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Sandra Herbsthofer
Sandra Herbsthofer

Im SWR3-Podcast „True Care – intensive Fälle mit Ricardo Lange“ erzählt Food-Journalistin Eva (34) von ihrem Weg raus aus der Alkoholsucht. Und warum das Thema nicht nur sie betrifft.

Eva Biringer ist 34 und arbeitet als Food-Journalistin für verschiedene deutschsprachige Medien. Und sie hatte lange Zeit ihres Lebens ein sehr problematisches Verhältnis zu Alkohol.

Im SWR3-Podcast „True Care – intensive Fälle mit Ricardo Lange“ erzählt Eva ihre Geschichte. ⤵

Evas erster Rausch mit 11 Jahren

Vielleicht erinnert ihr euch noch an euren ersten Rausch – Eva tut das jedenfalls. Damals war sie erst elf Jahre alt.

Da hab ich mit zwei Freunden Wahrheit oder Pflicht gespielt und meine Aufgabe war dann, zu trinken und zwar Rum aus der Flasche. Und das hab ich getan. Und obwohl es widerlich geschmeckt hat, habe ich weiter getrunken. Also offenbar hat sofort da irgendwas ‚klick' gemacht. Und ich hab dann mehr als gut war für mich getrunken.

Eva ist so betrunken, dass einer der beiden anderen ihr seine Finger in den Hals stecken muss, damit sie sich übergibt. Danach flößen ihre Freunde ihr Kaffee ein, damit sie vor ihrer Mutter nicht auffliegt.  

Ja das war mein erster Rausch. Also eigentlich furchtbar und so, dass man sagen könnte: Hat das nicht als Abschreckung gedient? Aber nein, bei mir hat es offensichtlich was zum Klingen gebracht.

Alkohol: Exzesse am Dorf und der Großstadt

Eva wächst in einem schwäbischen Dorf auf. Dort gibt es einen mittelalterlichen Dorfplatz, viel Natur und noch mehr potenzielle Gelegenheiten zu trinken.

Um mich herum wurde viel getrunken, ja, also dieses typische ‚Dorfding': Feuerwehrfest und Musikvereinsfest. Und zu jedem Anlass wird getrunken, also ein Umfeld, in dem Alkohol sehr positiv besetzt ist.  

Als Eva mit 18 zum Studieren nach Berlin zieht, geht es in der Partymetropole für sie mit dem Alkohol erst so richtig los. Und auch beruflich hat Eva ständig mit Alkohol zu tun. 

Da war das Trinken natürlich noch mal ganz anders präsent, weil ich dachte zumindest immer: ‚Ich muss ja trinken als Food-Journalistin. Ich muss ja die Weine probieren, die es zum Menü gibt.' Ich hab dann sogar über Alkohol geschrieben, über Naturweine, über Cocktails und das hat natürlich die Sache nochmal mehr befeuert. 

Mit oder ohne? Wein und Sekt ohne Alkohol – wie steht ihr zu dem Trend?

Alkoholfreier Wein und Sekt ist immer mehr im Trend – nicht nur zur Fastenzeit oder im „Dry January“. Und das gute: Die Hersteller bekommen ihn auch immer besser hin.

Evas Faszination für Alkohol

Wenn Eva von ihrem Leben mit Alkohol erzählt, fällt immer wieder der Begriff „Faszination“. Was genau fasziniert sie am Trinken?

Ich liebe das Gefühl am Beginn einer solchen ‚Trinknacht'. Man weiß nicht, was passiert. Oft genug nichts Gutes. Aber trotzdem, dieses ‚alles ist möglich', mal losgehen, sich treiben lassen, das war sicher mein Hauptgrund, um zu trinken. 

Der tiefe Fall nach dem Rausch

Doch irgendwann überwiegt nach langen Nächten des Trinkens nicht das Hochgefühl bei Eva, sondern eine Reihe von negativen Erlebnissen.

Es war die Summe aus ganz vielen kleinen blöden Momenten, wie: Ich habe vergessen, worüber ich mich letzte Nacht unterhalten hab mit jemanden. Ich habe vielleicht die komplette Nacht vergessen. Ich habe mein Portemonnaie verloren, meine Tasche. Aber dann auch wirklich schlimme Sachen wie Fahrradunfälle und das ist mehr als einmal passiert und auch da dachte ich dann: ‚Okay das ist ein Problem, die Art wie ich trinke.' 

