Vergangene Woche sorgten die Landwirte für ein Verkehrschaos in Deutschland. Wenn keine Entlastungen kommen, wollen die Bauern wieder protestieren.

Die Forderung ist klar: Die Ampel-Koalition soll den vorgesehenen Abbau der Agrardiesel-Subventionen fallen lassen. Sonst wird es laut Bauernpräsident Joachim Rukwied schon in der nächsten Woche erneute Proteste der Landwirte geben – in ganz Deutschland. Das kündigte er am Donnerstag in Berlin an.

Wenn sich nichts verändert, dann kommt es möglicherweise zur Eruption.

Rukwied sagte, dass ihn die Bauern ständig anriefen und fragten, ob sich etwas bewege. „Wenn sich nichts bewegt, gehen wir wieder auf die Straße“, zitiert Rukwied die Landwirte.

Am Montag gab es bereits Gespräche zwischen der Politik und den Bauernvertretern. Dort wurden den Landwirten neue Entlastungen versprochen. Am Donnerstag will die Ampel im Rahmen einer Agrardebatte im Bundestag einen Fahrplan vorlegen, der konkrete Erleichterungen für die Landwirte bis zum Sommer beinhaltet. Ebenfalls am Donnerstag startet die Agrarmesse Grüne Woche in der Haupstadt, die nun von den Konflikten überschattet wird.

Wogegen protestieren die Bauern?

Wegen Einsparungsbemühungen im Haushalt hatte die Bundesregierung geplant, den Landwirten bisherige Vergünstigungen beim Agrardiesel und der Kfz-Steuer zu streichen. Der Plan wurde bereits abgeschwächt: Die Kfz-Steuerbefreiung soll bleiben, die Steuerbegünstigung beim Agrardiesel soll über einen längeren Zeitraum in mehreren Schritten abgeschafft werden.

Die Bauern lehnen das nach wie vor ab – so Verbandspräsident Joachim Rukwied. Und: Solange das Thema Agrardiesel nicht vom Tisch sei, seien die Bauern auch nicht bereit, über andere Themen zu sprechen.

„Tierwohl-Cent“: Ist das das Friedensangebot an die Bauern?

Die Anpel will die Bauern mit anderen Erleichterungen besänftigen. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) hat einen „Tierwohl-Cent“ ins Spiel gebracht – der den Bauern viel Geld in die Kasse spielen könnte. Eine Idee, die die Regierung von Ex-Kanzlerin Angela Merkel (CDU) vor vier Jahren schon hatte.

Politiker von SPD und FDP haben signalisiert, dass sie die Idee gut finden, eine Abgabe auf Fleisch, Milch und Eier einzuführen. Özdemir sagte der Süddeutschen Zeitung, er sei dafür, eine Tierwohlabgabe schnell einzuführen. „Schon wenige Cent mehr pro Kilo Fleisch würden bedeuten, dass unsere Landwirte Tiere, Klima und Natur besser schützen können – so, wie es doch alle verlangen.

Wer es wirklich ernst meint mit einer zukunftsfesten Landwirtschaft, muss da endlich springen.

Demnach könnten 40 Cent pro Kilo Fleisch, zwei Cent je Kilo Milch oder Eier und 15 Cent auf Butter und Käse eingeführt werden. So würden im Jahr etwa 3,6 Milliarden Euro zusammenkommen, die an die Höfe ausgeschüttet werden könnten, schreibt die Süddeutsche Zeitung.

Milliarden für bessere Ställe

Die Einnahmen kämen dann Landwirten zugute, die ihre Ställe zum Wohl der Tiere umbauen. „Wir müssen das Rad nicht neu erfinden, vielmehr müssen wir es jetzt endlich mal einbauen“, sagte Özdemir der Süddeutschen.

Die stellvertretende FDP-Fraktionschefin Carina Konrad sagte der Süddeutschen, die Diskussion über die Lage der Landwirte sei womöglich der richtige Zeitpunkt für diesen Schritt. „Ich wäre die Letzte, die dagegen ankämpfen würde, wenn sich das rechtssicher umsetzen lässt.“ Gerade Tierhaltungsbetriebe hätten „schwer zu kämpfen“, sagte Konrad.

Eine Tierwohlabgabe könnte ein Weg sein, sie beim Umbau ihrer Ställe verlässlich zu unterstützen.

Der FDP-Agrarpolitiker Gero Hocker sagte der Süddeutschen: „Wenn wir eine Tierwohlabgabe hinbekommen, die europarechtlich sauber ist und nicht Produkte aus Deutschland stärker belastet als solche aus dem Ausland, dann ab dafür.

