Jeden Donnerstag berichtet Sebastian Lehmann aus seinem Leben. Was ihm auffällt, was ihn beschäftigt und vor allem: Worüber er herzlich lachen kann!
Der Keller: Die Kammer des Schreckens
Mein Nachbar erzählt mir, dass bei uns im Haus die Keller aufgebrochen wurden. Sofort denke ich: Hoffentlich haben sie alles mitgenommen.
Mein Keller ist so voll, wenn ich die Tür öffne, knallt sofort ein altes Billy gegen meine Stirn und es regnet Videokassetten aus den Regalfächern auf meinen Kopf. In meinem Keller lagern viele Dinge, von denen ich gar nicht wusste, dass ich sie jemals besessen habe: Ein rotes Kettcar mit gebrochener Achse, drei Winterreifen für ein schon vor Jahren verkauftes Auto. Wo ist der vierte Reifen geblieben?
Ich bin einfach schlecht im Wegschmeißen. Ein Walkman? Wer weiß, vielleicht kann man den nochmal gebrauchen. Wenn sich das mit den Handys und dem Internet doch nicht durchsetzt, kann ich immerhin noch die zwei Kassetten hören, die ich ebenfalls nicht weggeschmissen habe: Das Weiße Album (White Album) der Beatles und, naja, David Hasselhoff Looking for Freedom. Meine Jugend liegt ja schon ein paar Jahre zurück und von damals horte ich noch einiges in meinem Keller. Falls jemand ein verhungertes Tamagotchi braucht? Oder einen Gameboy? Ein vergilbtes Poster von Take That aus der Bravo?
Neue Mitbewohner im Herbst 5 Mythen über Spinnen – was stimmt, was nicht?
Ob man will oder nicht – gerade im Herbst finden alle möglichen Spinnen einen Weg ins Haus. Aber kann man was dafür, dass man Angst vor Spinnen hat? Und gibt es bei uns giftige Spinnen?
Neulich rief mein Verlag an und meinte, sie hätten ja vor fünf Jahren 10.000 Exemplare meines Romans drucken lassen. Inzwischen wären leider immer noch 9.900 übrig. Sie würden die jetzt verramschen. Also zerhäckseln lassen, daraus würde dann Klopapier. „Immerhin wird noch was Nützliches draus“, meinte mein Lektor. Aber ich könnte die 9.900 Bücher für nur 10 € pro Stück kaufen. Ein Schnäppchen, dachte ich.
Hoffnungsfroh laufe ich nach dem Treffen mit meinem Nachbar in den Keller. Leider ist unser Keller zwar aufgebrochen. Aber es fehlt nichts. Nicht einmal eins der 9.900 Bücher. An der Tür hängt ein Zettel, wohl vom Einbrecher, auf dem steht: „Falls Sie noch einen Winterreifen brauchen, ich hätte welche im Angebot.“
Die 90er: Wollt ihr das wirklich zurück, liebe Nachgeborenen?
Ich war in den 90er Jahren jung. Und ich kann mich noch gut an alles erinnern. An Hans Meiser bei RTL plus, an „Die Da oder Die Da“ und an den Untergang der Titanic mit Leo. Und jetzt sind die 90er plötzlich wieder total in. Die Musik, die Mode – sogar Friedrich Merz ist wieder da. Und Putin ist immer noch da.
Aber lasst euch sagen, von einem der damals dabei war: So cool war es auch wieder nicht. Wir hatten ja nichts. Also außer einem Festnetztelefon mit einem gerade so langen Kabel, dass es von der Station im Flur nicht in mein Kinderzimmer reichte. Und natürlich Tattoo-Ketten und bauchfreie Tops – auch im Winter.
Eines der erfolgreichsten Lieder der 90er hieß „Tekkno ist cool“. „Eingesungen“ von den Schlümpfen. Immer noch verstörend. Die DJs in den 90er hießen Bobo und konnten weder Musik auflegen, noch englisch. Aber dancen. Denn: „Rhythm is a Dancer“. Es war eben nicht alles Nirvana und Oasis. „I’m blue da ba dee da ba dei“. Wollt ihr das wirklich zurück, liebe Nachgeborenen?
