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Autor/in
Lea Hufnagel
Lea Hufnagel: Website-Redakteurin bei SWR3

Temu lockt mit unglaublichen Schnäppchen. Doch die Bundesregierung geht gegen die Plattform vor – der Grund: Kaufanreize mit teilweise glücksspielartigen Methoden. Und es lauern weitere Gefahren.

Temu ist ein Onlineshop und Temu ist ÜBERALL. Besonders auf Social-Media-Plattformen wie Instagram und Tiktok schaltet die App viel Werbung und erreicht dabei eine Menge potenzieller Kunden.

Verbraucherzentralen mit Mängelliste an Temu

Doch auch in anderen Zusammenhängen taucht der Name immer wieder auf: Der Bundesverband der Verbraucherzentrale hat Temu stark kritisiert, eine ganze Liste an Mängeln zusammengetragen und den Onlineshop abgemahnt. Doch was ist Temu eigentlich genau? Was ist der Stand bei der Verbraucherzentrale und welche Rechte haben Käufer? Wir haben die wichtigsten Informationen zusammengestellt!

Was ist Temu?

Screenshot der App Temu
Die Shopping-App Temu lockt mit günstigen Angeboten und umso höheren Rabatten.

Was man bei Temu kaufen kann, ist gar nicht so einfach einzugrenzen, denn im Grunde bietet der Shop fast alles an, was man sich vorstellen kann – außer Tiernahrung. Im Ernst: Von Motorradzubehör über Spiegeleiförmchen und vermeintlichen Markenkopfhörern bis hin zu Abendkleidern ist quasi alles dabei.

Das Besondere daran: Die Produkte sind wahnsinnig günstig. Besagte Kopfhörer gibt es in vielfacher Ausführung ab circa vier Euro. Obendrauf kommen nochmal Rabattaktionen, die man sich von anderen Shops nur wünschen kann.

Shoppen wie ein Milliardär“ ist der Werbeslogan von Temu. Aber bekommt man auch die gleiche Qualität wie der Milliardär bei seinem Shopping-Trip?

Ist Temu seriös und welches Unternehmen steht dahinter?

Temu ist kein Fake-Shop oder ein anonymer Briefkasten, der das Geld einsackt. Der Onlineshop existiert. Das heißt: Wer etwas bestellt, sollte das Bestellte in der Regel auch bekommen. Im Impressum ist auch ein Unternehmen angegeben: Whaleco Technology Limited. Das sitzt für den deutschsprachigen Raum in Irland und hat seine Ursprünge in China.

Der Haken an der Sache: Wer ein Produkt bei Temu in den Warenkorb legt und bezahlt, schließt genau genommen keinen Kaufvertrag bei Temu ab, sondern mit dem Anbieter dieses einzelnen Produkts – und dessen Seriosität ist nur schwer nachzuweisen. Informationen über die Anbieter findet man kaum. Reklamationen oder Ähnliches werden da schwierig.

Und natürlich kommt die Qualität der Kopfhörer für vier Euro nicht an die der Markenprodukte ran. Hier wird getrickst: Weil die Originalmarke nicht genannt wird, ist das gekaufte Produkt auch nicht fake – es stand ja nirgends, dass es das Markenprodukt sein sollte.

Markenhersteller könnten wegen Copyrightverletzungen klagen, dem Käufer wurde aber nicht das Markenprodukt versprochen. Genau hinschauen lohnt sich also. Diese weiteren versteckten Haken hat der Onlineshop laut Max Dehling aus der SWR3-Wirtschaftsredaktion:

Wo kommen die Produkte von Temu her? Erfahrungsbericht aus dem Lager

Es gibt nicht nur ein Lager von Temu. Zwar kommen alle Bestellungen als Zwischenstation in Guangzhou – im südlichen chinesischen Landesteil Guangdong an, allerdings sind sie dann schon fertig verpackt und werden direkt weiter zu den Kunden verschickt.

Verpackt werden die Produkte in der ost-chinesischen Zwei-Millionen-Stadt Yiwu im Landesteil Zhejiang. Sie ist bekannt als der weltweit wichtigste Markt für Kleinwaren und alltägliche Gebrauchsgegenstände. Von dort kommen beispielsweise 80 Prozent der Weihnachtsdeko für die ganze Welt her.

