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Autor/in
Vanessa Valkovic
Vanessa Valkovic arbeitet bei SWR3

Mutter werden ohne Hebamme? Für viele Frauen unvorstellbar – auch für Khadydia, zweifache Mutter aus Mainz. Die Hebammenverbände in SWR3Land signalisieren: Sie sind an der Grenze.

„Ich weiß nicht, wie es ohne Hebamme gewesen wäre. Ich hätte wohl eine knallharte Wochenbettdepression bekommen, wenn sie mir nicht geholfen hätte.“ Khadydia ist 35 Jahre alt und kommt aus Mainz. Sie hat zwei Kinder: einen Sohn, der fast vier Jahre alt ist und eine Tochter, die vor zwei Monten zur Welt kam. Bei beiden Kindern wurde Khadydia von einer Hebamme unterstützt, erzählt sie im Gespräch mit SWR3. Besonders bei ihrem Sohn, hätte sie sich ein Leben ohne ihre Hebamme nicht vorstellen können.

Ich hatte eine relativ ausgeprägte Schwangerschaftsdiabetes, die Hormone haben verrückt gespielt, ich hatte eine Neigung zu einer Schwangerschaftsdepression.

Schwanger, und dann? Wie Hebammen helfen

Wie wird das, wenn das Kind da ist? Wie wird es sein als Mutter? Wie wird sich das Leben verändern? Fragen, die Khadydia beschäftigten – obwohl ihre Babys absolute Wunschkinder waren.

Strahlende, lachende Kinder, die scheinbar nicht auf die Idee kommen, zu schreien, ausgeschlafene, schlanke Mütter, die offenbar kein Problem mit körperlichen Veränderungen nach der Schwangerschaft oder durchgemachten Nächten haben und Schwangere, denen es offensichtlich einfach nur gut geht – in Gesellschaft und Werbung gibt es oft ein einseitiges Bild.

Das ganze Umfeld suggeriert dir, dass man glücklich sein muss. Meine Hebamme hat mir das Gefühl gegeben, dass ich mit ihr darüber sprechen kann, wenn man sich nicht damit wohlfühlt, seinen Körper zu teilen.

Ihre Hebamme sei für sie da gewesen, habe ihr Tipps gegeben. Ihr Mann habe ihr eher versucht, gut zuzureden – von ihrer Hebamme fühlte sich Khadydia emotional abgeholt und verstanden.

Schwangerschaft und Geburt: Warum Hebammen so wichtig sind

Hebammen sind nicht nur vor und während der Geburt für die Familie da, sondern auch danach. Khadydias Tochter hatte nach der Geburt eine unreife Hüfte. Dafür musste sie ein spezielles Gestell tragen. „Beim Arzt war das so: Hier die Diagnose, bitteschön. Die Hebamme hat dann geholfen, damit klarzukommen, wie man damit im Alltag umgeht.“

Eine Hebamme ist nicht nur für die Mutter und das neugeborene Kind wichtig, sondern für die ganze Familie, berichtet Khadyia. Sie gebe auch dem Vater Sicherheit und habe ihr, vor allem beim ersten Kind, geholfen, auch mal etwas an den Partner abzugeben und gelassen zu reagieren:

Wenn der Vater den Strampler oder die Windel anders zumacht, wird man direkt nervös. Die Hebamme hat geholfen klarzumachen, dass man Sachen anders machen kann und es in Ordnung ist, das Kind wird es überleben, wenn der Vater versehentlich einen zu kleinen Body anzieht weil es schon eine Größe weiter ist.

Die zweifache Mutter hatte Glück, sie kam über Freundinnen an eine Hebamme. Sie erzählt: In ihrem Umfeld war die Suche nach einer Hebamme für viele eine Herausforderung.

Mutter werden, ohne die Unterstützung einer Hebamme? Für Khadydia unvorstellbar: „Das ist eine absurde Vorstellung. 'Einsam' wäre ein Schlagwort, keine schöne Vorstellung“

Gibt es bald noch weniger Hebammen in Krankenhäusern?