90er-Special Die größten 90er-Hits und ihre Geschichte
Von My Heart Will Go On über Mambo No. 5 bis Walking In Memphis – die 90er haben Hits hervorgebracht, die viele von uns heute noch mitsingen können. Was wir aber oft nicht kennen, ist die Geschichte hinter diesen Songs.
Im Mainstream angekommen ist das 90er-Revival allerdings zum Glück noch nicht. Nicht so wie vor ein paar Jahren, als mittelalte CSU-Politiker plötzlich anfingen Hipster-Brillen zu tragen und Robert Habeck sich in Skinny Jeans presste.
Wann kommen also die 90er auch in der Bundesregierung an? Christian Lindner mit Arschgeweih? Vielleicht hat er ja noch eins von damals, er war ja wie ich in in den 90ern jung – obwohl er damals weniger Haare hatte als heute. Annalena Baerbock mit 10 Zentimeter hohen Plateauschuhen von Buffalo? Und Olaf Scholz ravt in orangener Müllmänner-Weste um die Siegessäule?
„There‘s no limit. No. No.“
Quiz Wie gut kennst du die 90er?
Du musst sofort laut mitsingen, wenn „Backstreets Back, Alright“ aus dem Radio schallt? Dann bist du hier richtig. Beweise in unserem Quiz, dass du ein echtes Kind der 90er bist!
Einverstanden
Beim Einkaufen beobachte ich manchmal Menschen, die sofort den Kassenzettel kontrollieren. Schlimm, wenn man anderen Menschen nicht vertrauen kann. So wie ich.
Ich kontrolliere immer den Kassenzettel, allerdings erst zuhause. Dann breite ich die gekauften Waren auf dem Küchentisch aus und hake sie auf dem Kassenzettel ab. Ich habe einfach ständig Angst, jemand könnte mich bescheißen. Am schlimmsten ist es im Urlaub.
„Das macht 450“, sagt zum Beispiel ein Taxifahrer in einem Land, das wärmer und schöner ist als Deutschland. 450 in der Währung dieses Landes sind etwa 5 €. Im Reiseführer stand, ich solle für eine Taxifahrt höchstens 400 bezahlen. Also muss ich handeln, damit mich der Taxifahrer nicht für einen dummen Touristen hält. Was ich ja bin. Ich handle den Preis auf 445 herunter. Ich fühle mich als hätte ich den Wirtschaftsnobelpreis gewonnen, weil ich umgerechnet ca. 2 Cent gespart habe.
Aber es gibt einen Bereich in meinen Leben, wo ich diese Beschiss-Angst nicht habe. Nämlich im Internet. Jeden Tag sage ich aufs Neue: „Behandeln Sie mich bitte wie einen unmündigen Vollidioten. Das ist schon okay, sonst kann ich ja nicht das Video von kopulierenden Pandabären anschauen.“
Ich klicke immer auf OK, kreuze das „ich bin einverstanden“-Kästchen an und bestätige jede Geschäftsbedingung, ohne sie zu lesen.
Manchmal rebelliere ich aber auch. Als ich mich mit Adresse, Telefon- und Kreditkartennummer anmelden muss, um Fotos anzugucken, wie die Kinderstars der 90er jetzt aussehen, rufe ich: „Nein, ich bin nicht einverstanden!“ Und kreuze nicht an. „Nimm das, du datensammelnde Krake.“ Die Krake sagt aber, dass die Anmeldung so nicht abgeschlossen werden könne. Ich überlege lange zwei Sekunden und drücke doch auf „OK“.
