Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) kommt gerade aus dem Urlaub von der Nordsee-Insel Hallig Hooge zurück, als sich ihm 250 bis 300 wütende Bauern am Fähranleger in Schleswig-Holstein in den Weg stellen. Sie hindern ihn daran, die Fähre zu verlassen. Über Social Media hatten die Landwirte wohl herausbekommen, wo sich der Vizekanzler aufhielt.
Proteste der Bauern: Habeck kommt nicht von der Fähre
Die wütenden Bauern blockierten nach Angaben der Polizei den Ausstieg der Fähre, einige versuchten sogar, auf die Fähre zu stürmen. Die Polizei hinderte die Bauern unter anderem mit Pfefferspray daran. Der Minister musste sich in Sicherheit bringen und mit der Fähre zurück auf die Hallig fahren.
Im Video der Tagesschau sind Szenen der Proteste bei der Fähr-Ankunft von Vizekanzler Habeck in Schleswig-Holstein zu sehen:
Erst in der Nacht konnte Habeck dann mit dem zweiten Versuch zurück aufs Festland. „Herr Habeck ist gut zu Hause angekommen“, sagte ein Sprecher der Flensburger Polizei am Freitagmorgen. Der Wirtschaftsminister habe eine Extra-Fähre genommen und sei gegen 2:30 Uhr zu Hause angekommen.
Blockade von Fähre: Staatsanwaltschaft ermittelt
Nach der Blockade der Fähre ermittelt die Flensburger Staatsanwaltschaft jetzt wegen Nötigung. Außerdem prüfe die Behörde weitere mögliche Delikte wie Landfriedensbruch oder Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, sagte ein Sprecher. Bisher gehen die Behörden demnach von bis zu 300 Personen in 100 Treckern aus, die sich beteiligt hatten.
Das sagt Robert Habeck über die Blockade der Fähre
Minister Habeck selbst zeigte sich nach dem Vorfall an der Nordseeküste in einem Interview am Freitagmittag beunruhigt über die Stimmung in Deutschland.
„Protestieren in Deutschland ist ein hohes Gut“, so der Vizekanzler weiter. „Nötigung und Gewalt zerstören dieses Gut. In Worten wie Taten sollten wir dem entgegentreten.“ Zuvor hatten darüber die Lübecker Nachrichten berichtet.
So reagieren Bundesregierung und Politiker auf die Blockade von Habecks Fähre
Was dort am Fähranleger im schleswig-holsteinischen Schlüttsiel passiert ist, sorgt auch bei vielen Politikern in Berlin für Kritik – in so ziemlich allen Parteien. Die Blockade von Habecks Ankunft im Fährhafen „ist beschämend und verstößt gegen die Regeln des demokratischen Miteinanders“, schrieb Regierungssprecher Steffen Hebestreit auf der Plattform X.
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) schrieb auf X: „Dort, wo Worte durch Gepöbel und Argumente durch Gewalt ersetzt werden, ist eine demokratische Grenze überschritten.“
Justizminister Marco Buschmann (FDP) kommentiert: „Dass man auch mal wütend ist: geschenkt. Aber klar ist: Gewalt gegen Menschen oder Sachen hat in der politischen Auseinandersetzung nichts verloren! Das diskreditiert das Anliegen vieler Landwirte, die friedlich demonstrieren.“
Kritik kommt auch von der CDU. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst sprach von einer inakzeptablen Grenzüberschreitung und erklärte, Gewalt mache jede Debatte kaputt. Und der frühere CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak erklärte auf X, es werde hier eine Grenze überschritten.
Auch einige Bauernverbände distanzieren sich von der Aktion. Jürgen Maurer vom Bauernverband Schwäbisch Hall-Hohenlohe-Rems sagte dem SWR, die Verbände seien im Dialog mit der Politik – solche Protest-Aktionen seien da nur überflüssig.
Bauernpräsident Joachim Rukwied bezeichnet die Blockade der Fähre mit Wirtschaftsminister Habeck an Bord durch einige Landwirte als „No-Go“. „Wir sind ein Verband, der die demokratischen Gepflogenheiten wahrt.“ Bei allem Unmut über die Steuerpläne des Bundes respektiere sein Verband selbstverständlich die Privatsphäre von Politikern.
Um die Grenzverschiebung in politischen Debatten drehte sich auch das SWR3 Topthema am 5. Januar:
Streit zwischen Landwirten und Bundesregierung spitzt sich zu
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) sieht Grenzen durch die Fähr-Aktion überschritten. Jeder dürfe in Deutschland friedlich protestieren. Aber das Verständnis für die Proteste der Bauern drohe so, verspielt zu werden, warnte der Landwirtschaftsminister. Özdemir bezieht sich dabei auf den Streit zwischen der Bundesregierung und den Landwirten, der sich auch schon vor dem Zwischenfall mit Vizekanzler Habeck zugespitzt hatte.
Seit Wochen protestieren Landwirte gegen die Sparpläne der Bundesregierung – die belasteten sie zu sehr und seien nicht tragbar. Die Ampel-Koalition wollte den Landwirten unter anderem Steuerbegünstigungen beim Agrardiesel und bei der Kfz-Steuer für landwirtschaftliche Fahrzeuge streichen.
Bauernproteste: Sicherheitsbehörden befürchten rechte Unterwanderung
Die Bundesregierung ist mittlerweile bei den Kürzungen für die Landwirtschaft inzwischen zurückgerudert. Der Deutsche Bauernverband will trotzdem wie angekündigt ab Montag mit einer bundesweiten Aktionswoche gegen die geplante Kürzung von Subventionen protestieren.
Deutsche Sicherheitsbehörden beobachten Aufrufe von Extremisten, die geplanten Bauernproteste zu unterwandern, wie die Welt am Sonntag berichtet und sich dabei auf das Bundeskriminalamt und den Verfassungsschutz beruft. Aufrufe gibt es demnach vor allem in Online-Netzwerken. Rechtsextremisten, Gruppierungen der Neuen Rechten und der Querdenker-Szene seien dort aktiv.
Auch das Bundesinnenministerium sieht die Gefahr, dass die anstehenden Bauernproteste von Rechtsextremisten instrumentalisiert werden könnten. Ein Sprecher von Ministerin Nancy Faeser (SPD) rief die Veranstalter dazu auf, solchen Versuchen entgegenzutreten.
Bauernverband ruft zu friedlichem Protest auf
Der Bauernverband hat die Teilnehmer der angekündigten Protestwoche dazu aufgerufen, friedlich zu bleiben. Es dürfe keine Aktionen vor Privatwohnungen oder persönliche Anfeindungen geben, schrieb der Verband auf der Plattform X. Demo-Symbolpolitik wie schwarze Fahnen oder andere Zeichen extremistischer Gruppen lehne man ab. Rechtsextremistische Kreise würden versuchen, den Protest für ihre Zwecke zu nutzen.