Genau das steht laut dem Hebammenverband aktuell auf dem Spiel: Die ausreichende Versorgung von Müttern in Kliniken mit Hebammen. Ein Grund: Eine Änderung des Pflegebudets in Krankenhäusern. Der Bundestag hat Ende Oktober ein Gesetz beschlossen, das das Ziel hat, die Finanzlage der gesetzlichen Krankenversicherung zu stabilisieren. Es sieht vor, dass Kliniken ab dem Jahr 2025 über dieses nur noch tatsächliche Pflegekräfte finanzieren können, die „in der unmittelbaren Patientenversorgung auf bettenführenden Stationen“. Das schließt Hebammen nicht mit ein. Wenn Kliniken die Leistungen der Hebammen nicht im bisherigen Umfang mit den Krankenkassen abrechnen können, wird das wahrscheinlich dazu führen, dass sie weniger eingesetzt oder sogar gekübdigt werden, befürchten die Hebammen. Mütter könnten dann auf der Wochenbettstation zum Beispiel von Pflegekräften betreut werden. Das wird vom Deutschen Hebammenverband e.V. in einer Stellungnahme kritisiert:

Die Konsequenzen aus kürzlichen Änderungen der gesetzlichen Grundlagen zum Pflegebudget sowie der Pflegepersonaluntergrenzen Verordnung (PpUGV) führen schon jetzt dazu, dass der Einsatz von Hebammen auf Wochenbett- und Risikoschwangerenstationen für die Kliniken unwirtschaftlich wird. Hebammenstellen werden gekündigt und durch Pflegefachkräfte auf den geburtshilflichen Stationen ersetzt. Dieser Fehlentwicklung muss dringend gegengesteuert werden, um die Versorgungssicherheit der Patient*innen und Neugeborenen weiterhin gewährleisten zu können

Das beschlossene Gesetz stößt nicht nur bei den Hebammen auf Kritik. In den letzten Wochen haben mehr als 1,6 Millionen Menschen eine Petition gegen die Streichung der Hebammen aus dem Pflegebudget unterschrieben.

Gesundheistminister Karl Lauterbach sprach davon, das Gesetz zu korrigieren, Hebammen sollten demnach im Pflegebudget mit eingeschlossen werden – bisher aber nur in einem Interview und einem Antwortbrief auf die Petition. Bis 2025 seien die Hebammen sowieso noch im Pflegebudget, danach werde es eine Krankenhausreform geben, so Lauterbach. In den Hebammenverbänden wird aber nur bedingt aufgeatmet: Auch, weil es noch mehr große Probleme gebe, zum Beispiel die Personaluntergrenzenverordnung. Mit dieser wird festgelegt, wie viel Pflegepersonal auf Stationen in Krankenhäusern zum Einsatz kommt – für Hebammen gibt es Grenzen, Krankenhäuser müssen sogar Strafe zahlen, wenn es zu viele Hebammen gibt.

Zu wenig Hebammen bei den Geburten

Als ein großes Problem empfinden die Hebammen auch die Arbeitsbelastung im Kreißsaal. Laut einer Umfrage des Deutschen Hebammenverbands aus dem Jahr 2015, bei der fast 1.700 Hebammen teilnahmen, gaben 46 Prozent an, dass sie häufig drei Frauen gleichzeitig bei der Geburt betreuen, 35 Prozent betreuen demnach zwei Frauen gleichzeitig, bei 13 Prozent sind es vier Frauen und bei 5 Prozent der Hebammen sogar noch mehr. Das ist zu viel, finden die Hebammenverbände – auch noch zum aktuellen Zeitpunkt.

Baden-Württemberg: Keine 1:1 Betreuung im Kreißsaal möglich

Die Situation sei nach wie vor prekär, so Jutta Eichenauer, Vorsitzende des Hebammenverbands Baden-Württemberg zu SWR3. Schon vor der Corona-Pandemie habe es in den Kreißsälen zu wenig Personal gegeben, um eine 1:1 Betreuung von Frauen sicherzustellen, das habe sie jetzt noch verschlimmert – zum Beispiel, weil Hebammen krankheitsbedingt ausfallen oder aufgrund der Arbeitssituation nicht mehr im Kreißsaal arbeiten wollen.