Vielleicht sollte man mal das ganze Internet ausdrucken. Wie einen sehr langen Kassenzettel – und nur da ein Häkchen setzen, wo wir nicht ausschließlich als Nutzer angesehen werden, als Datenansammlung mit Vorlieben, Kaufinteressen und Meinungen. Und den Rest einfach löschen.
Ich hoffe, dass dann überhaupt noch was übrig bleibt.
Lebkuchen
Anfang September stehe glücklich im Supermarkt. „Endlich sie sind wieder da“, denke ich. So lange musste ich warten. Anfang des Jahres zehrte ich noch von der im Dezember wie ein fleißiges Eichhörnchen gehorteten Reserve. Aber schon bald saß ich auf dem Trockenen. Und jetzt sind sie zurück: Die Lebkuchen.
Schnell lade ich mir siebzehn Packungen in den Einkaufswagen und dazu noch Dominosteine und Spekulatius.
An der Kasse werde ich aber schräg angeschaut. Ein anderer Kunde raunt mir zu: „Pervers, jetzt schon das Zeug zu essen, drei Monate vor Weihnachten.“ – „Lebkuchen sind ein leckeres Herbstgebäck“, versuche ich zu argumentieren, aber die anderen in der Schlange schütteln nur den Kopf.
Ist Lebkuchen im September zu essen schon so etwas wie die Grünen zu wählen? Alles ist ja jetzt angeblich links und ideologisch: Heizungen, Fahrräder, Masken, beige Einrichtung in Kinderzimmern, die ARD, Gemüse, Laternenumzüge. Und jetzt also auch Lebkuchen.
„Du Schlafschaf!“, ruft jemand anderes in der Schlange.
„Ich habe auf Telegram gelesen, dass Dominosteine unsere Gene manipulieren“, ruft die Kassiererin dazwischen. – „Äh, ich finde halt, dass Lebkuchen gut schmecken“, sage ich. „Warum soll ich da bis zum ersten Advent warten?“
„Das ist doch nur ein Märchen.“ – „Märchen sind das, was dir die mächtige Lebkuchen-Lobby erzählt. Die Wahrheit will ja niemand mehr hören. Wach auf!“ Und dann skandieren alle in der Supermarktschlange: „Wach auf! Wach auf!“ Aber da habe ich schon bezahlt, reiße die erste Packung auf und beiße herzhaft in ein weiches und süßes Lebkuchenherz. Und alle Verrückten sind mir egal.
Wettervorhersage
Ich bin komplett abhängig von Wettervorhersagen. Bevor ich mich morgens anziehe, schaue ich erst auf sieben Wetter-Apps, wie viel Grad es hat, wie hoch die Regenwahrscheinlichkeit ist und aus welcher Richtung der Wind kommt. Dann setze ich einen Sonnenhut auf, nehme einen Regenschirm mit und ziehe Wollsocken zu meiner kurzen Hose an. Denn auf jeder App ist das Wetter anders.
War das früher schon so, dass man sich nicht auf die Wettervorhersage verlassen konnte?
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Lustige Bauernregeln kennen treue SWR3 Hörer aus unserer Morningshow von Wetterbauer Zeusinger. Hier könnt ihr die Top 6 der besten Sprüche anhören.
Ich frage meinen Vater. Seit 70 Jahren beschäftigt er sich ausgiebig mit der Vorhersage des Wetters. Er besitzt ein Thermometer in der Wohnung, eines an der Außenwand des Hauses und schaut jeden Tag den Wetterbericht. Erst bei bei der Landesschau, dann bei der Tagesschau und schließlich beim heute journal.
„Hat noch nie gestimmt“, antwortet er. „Aber Papa, warum schaust du dann die ganzen Wetterberichte an?“ – „Damit ich mich darüber aufregen kann, dass sie wieder alles falsch vorhergesagt haben.“
Es gibt ja viele Sachen, über die es sich lohnt aufzuregen: Der Erfolg von Rechtspopulisten, die ungerechte Verteilung von Vermögen oder E-Roller. Alles Dinge, die man ändern kann. Ich rege mich hauptsächlich über das Wetter auf. Weil es nie so ist, wie es sein soll.
