ständige Anrufe des Partners können ein weiteres Zeichen der Kontrolle und Überwachung sein. Wenn dazu noch blaue Flecken oder andere Verletzungen kommen, sollte spätestens jetzt jemand aufmerksam werden. Die betroffenen Frauen versuchen, die Verletzungen oft mit Ausreden zu rechtfertigen – hier sollten Außenstehende laut Experten unbedingt eingreifen.
Gewalt gegen Frauen: So kannst du Betroffenen helfen
Menschen, die Opfer von Gewalt geworden sind, tun sich oft schwer, darüber zu sprechen. Wenn sie sich öffnen, dann tun sie das aber oft zuerst gegenüber vertrauten Menschen in ihrem Umfeld. Eine Studie des zuständigen Bundesministeriums hat ergeben, dass es für die Betroffenen besonders wichtig ist, wie diese Ansprechpartner darauf reagieren. „Eine klare Stellungnahme der Angesprochenen im Sinne einer Verurteilung der Gewalt und eine solidarische Haltung sind sehr wichtig dafür, dass die Betroffenen den Schritt unternehmen, sich Unterstützung zu suchen“, so beschreibt es die Hilfsorganisation Frauen gegen Gewalt.
Wer sich unsicher ist oder Angst hat, eine Freundin anzusprechen oder Betroffenen Hilfe anzubieten, kann sich selbst erst einmal beraten lassen. Denn oft ist man sich ja auch nicht ganz sicher: Was soll ich sagen? Reagiere ich über? Will diejenige überhaupt angesprochen werden? Bilde ich mir das nur ein oder braucht sie vielleicht gar keine Hilfe? All diese Fragen sind menschlich und können mit Beraterinnen und Beratern jederzeit telefonisch und anonym besprochen werden. Kontaktnummern haben wir weiter unten aufgeführt.
Dass Gewalt in der Partnerschaft oder von Ex-Partnern ausgehend ein Problem ist, ist nicht neu. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bezeichnet seit Jahren die Gewalt als eines der größten Gesundheitsrisiken von Frauen weltweit.
Am 25. November ist weltweit der Internationale Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen.
Weitere Informationen, Hilfsangebote und Anlaufstellen:
- Hier kannst du eine Hilfsorganisation oder ein Frauenhaus in deiner Nähe suchen.
- Hilfetelefon – Gewalt gegen Frauen: 08000 116 016
- Hilfetelefon – Gewalt gegen Männer: 0800 1239900
- Frauen gegen Gewalt und Stärker als Gewalt: Hier findest du ein umfangreiches Informationsangebot.
- Wie kann ich mich schützen? Häufige Fragen und Antworten gibt es auf der Seite der Diakonie Deutschland.
- Eine erste Beratung gibt es hier.
- Bundesweit ist der Weiße Ring Anlaufstelle für Opfer von Gewalt, auch per Online-Beratung.
- In rund 40 Städten hilft das Codewort „Maske 19". Entsprechende Apotheken, Arztpraxen oder Kliniken sind von Zonta International gekennzeichnet. Die hilfesuchende Person wird beiseite genommen, auf ihren Wunsch hin wird die Polizei verständigt. In folgenden Städten gibt es diese Initiative:
(ZC = Zonta Club) Bayern: ZC Alzenau, ZC Aschaffenburg, ZC München I, ZC München II, ZC München City, ZC München Friedensengel, ZC Fränkisches Seenland, ZC Garmisch Partenkirchen, ZC Herzogenaurach, ZC Murnau-Staffelsee, ZC Bad Kissingen-Schweinfurt, ZC Würzburg, ZC Würzburg Electra, Baden-Württemberg: ZC Offenburg, ZC Freiburg-Schauinsland, Berlin: ZC Berlin Mitte, Brandenburg: ZC Potsdam, Hessen: ZC Rheingau-Rheinhessen, ZC Bad Soden-Kronber, Rheinland Pfalz: ZC Koblenz, Sachsen: ZC Leipzig, Schleswig-Holstein: ZC Lübeck, Nordrhein-Westfalen: ZC Bonn, ZC Dortmund, ZC Dortmund Phönix, ZC Essen, ZC Hamm-Unna, ZC Mönchengladbach, ZC Niederrhein, ZC Oberhausen Rheinland, ZC Siegen Area, ZC Wuppertal, Niedersachsen: ZC Leer Ostfriesland