Es ist nicht befriedigend für die Hebamme, und geht vor allem zu Lasten von Frauen, Kindern und Familien in einer der wichtigsten,
aber auch verletzlichsten Phasen ihres Leben – Versorgungsqualität und Sicherheit der Frauen und Neugeborenen. [...] Die Arbeitsbedingungen müssen sich so verändern, dass ich als Hebamme so arbeite, wie ich es verantworten kann: Das sich eine Hebamme, zumindest in der Akutphase der Geburt, nur um eine Entbindende kümmert. [...].“

Für Eichenauer ist auch die Ankündigung von Gesundheitsminister Lauterbach, die Hebammen doch im Pflegebudget mit einzuschließen, noch kein Grund zum Aufatmen: „Das hat, neben der PpUGV [Anm. d. Red.: Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung, die Personalgrenzen für den Einsatz von Hebammen festlegt] und die Empfehlungen der Regierungskommission zur Weiterentwicklung der Pädiatrie und der klinischen Geburtshilfe das Fass zum Überlaufen gebracht. Herr Lauterbach ist ja zurückgerudert, aber wir wissen noch nicht in welcher Form. Wir sind verhalten, aber glücklich über das, was vermutlich die Petition bewirkt zu haben scheint.“

Rheinland-Pfalz: Es fehlt an Hebammen und an Räumen

Auch in Rheinland-Pfalz ist die Lage der Hebammen laut der Vorsitzenden des dortigen Hebammenverbands, Ingrid Mollnar, nicht gut. Die Hauptprobleme: Zu wenig Hebammen und zu wenige Räume: „Das Jonglieren mit Frauen, Räumen und Geräten ist eine riesengroße Belastung.“ Die Arbeitsbelastung sei enorm, es gebe zum Beispiel zu wenig Ruhezeiten zwischen Schichten und durchgearbeitete Wochenenden. Im Koalitionsvertrag der regierenden Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP steht, dass ein Personalschlüssel für eine 1:1-Betreuung durch Hebammen während der wesentlichen Phase der Geburt eingeführt werden solle – das sieht Mollnar noch in weiter Ferne:

Die Hebammen betreuen mehrere Gebärende gleichzeitig und erledigen häufig zusätzlich alle Tätigkeiten im Bereich der ambulanten Versorgung. Einspringen, Rufbereitschaften und pausenloses Arbeiten sind Tagesordnung. [...] Von der im Koalitionsvertrag der Bundesregierung angestrebten 1:1 Betreuung sind wir Lichtjahre entfernt. Ich verneige mich vor den Leistungen der Kolleginnen in den Kliniken und ihrem tagtäglichen Bemühen trotz dieser Rahmenbedingungen die Frauen so gut und so gewissenhaft wie es nur möglich ist zu betreuen.

Mollnar beschreibt die Folgen dieser Arbeitssituation: „Die freiberuflichen Hebammen berichten von der Übernahme von Frauen oder Neugeborenen, die mit Auffälligkeiten im Wochenbett entlassen werden (Neugeborenengelbsucht, Fieber der Mutter, Brustentzündung…).“

Wird sich die Situation der Hebammen ändern?

Die Landesregierungen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg scheinen den Hebammenmangel erkannt zu haben und bieten weitere Studiengänge an. Für die Hebammenverbände in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg ist der Ausbau des Betreuungskonzepts „Hebammenkreißsaal“ eine Verbesserung der Lage. Auch das ist Teil des Koalitionsvertrags der Ampel-Regierung. Die sind eine Alternative zu Hausgeburt und dem von Ärzten und Ärztinnen geleiteten Kreißsaal im Krankenhaus – ein Aspekt ist die hierbei von den Verbänden geforderte 1:1 Betreuung von Frauen bei der Geburt.

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