Deutschland im 5. Jahrhundert – überall herrscht Chaos: Das weströmische Reich ist zerbrochen. Hunnen drängen nach Europa. Sie treiben germanische Stämme vor sich her, die auf der Flucht in die eben noch römischen Provinzen einfallen.
Manche ziehen von dort nach Süden weiter. Andere setzen sich fest: Sie gründen Höfe und Dörfer, die später zu Städten werden. Ihre Namensendungen sind typisch und finden sich an zahllosen Orten.
„‑ingen“ ist die häufigste Endung von Städtenamen in BW
Wer heute im Zug von Stuttgart nach Tübingen fährt, kann es live erleben: Abgesehen von Bad Cannstatt gibt es praktisch keine Station, die nicht auf „-ingen“ endet. Esslingen und Plochingen gehören dazu, Wendlingen und Nürtingen, es folgen Metzingen und Reutlingen.
Keine Endung kommt so oft vor, hat das Statistische Landesamt gezählt: Auf den Ortsschildern von 230 der 1.101 Gemeinden in Baden-Württemberg steht die Endung. Das ist jede Fünfte.
„Bei den Leuten des Herbert“ – welche BW-Stadt heißt wohl so?
Ortsnamen weisen oft auf Menschen hin, die dort gelebt haben, oder auf auffällige Merkmale, durch die der Ort zu früheren Zeiten charakterisiert wurde oder immer noch wird. Das ist auch bei „-ingen“ so.
Die Spuren reichen zurück bis zu den Germanen in die Zeit der Völkerwanderung im 4. bis 6. Jahrhundert. Die Endung weist auf die Zugehörigkeit zu einem Geschlecht oder Stamm hin, oft im Sinne von „die Leute des“ oder „die Nachkommen von“. Herbertingen bedeutet also so viel wie „bei den Leuten des Herbert“.
Namensendung „-ingen“: Es muss nicht immer ein Vorname sein
Es müssen aber nicht immer Vornamen sein. Das zeigt zum Beispiel der Ortsname Holzgerlingen, der an „bei den Leuten im Holz“ erinnert.
Für den Anglisten und Namensforscher Werner Schäfer von der Trierer Universität sind Ortsnamen wichtige Hinweisgeber: „Ortsnamen sind wie Fossilien“, hat er im Sommer im SWR-Interview gesagt. „Sie gewähren uns einen Einblick in Teile der Geschichte, die wir normalerweise nicht erfassen können.“ Hier das ganze Interview:
Science Talk Wie Städte und Dörfer zu ihren Namen kamen
Es gibt kuriose Ortsnamen wie Elend, seriöse wie Düsseldorf oder Mainz, rätselhafte wie Pasing. Welche interessanten Geschichten hinter den Namen stecken, weiß Werner Schäfer.
Und was ist mit der Städte-Namensendung „-heim“?
Auffällig ist laut Landesamt, dass sich die Endung stärker im südlichen Baden-Württemberg und in der Mitte des Landes findet. Allein in der Region Stuttgart enden die Namen von 49 Gemeinden auf „-ingen“.
Auch ziemlich oft gibt es die Endung „‑heim“, nämlich bei 126 Gemeinden oder 11,4 Prozent. Sie ist überwiegend im nördlichen Teil Baden-Württembergs zu finden. Diese Städte könnten ein bisschen jünger sein als die mit „-ingen“, aber nicht viel: Während die „-ingen“-s aus der Zeit der Völkerwanderung stammen, entstand die Endsilbe „-heim“ eher kurz nach deren Ende, nämlich im ganz frühen Mittelalter.
Die Bedeutung ist aber ähnlich: Oft gehen sie auf einen Ortsgründer zurück. So gibt es in der Kurpfalz die Stadt „Schriesheim“ – laut Stadtarchivar Dirk Hecht ist der Name möglicherweise der Hinweis auf einen fränkisch-germanischen Krieger oder Warlord mit Namen „Scrieso“. Vielleicht hat er sich hier mit seinen Leuten niedergelassen.
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So entstanden Städtenamen mit den Endungen „-hausen“, „-bach“ und „-berg“
Ähnlich dürfte es bei weiteren 55 Gemeinden aussehen, die auf „-hausen“ enden. 24 tragen außerdem den Namenszusatz „Bad“, der auf das Vorhandensein eines Heilbades hinweist. Das dem Namen vorangestellte „St.“ für „Sankt“ gibt es sechs Mal.
Natürlich gibt es auch Orte, die so heißen, weil sie an einem auffälligen Bach oder Berg liegen. 80 Gemeinden des Landes enden auf „-bach“, die Endung „-berg“ gibt es 51 Mal – naheliegenderweise vor allem im Schwarzwald, im mittleren Albvorland und im Odenwald.