Wetter Das Wetter in SWR3Land
Hier erfährst du, wie das Wetter in deiner Gegend wird, und erhältst aktuelle Sturmwarnungen für deine Region.
Oder ist das Wetter gar kein Wetter mehr, sondern Klima? Und man kann doch was dagegen machen, dass im Sommer sechs Wochen lang kein Tropfen vom Himmel fällt und dann plötzlich Starkregen Bayern wegschwemmt? Oder 24 Grad an Weihnachten und 14 im Juni.
Man könnte beispielsweise nicht mehr so viel CO2 ausstoßen. Krasse Idee. Vielleicht liegt es also gar nicht nur an den Wetter-Apps, dass ich grundsätzlich falsch angezogen bin, wenn ich das Haus verlasse.
„Klimakompensation ist wie moderner Ablasshandel“, sagt der Paketbote
Aber was tue ich, bis endlich mal richtig etwas gegen die Klimakatastrophe unternommen wird? Gestern war ich schon wieder in Lammfelljacke und Gummistiefeln bei 41 Grad im Freibad.
Es gibt ja zum Glück eine Erfindung, die zuverlässiger ist als jeder Wetterbericht und jede App: das Fenster. Sollte ich mal wieder rausgucken.
Unberechenbar
Wenn man ein Kind bekommt, verändert sich das Leben. Das weiß jeder. Und es wird schöner, erfüllter und: überraschender. Mit Kind kann jederzeit ALLES passieren. Du weißt am Morgen nicht, ob du abends gemütlich auf dem Sofa eine Serie guckst, das Kleinkind friedlich im Bett schlafend. Oder ob du in der Notaufnahme sitzt, weil dein Sohn ein Euro-Stück gegessen hat.
„So was Großes kann er nicht verschlucken“, sagte ich zu meiner Freundin, als ich ihm das Geldstück zum Spielen gab. Ich unterschätze meinen Sohn manchmal.
Ich muss an meinen Vater denken, der immer sagte, wenn ich ihn um 10 Mark anpumpte: „Kann ich Geld kacken?“ Also, Papa. Mein Sohn kann das. Wie sich nach zwei Tagen herausstellte.
So viel kostet ein Kind bis es 18 ist
Viele Dinge werden mit Kind nicht nur unberechenbarer, sondern auch komplizierter: Früher zum Beispiel konnte ich einfach so durch die Stadt auf dem direkten Weg zu meinem Ziel gelangen.
Wenn ich jetzt durch die Stadt laufe, der Sohn im Kinderwagen, richtet sich unser Weg nach den Hunden, die wir verfolgen, den Tauben und Spatzen, die wir beobachten und den Baustellen, die wir bestaunen. Außerdem muss ich jeden Spielplatz weiträumig umfahren, sonst wird so lange gequengelt, bis wir geschaukelt, gerutscht und sehr viel Sandkuchen gebacken haben.
SWR3-Generator für das Kind in dir Erwachsen werden?! Für diese Dinge bist du nie zu alt!
Schaukeln, Tiere in Wolken entdecken, beim Lieblingssong laut mitsingen – es gibt Dinge, für die ist man einfach NIE zu alt. Vorschläge für das Kind in dir gibts im SWR3-Generator.
Neulich sind wir um 8 Uhr morgens zum Supermarkt losgegangen. Als wir ankamen, war er schon geschlossen.
Mit Kind dauern Dinge aber nur manchmal länger, oft sind sie auch ganz schnell wieder vorbei: Wir wollen endlich mal wieder für zwei Wochen in den Urlaub ans Meer fahren. Das Auto ist voll bepackt, wir biegen gerade auf die Autobahn Richtung Süden ein. Ich blicke in den Rückspiegel und sehe wie mein Sohn ein Zwei-Euro-Stück in den Mund steckt und genüsslich „Njam“ sagt. Ich fahre sofort an der nächsten Ausfahrt ab. Richtung Notaufnahme.