Gedächtnislücken, Unfälle und ein sexueller Übergriff

Aber es bleibt nicht bei den Fahrradunfällen. Eva erzählt auch von einer Nacht, an die sie sich nur noch schemenhaft erinnert:

Als sie von einer Partynacht in Wien auf dem Heimweg zu einer Freundin ist bei der sie übernachtet, geht ihr ein fremder Mann nach – bis in die Wohnung – und bedrängt sie.

Ihre Freundin wird von dem Lärm geweckt und greift ein. Heute ist sich Eva sicher: Wäre ihre Freundin nicht eingeschritten, dann wäre sie in dieser Nacht vergewaltigt geworden.

Der Morgen nach dem Übergriff

Am nächsten Tag realisiert sie gar nicht richtig, was in dieser Situation hätte passieren können – und sie trifft eine Entscheidung, die sich als Wendepunkt herausstellen sollte: Sie trinkt weiter.

Am nächsten Tag aufzuwachen und das alles zu realisieren und trotzdem nicht die nötige Konsequenz daraus zu ziehen, nämlich: ‚Ich trinke weniger oder ich höre auf zu trinken.' Das finde ich noch heute super traurig. Also selbst nach diesem sexuellen Übergriff habe ich am nächsten Tag einfach weiter getrunken. 

Evas Weg aus der Abhängigkeit

Schließlich erkennt Eva doch, dass sie ein Problem hat und Hilfe braucht. Angestoßen wird ihr Entschluss von einer Frage, die sie sich immer wieder stellt:

Wer könnte ich denn ohne Alkohol sein? Weil das habe ich eigentlich schon immer gespürt. So, da ist ein Leben möglich ohne Alkohol. Und ich habe es zwar lange Zeit nicht geschafft, aber ich glaube, dass es sich lohnt, es auszuprobieren. Und genauso war es. 

Das Problem mit dem Begriff „trockene Alkoholikerin“

Seit dreieinhalb Jahren ist Eva nun frei von Alkohol. Als „trockene Alkoholikerin“ will sie trotzdem nicht bezeichnet werden.

Nein, ein ganz schrecklicher Begriff. Ein Kind ist irgendwann trocken, aber eine Frau nicht. Ich finde den Begriff schon mal sehr, sehr problematisch, weil das ist dasselbe, wie wenn man zu einer Raucherin sage: ‚Ah, bist du jetzt Ex-Raucherin?' Also man ist so sein Leben lang stigmatisiert mit diesem Begriff.

Ist Alkohol ein Frauenproblem?

Im Prozess ihrer Abstinenz recherchiert Eva zum Thema Alkohol und liest zahlreiche Studien zu dem Thema. Ihre Erkenntnisse hat sie gepaart mit eigenen Erfahrungen 2021 als Sachbuch veröffentlicht.

Studie: Alkoholkonsum von Frauen tendenziell steigend

Während ihrer Recherche stößt sie auf Studien, die ausweisen, dass der Alkoholkonsum zwar insgesamt leicht rückläufig ist, dass der Alkoholkonsum von jungen Frauen aber tendenziell steigt.

Diese Erkenntnis lieferte 2016 eine Forschergruppe der University of New South Wales in Australien. Dafür wurden 68 Alkoholkonsum-Studien aus verschiedenen Kontinenten ausgewertet, die einen Zeitraum von 100 Jahren abdecken.

Gebildete Frauen sind die riskanteren Trinkerinnen

Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen gibt an, dass der riskante Alkoholkonsum bei Frauen mit hoher Bildung und besserem Einkommen sogar stärker ausgeprägt sei, als bei Frauen mit niedriger Bildung und niedrigem Einkommen.

Gründe dafür liefert beispielsweise der Suchtforscher Prof. Jürgen Rehm von der TU Dresden. Im Magazin „Psychologie Heute“ (Ausgabe 46 (2019) 12, S. 31-34) erklärt er: „Es gibt einen Zusammenhang von Trinkverhalten und sozioökonomischen Status.“

Eva ist eine von diesen gut gebildeten Frauen. Und sie hat es raus aus der Abhängigkeit geschafft.

Es gab nie die Situation in den letzten dreieinhalb Jahren, dass ich dachte: ‚Hm, vielleicht doch noch mal ein Schlückchen hier, auch weil ich weiß, dass es nicht geht. Und ich will aber auch nicht mehr und das ist ein Gefühl, von dem ich niemals gedacht hätte, dass es real wird. Ich will nicht mehr trinken. Es interessiert mich nicht mehr. Ich bin frei davon. 

Mehr von Eva hört ihr im SWR3-Podcast „True Care – intensive Fälle mit Ricardo Lange“.

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