Yiwu: weltweit wichtigster Markt für Kleinwaren

Unsere Reporterin Eva Lamby-Schmitt war vor Ort in Yiwu und lief an Unmengen von Paketen und in Plastik verpackten Shirts, Haushaltswaren und Kinderspielzeug vorbei.

Viele der Bewohner nutzen die Nachfrage von Temu, um nach ihrer eigentlichen Arbeit noch nebenbei Pakete zu packen, bei anderen ist das Paketepacken der Hauptberuf. Dafür mieten manche sogar extra Kellerabteile, um mehr Platz für die Ware zu haben.

Gewinn trotz Billigpreisen – wie geht das?

Zwischenhändler, die auch was verdienen wollen und ein Lieferweg von beispielsweise 10.000 Kilometern: Wie kann sich das Geschäft mit Temu überhaupt für die Leute in Yiwu lohnen?!

Hauptsächlich, weil die Einkaufspreise für die Händler so günstig sind. Besonders in Yiwu seien die Sachen noch mal günstiger als anderswo. Die Fabriken verkaufen ihre Waren teilweise für umgerechnet unter einem Cent. Die Händler versuchen dann, wenn sie an Temu verkaufen, noch mal 100 bis 300 Prozent Profit rauszuschlagen.

Wenn der Endkunde mit seiner Ware zufrieden ist, geht die Rechnung auf. Ein Minusgeschäft wird es, wenn der Kunde die Ware zurückschickt. Einige Händler erzählten, dass sie eine Strafe zahlen müssen, die fünfmal so hoch wie der Produktpreis für den Kunden ist.

Verbraucherzentrale warnt vor Temu-App

Auch die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen sieht den Onlineshop Temu kritisch. Gerade wegen der Bestellung im Ausland würden Fallstricke und Risiken lauern. Sie gibt deshalb folgende Tipps an Personen, die Produkte im Ausland bestellen möchten:

  1. Zollgebühren und Steuern prüfen: Je nach Fall könnten hier zusätzliche Kosten auf Käufer zukommen (mehr dazu weiter unten).
  2. Nicht in Vorkasse gehen: Ist das Produkt schon bezahlt, kommt aber nicht an, wird es schwierig, das zurückzuholen.
  3. Bewertungen checken: Was schreiben andere User über das Produkt?
  4. Temu nutzt persönliche Daten für kommerzielle Zwecke – die eigenen Einstellungen (Standortbestimmungen, Kontakte, Mikrofon,...) also besser nochmal prüfen.

Der Bundesverband der Verbraucherzentrale hat Temu im März abgemahnt und mit einer Klage gedroht. Die wurde bisher allerdings nicht eingereicht. Die Verbraucherzentrale sagt dazu gegenüber der dpa: „Es ist gut, dass Temu sich verpflichtet hat, die von uns beanstandeten Verstöße abzustellen. Manipulative Designs sind ein Ärgernis für Verbraucherinnen und Verbraucher.

Eine entsprechende Unterlassungserklärung wurde von Whaleco Technology Limited unterzeichnet. Das Unternehmen betont, sie würden das Feedback als Neuling auf dem deutschen Markt schätzen und Wert auf die Einhaltung von Vorschriften legen.

Finanzminister gegen Temu: Steuereinnahmen in Millionenhöhe fehlen

Das Thema Zollgebühren stand auch bei der Tagung der Finanzministerinnen und Finanzminister der Länder auf der Agenda: Der Onlineshop würde bei der Umsatzsteuer und Zollgebühren tricksen, wirft NRW-Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) vor:

Es kann nicht sein, dass der Einzelhandel in Deutschland darunter leidet, dass wir jetzt in großem Umfang eine Flut an Paketen bekommen haben, die letztlich nach anderen Regeln oder nicht verzollt werden, dass eine Wettbewerbsverzerrung entsteht.

So umgeht Temu oft Zollgebühren:

  • Einen niedrigeren Warenwert angeben: Erst ab einem Warenwert von 150 Euro fallen Zollgebühren an.
  • Eine Bestellung in mehreren Paketen verschicken: Auch so soll die Grenze von 150 Euro unterschritten werden.

Temu bestreitet diese Vorwürfe und begründet aufgeteilte Bestellungen mit logistischen Gründen, Größe und Gewicht. Das Land NRW fordert jetzt strengere Zollvorschriften und möchte den Zoll insgesamt stärken, um die entgangenen Einnahmen in Milliardenhöhe zukünftig zu sichern.