Zucchini
„Habt ihr euch wirklich einen Schrebergarten auf dem Land zugelegt?“, fragt mein Freund Lucas und mustert mich skeptisch. „Ist das nicht total anstrengend?“ „Nee, ist gar nicht viel Arbeit“, lüge ich und denke an die Hecke, den Rasen, die Beete, den Giersch. Alles wächst und wächst und man kommt kaum hinterher, den Dschungel zu bändigen. „Außerdem kann man Gemüse anpflanzen.“
„Aha“, sagt Lucas. „Gemüse.“
Gemüse aus dem eigenen Garten
„Ja, schmeckt voll lecker, so eine eigene, mit viel Liebe aufgezogene Zucchini.“
„Zucchini gibt es im Supermarkt“, sagt er. „Sogar regional von hier.“
„Aber man kann im Garten in der Sonne liegen und die Ruhe genießen“, sage ich.
„Ich gehe gern in den Stadtpark und sonne mich da.“
„Aber da sind überall diese anderen Menschen, die nervige Dinge tun: Trommeln, Fußball spielen, laut reden. Bei uns im Garten höre ich nur das sanfte Rascheln der Blätter, wenn der Wind durch die Bäume geht.“ Falls gerade niemand Rasen mäht oder seinen Kampfhund trainiert, hätte ich beinahe hinzugefügt.
Lucas kramt riesige Kopfhörer aus seinem Rucksack. „Lärmunterdrückung“, verkündet er stolz. „Noise Cancelling heißt das.“ Er setzt sie auf und bedeutet mir, etwas zu sagen.
„Hallo“, sagte ich.
„Ich höre gar nichts“, ruft er begeistert. „Gar nichts! Wegen Noise Cancelling.“
„Du hast nicht gehört, dass ich Hallo gesagt habe?“
„Nein, hab ich nicht. Toll, oder?“, schreit er.
„Aber das hast du jetzt ja gerade doch gehört oder wie?“
„Ich hab gar nichts gehört! Null!“ Er wirkt beleidigt.
„Und der Garten liegt direkt an einem See.“
„An einem See?“ Er nimmt die Kopfhörer wieder ab. „Das ist ja cool.“
„Kommst du uns dann nächstes Wochenende besuchen? Wir können grillen.“
„Aber du bist doch Vegetarier!“
„Also wirklich! Man kann doch auch Gemüse grillen.“
„Zucchini?“, fragt er.
„Na klar!“
Davor muss ich aber noch welche kaufen. Unsere eigenen Zucchini sind seltsamerweise nur drei Zentimeter lang.
Smalltalk
Ich bin wirklich schlecht im Smalltalk. Kürzlich war ich bei einem Empfang, es gab Häppchen und Sekt-Orange. Ich plauderte mit einem Mann, den ich nicht kannte. Ich versuchte es mit einem gemeinsamen Feindbild: „Also Lehrer haben ja das ganze Jahr Ferien und arbeiten nur vormittags. Am schlimmsten sind Sportlehrer. Sport ist ein Hobby, kein Schulfach. Es wird ja auch nicht Briefmarkensammeln unterrichtet.“
Ich lachte. Der Mann lachte nicht.
„Sie sind hier beim Empfang des Sportlehrerverbands.“
Sportarten & die (un)faire Wahl in Teams
Und ich hatte mich schon gewundert, warum alle Trainingsanzüge trugen und vorhin ein Bockspring-Wettbewerb stattfand. „Oh, das tut mir leid! Wir können auch über ein unverfängliches Thema reden. Wie wäre es mit dem Nahost-Konflikt? Oder Gendern?“ Aber der Sportlehrer beförderte mich schon mit einem Bodycheck nach draußen. Ein paar andere bewarfen mich mit Medizinbällen und Schlüsselbunden.