„Hau ab!“ Lindner wird bei Bauerndemo in Berlin ausgebuht

Am Montag wurde Finanzminister Christian Lindner (FDP) am Brandenburger Tor beschimpft und ausgebuht. Ein Appell von Rukwied war nötig, damit der FDP-Chef mit seiner Rede beginnen konnte. Doch auch das beruhigte die aufgebrachten Bauern nicht: „Hau ab!", riefen sie in Richtung Lindner, begleitet von Pfiffen und Hupen.

„Es soll und es darf kein Sonderopfer der Landwirtschaft geben, sondern nur einen fairen Beitrag“ – Bundesfinanzminister @c_lindner rechtfertigt den Abbau von Diesel-Vergünstigungen vor protestierenden Bauern in Berlin. pic.twitter.com/gpGEq6pKlJ

Inhaltlich rechtfertigte Lindner die Pläne zum Abbau der Agrardiesel-Begünstigung für die Bauern, sagte aber zugleich: „Wenn der Agrardiesel ausläuft, dann müssen Zug um Zug auch die Belastungen für die Betriebe auslaufen.

Damit seien bürokratische Vorgaben oder auch Umwelt- und Tierhaltungsauflagen für die Landwirte gemeint. Die Proteste seien legitim und friedlich und seien bereits erfolgreich gewesen, so Lindner.

Gibt es überhaupt eine Lösung in der Bauernkrise? Damit beschäftigt sich das SWR3 Topthema:

Traktorkonvois zogen zur Großdemo nach Berlin

Die Spitzen der Ampel-Fraktionen im Bundestag hatten Vertreter der Bauern für Montag (15. Januar) zu einem Gespräch eingeladen. Zum Abschluss ihrer Protestwoche zogen Tausende Bauern mit ihren Traktoren vor den Bundestag.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte in seiner Video-Botschaft „Kanzler kompakt“ am Samstag: „Wenn an sich legitime Proteste umkippen – und zwar pauschal in Wut oder Missachtung für demokratische Prozesse und Institutionen – dann verlieren wir alle. Profitieren werden dann nur diejenigen, die unsere Demokratie verachten.“ Aufrufe zu Gewalt und persönliche Bedrohungen hätten in der Demokratie nichts verloren.

Woche der Proteste – Bauern demonstrierten im ganzen Land

Zu Beginn der Protestwoche gab es am vergangenen Montag massive Staus, am Dienstag fanden eher regionale Aktionen statt. Der Landesbauernverband in Baden-Württemberg hatte für Mittwoch weitere Aktionen angekündigt. So gab es in Tübingen eine Protestfahrt und in der Stadthalle Ellwangen eine Kundgebung mit Gastredner Cem Özdemir. Am Donnerstag rollten unter anderem Hunderte Landwirte mit ihren Treckern durch den Schwarzwald zur Brauerei Rothaus in Grafenhausen. Verschiedene Sternfahrten waren für Freitag angekündigt, unter anderem in Bad Dürrheim, Freiburg und Pfullendorf.

Auch in Rheinland-Pfalz ging es mit Demonstrationen weiter. Im Mainzer Regierungsviertel trafen sich am Mittwoch rund 1.000 Landwirte mit 90 Treckern. In Trier sind am Donnerstagabend rund 35 Traktoren durch die Stadt gefahren.

Bauernverband will Rechtsextreme von Protesten fernhalten

Bauernverbands-Präsident Rukwied hatte rechte Gruppierungen gewarnt, die Bauerndemonstrationen zu unterwandern. „Rechte und andere radikale Gruppierungen wollen wir auf unseren Demos nicht haben“, sagte Rukwied der Bild am Sonntag vor dem Start der bundesweiten Protestwoche der Bauern. „Wir sind Demokraten und da findet ein politischer Wechsel wenn, dann über die Stimmabgabe in der Wahlkabine statt“, fügte er mit Blick auf Umsturz-Äußerungen rechter Gruppierungen hinzu.

Liebe Landwirtinnen und Landwirte, bitte denkt in der kommenden Woche daran: Wir demonstrieren friedlich und nehmen nur an angemeldeten und genehmigten Demos, Kundgebungen und Aktionen teil. Eine Auswahl genehmigter Aktionen⬇️https://t.co/Uay1JMubPB pic.twitter.com/nri74hjtR6

Der Angriff auf Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) am Donnerstag (4. Januar) hatte parteiübergreifende Kritik und Warnungen vor einer Radikalisierung ausgelöst. Demonstranten hatten Habeck an der Nordseeküste am Verlassen einer Fähre gehindert. Danach warnte das Bundeskriminalamt davor, dass die rechtsextreme Szene sowie sogenannte Querdenker die angekündigten Bauernproteste unterwandern könnten.

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