EU-Vorschlag: zollfreie 150-Euro-Grenze abschaffen

Die EU möchte das EU-Zollrecht reformieren. Der vorgestellte Vorschlag: Keine 150-Euro-Grenze mehr, unter der Ware nicht verzollt werden muss. Stattdessen könnte eine gestaffelte Zollgebühr fällig werden.

Die Bundesregierung unterstütze die vorgestellte Reform, wie der Handelsverband HDE berichtet; das Finanzministerium äußert sich dazu nicht, begrüßt aber nach eigener Aussage eine Reform.

Bundesregierung will gegen Temu vorgehen

Nicht nur die fehlenden Zolleinnahmen stören die Bundesregierung an Temu. Die Website verstoße gegen das Digitale-Dienste-Gesetz der EU. Der Vorwurf: Temu gestalte seinen Online-Auftritt manipulativ mit Glücksrädern, Countdowns und Ähnlichem. Das ist verboten.

Verbraucherschutz-Staatssekretärin Christiane Rohleder (Grüne) fordert ein umfassendes Vorgehen gegen manipulative oder süchtig machende Praktiken bei Onlineshops. Mehr dazu im SWR3 Topthema:

Erfahrung mit Temu-Produkten: Qualität oder Schrott?

Grundsätzlich muss günstig nicht immer schlecht heißen. So können bei anderen Produkten beispielsweise Zwischenhändler den Produktpreis ansteigen lassen. Bei Temu fallen genau die weg: Die Produkte werden von China aus vermarktet, verkauft und dann verschickt.

Für jeden erschwingliche Preise – das klingt erstmal gut und manche Produkte machen auf den ersten Blick einen soliden Eindruck. Bei manchen wird es aber wirklich gefährlich, zeigt der Temu-App-Selbstversuch von HR-Redakteurin Maike Busse.

Temu-Produkte: Vorsicht! Stromschlag-Gefahr

Wer bei Temu beispielsweise Elektrogeräte bestellt, geht zugunsten des Preises ein hohes Risiko ein: Die Produkte werden nicht auf ihre Sicherheit hin überprüft – weder nach chinesischem noch nach europäischem Standard. Wird schon nichts schiefgehen? Im Zweifel kann ein Stromschlag mit 230 Volt aus der heimischen Steckdose möglich sein.

Auch andere Sicherheitsmängel drohen: giftige Stoffe, die in der EU eigentlich nicht zugelassen sind, oder schlecht verarbeitete Materialien beispielsweise. Normalerweise sind diese Dinge durch die CE-Kennzeichnung abgedeckt.

Im Shop von Temu tragen manche Produkte eine CE-Kennzeichnung – die ist aber oft gefälscht. Andere Produkte im Temu-Shop haben erst gar keine.

CE-Kennzeichen oder „China Export“?

Achtung, großer Unterschied: Manchmal wird das engerstehende CE-Zeichen als „China Export“ bezeichnet. Damit wurde in der Vergangenheit immer wieder gerechtfertigt, warum es sich nicht um Verbrauchertäuschung handle. Tatsache ist aber: Ein solches Zeichen existiert im offiziellen chinesischen „System der Konformitätsbewertung“ nicht. Das bestätigt die EU-Kommission. Es bleibt also dabei: Das falsche CE-Zeichen bleibt ein falsches CE-Zeichen

Außerdem werden gesetzlich festgelegte Widerrufsbedingungen nicht eingehalten: Wer in der EU Waren kauft, hat – egal woher sie geliefert werden – ein 14-tägiges Widerrufsrecht. Im Temu-Shop werden manche Produkte davon ausgeschlossen, was so nicht in Ordnung ist.

Wish, Alibaba & Co.: die Masche der Schnäppchen-Shops

Temu ist nicht der erste Onlineshop, der mit wahnsinnig günstigen Schnäppchen lockt: Die Unternehmen Wish und Alibaba waren bisher die Platzhirsche auf dem Markt. Die Shops gehen ähnlich vor:

  • Lagerung und Versand aus den Produktionshallen, um Steuern im Ausland zu sparen
  • Kostenloser Versand durch ein geringes Gewicht
  • Vermeidung von Zollgebühren durch Preise meist unter 150 Euro (spätestens nach dem dritten Rabattcode); wenn doch etwas anfällt, muss oft der Kunde dafür aufkommen
  • Kein Geld in Produktdesign investieren: Große Marken werden nachgebaut

Unsere Quellen

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