Wichtiges Thema beim Smalltalk ist eben der Beruf. „Was machen Sie beruflich?“, hätte ich erstmal fragen sollen. „Ich bin Künstler“, sage ich immer. Und egal, mit wem man spricht – ALLE fragen dann: „Davon kann man leben?“ Sogar andere Künstler fragen das.
Wie Smalltalk gelingen kann
Beim Smalltalk muss man echt vorsichtig sein. Vor allem sollte man darauf achten, wie der andere so drauf ist: Also beim Parteitag der Grünen nicht sagen: „Ich finde Christian Lindner viel niedlicher als Robert Habeck. Vom Äußeren her auf jeden Fall eine 10, er hat so schön volles Haar. Da kommt sonst nur noch Olaf Scholz heran. Schlümpfe sind einfach sexy.“ Bei einem Parteitag der SPD sollte man dagegen auf keinen Fall von sozialer Gerechtigkeit reden. Das ist da ein Tabu-Thema.
Beim nächsten Empfang rede ich einfach gar nicht. Und wenn mich jemand fragt, was ich beruflich mache, sage ich: „Ich bin Pornodarsteller.“ Da fragt bestimmt niemand nach, ob man davon leben kann.
Schnecken
Als ich mir einen Schrebergarten zulegte, freute ich mich auf die unzähligen Tiere, die bestimmt in meinem grünen Kleinod ihr Zuhause haben würden. Eichhörnchen, Igel, ein niedliches Rehkitz mit großen Kulleraugen.
Igel im Garten? Lieber nicht füttern, aber...
Aber im Garten leben eigentlich nur: Schnecken. Und die haben großen Hunger und verspeisen alle Pflanzen.
Was hilft gegen Schnecken?
Mein Vater empfiehlt Bierfallen. Er vergräbt einen Plastikbecher in den Blumenbeeten in seinem Freiburger Garten und füllt sie mit eigens dafür gekauftem schlechtem Bier auf (das gute Rothaus trinkt er selbst). Mein Vater findet das die am wenigsten grausame Art, die Schnecken loszuwerden.
„Ist doch ein schöner Tod“, meint er und nimmt noch einen Schluck Rothaus.
Meine Freundin und Mitgärtnerin ist skeptisch, aber die abgefressenen Pflanzengerippe deprimieren sie schließlich doch zu sehr. Ich fülle also einen Becher mit Bier auf und vergrabe ihn in einem Gemüsebeet. Es funktioniert, nach ein paar Tagen ist der Becher voll mit Schnecken. Allerdings ekeln wir uns beide so vor den toten, aufgequollenen Schnecken, dass keiner den Becher entsorgen will. Außerdem finden wir es immer noch ziemlich grausam. Die Schnecken ertrinken zwar in schönem Bier (ich habe extra teures Craft Bier gekauft), aber sie ertrinken eben vor allem.
Meine Freundin beginnt die Schnecken umzusiedeln. Sie trägt sie auf einer Schaufel vorsichtig über den Zaun in den Nachbargarten von Heinz. Das scheint allerdings nicht perfekt zu funktionieren, denn wir sind selbstverständlich für offene Grenzen.
Bald verschwinden die Schnecken jedoch. Keine Ahnung wieso, aber die Natur ist eben manchmal unergründlich.
Einige Wochen später entdecke ich eine Tüte mit Schneckenkorn im Schuppen. Sie liegt kaum sichtbar hinter Gartenwerkzeug versteckt. Hat meine eigentlich tierliebe Freundin zum Schutze ihrer Pflanzen doch zum letzten, grausamen Mittel gegriffen?
Ich frage nicht nach. Eine Beziehung ist wie ein Garten. Sie lebt von ihren Geheimnissen.
Sägen
Ich säge gern. Und in meinem Schrebergarten gab es anfangs viel zu sägen. Natürlich besitze ich keine Motorsäge. Ich möchte bei der Gartenarbeit keine Gliedmaßen verlieren. Aus dem gleichen Grund halte ich auch von Stich- und Kreissägen Abstand. Ich begnüge mich mit einem einfachen Fuchsschwanz und einer herkömmlichen Bügelsäge. Ich will keine ausgewachsenen Bäume fällen, nur aus der Form geratenen Büsche beschneiden oder ein paar Äste absägen und als Brennholz zerkleinern.
Ich bin ein guter Säger. Ja, ich weiß, Sägen ist nicht schwer, aber ich habe handwerkliche Arbeit nicht gelernt. Ich habe Geisteswissenschaften studiert. Das komplette Gegenteil von Handwerk: Man braucht selten seine Hände und man muss nie früh aufstehen. Und bekommt keinen Job.
Faszination Sägen
Was fasziniert mich am Sägen? Es ist das Aufwand-Ergebnis-Verhältnis. Maximales Ergebnis mit überschaubarem Einsatz. Wo gibt es das sonst noch? In den Geisteswissenschaften sicher nicht. Man kann zehn Bücher von Immanuel Kant lesen und danach immer noch nichts von der Welt oder auch Kant verstehen.
Wenn die Leidenschaft ausartet
Leider übertreibe ich es langsam mit dem Sägen. Im Garten ist mittlerweile eigentlich alles gesägt, was gesägt werden muss.
„Brauchen wir diesen Stuhl eigentlich noch?“, frage ich meine Freundin. Sie sieht mich verwundert an. „Wieso? Den haben wir doch erst vor zwei Monaten gekauft.“
„Na ja, ich könnte ihn zu Brennholz zersägen?“, schlage ich vor und zücke schon meinen Fuchsschwanz.
„Nein, auf gar keinen Fall!“
„Und was ist mit dem Tisch? Braucht der wirklich vier Beine? Könnte der nicht auf drei stehen?“
„Gib mir sofort deine Säge, Sebastian!“
Manchmal kann ich wirklich eine Nervensäge sein. Lol.
Inzwischen bin ich also ein unglücklicher Säger, der seiner Leidenschaft nicht mehr nachgehen kann. Zum Geburtstag hat mir meine Freundin jetzt eine Bohrmaschine geschenkt. Aber es ist nicht das Gleiche.
Älter werden
Am Älterwerden stört mich vor allem, dass man nie alt genug ist. Immer gibt es jemanden, der es besser weiß, weil er älter und weiser ist.
„Also früher, zu meiner Zeit, hatten wir ja gar nichts. Da gab es noch nicht einmal das Internet. Wir mussten in die Bibliothek, wenn wir was nachschlagen wollten, das kennst du gar ja nicht mehr.“
Doch. Bibliothek – davon habe ich schon mal gehört. Das war doch dieser Ort, wo man CDs ausleihen konnte?
Aber ich muss sagen, je älter ich werde, desto mehr Spaß macht es mir den jungen Leuten von meiner Jugend zu erzählen: „Also, zu meiner Zeit, als ich von Freiburg nach Berlin gezogen bin, da war Berlin leer. Ich mietete nicht eine Wohnung, sondern sieben, für jeden Tag der Woche eine, alle mindestens 200 qm groß. Wir hatten damals in den Nullerjahren nicht einmal einen Bundeskanzler, sondern nur den russischen Statthalter Wladimir Schröder.“
Früher gab es auch noch nicht so viele Menschen, die jünger waren als ich. Das werden irgendwie immer mehr. Neulich ist sogar ein ganz junger bei mir eingezogen. Manchmal nennt er mich „Papa“.
Sowas gab es früher wirklich nicht!
Bisherige Ausgaben von Lehmanns Leben
Ihr habt noch nicht genug von Lehmanns Leben? Hier könnt ihr in die Welt von Sebastian Lehmann eintauchen. Viel Spaß!
Comedy-Podcast Lehmanns Leben
Jede Woche erzählt euch Sebastian Lehmann einen Schwank aus seinem Leben. Hier verpasst ihr keine Folge!