Die Bundesregierung will nach der Messerattacke von Solingen härtere Maßnahmen in der Sicherheits- und Asylpolitik. Geplant sind unter anderem Messerverbote, schnellere Abschiebungen und Leistungskürzungen für ausreisepflichtige Flüchtlinge. Auch in SWR3Land fordern Politiker teilweise konsequentere Abschiebungen und schärfere Waffengesetze.
So wollen Politiker Angriffe wie in Solingen verhindern:
- Der baden-württembergische Landesinnenminister Thomas Strobl (CDU) fordert bei SWR Aktuell, dass Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan möglich werden. Es gebe in Baden-Württemberg „dutzende Straftäter und Gefährder, die wir morgen nach Afghanistan und Syrien abschieben würden, wenn die Bundesregierung den Weg freimachen würde“.
- Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagt, „dass die neuen Befugnisse und Regelungen auch vor Ort in den Ländern umgesetzt werden“. Die Länder hätten hierfür jede Unterstützung des Bundes.
- In der Diskussion um neue Standorte für eine Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) für Flüchtlinge in Baden-Württemberg hat die Oppositionspartei FDP im baden-württembergischen Landtag vor Entscheidungen gegen den Willen der Kommunen gewarnt. Anlass ist die Prüfung zweier Standorte in Stuttgart, gegen die es in der Landeshauptstadt massiven Widerstand gibt.
- In Rheinland-Pfalz soll das Sicherheitskonzept bei anstehenden Festen, wie beim Wein- und Wurstmarkt, geprüft werden. Teilweise sollen verstärkte Einlasskontrollen stattfinden.
- Experten sagen, dass es eine 100-prozentige Sicherheit nicht geben könne.
Darum sind Abschiebungen aus Baden-Württemberg schwierig:
Stuttgarter Experte: Tiktok größte Islamismus-Gefahr
Der Extremismusexperte Mathieu Coquelin fordert, die Rolle Sozialer Medien bei der Radikalisierung junger Menschen stärker in den Blick zu nehmen. Dabei geht von der Plattform Tiktok seiner Meinung nach aktuell die größte Gefahr aus. Wenn man dort das Stichwort Islam eingebe, finde sich unter den ersten vorgeschlagenen Videos kein einziger moderater Inhalt, sagte der Geschäftsführer der Fachstelle Extremismus Distanzierung in Stuttgart dem MDR. Wichtig sei auch, die Medienkompetenz junger Menschen zu stärken.
Messerangriff in Solingen: Tatverdächtiger in U-Haft
- Ein 26-jähriger Tatverdächtiger im Fall des Solinger Messerangriffs mit drei Toten befindet sich in Untersuchungshaft. Ein Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe habe Haftbefehl unter anderem wegen Verdachts der Mitgliedschaft in der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) und wegen Mordes und versuchten Mordes erlassen.
- Der 26-jährige Syrer stellte sich offenbar einer Polizeistreife und soll blutverschmierte, schmutzige Kleidung getragen haben. Er sagte, er sei für den Anschlag verantwortlich.
- Die Polizei hat in einer Solinger Flüchtlingsunterkunft, die nicht weit vom Anschlagsort in der Innenstadt entfernt ist, einen weiteren Mann festgenommen. Zudem war ein 15-Jähriger festgenommen worden, der mit dem möglichen Täter in Verbindung gestanden haben könnte. Bei beiden handelt es sich laut Polizei um Zeugen.
Das sagt die Polizei über die Opfer von Solingen
Bei dem Angriff tötete der Täter zwei Männer im Alter von 67 und 56 Jahren sowie eine 56-jährige Frau. Weitere acht Menschen versuchte er zu töten. Sie wurden verletzt – vier davon lebensgefährlich. Sie sollen mittlerweile nicht mehr in Lebensgefahr schweben. Polizeiführer Thorsten Fleiß sagte bei einer Pressekonferenz, auf einem Video sei zu sehen, wie der Täter „sehr gezielt“ nach dem Hals eines Opfers steche.
Messerangriff von Solingen: Debatte über Asylpolitik
Bei dem mutmaßlichen Täter von Solingen handelt es sich um einen abgelehnten Asylbewerber aus Syrien. Möglicherweise hat dieser in seinem Asylverfahren falsche Angaben gemacht: Er soll erklärt haben, dass er sich wegen eines Verwandten, der bereits in Deutschland lebt, auf den Weg nach Europa gemacht habe. Die Behörden konnten eine solche Person aber nie finden.
Mehr zu den möglichen falschen Asylangaben des Tatverdächtigen:
Nach dem Attentat diskutiert die Politik jetzt wieder über Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan. Das war auch schon nach der tödlichen Attacke auf einen Polizisten in Mannheim Ende Mai der Fall.
Auch das SWR3 Topthema am Montag (26. August) hat sich damit beschäftigt, wie die Parteien jetzt nach Lösungen in der Asylpolitik suchen:
Bundeskanzler Scholz spricht in Solingen mit Helfern
In Solingen hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) unter anderem mit einigen Helfen gesprochen, die nach der Messerattacke am Freitagabend im Einsatz waren. In einem folgenden Pressestatement sagte Scholz, dass das sehr bewegend gewesen sei. Im Hinblick auf die Tat sprach Scholz von „Terrorismus gegen uns alle“. Außerdem sprach er den Opfern, Angehörigen und Betroffenen sein Mitgefühl aus.
Scholz will Waffenrecht verschärfen
Außerdem kündigte der Bundeskanzler eine schnelle Verschärfung des Waffenrechts an. Das gelte insbesondere für Messer – aber auch für „viele andere Dinge drum herum, die geregelt werden müssen“, so Scholz.
Was Scholz sonst noch gesagt hat, könnt ihr euch hier anhören:
Terrormiliz „Islamischer Staat“ reklamiert Anschlag in Solingen für sich – Video soll den Attentäter zeigen
Am Samstag hatte die Dschihadistenmiliz „Islamischer Staat“ (IS) den Anschlag im nordrhein-westfälischen Solingen für sich beansprucht. Das teilte das IS-Propaganda-Organ Amaq im Onlinedienst Telegram mit, wie mehrere Nachrichtenagenturen melden. Der Angreifer habe damit „Rache“ für Muslime in den Palästinensergebieten und anderswo auf der Welt geübt.
Einen Beleg dafür, dass der IS tatsächlich hinter dem Angriff steckt, gab es zunächst nicht. Am Sonntag hat die Miliz ein Video veröffentlicht, das den vermummten Attentäter zeigen soll. In dem Video ist ein Mann zu sehen, der ein Messer in die Kamera hält und dem IS-Anführer einen Treueeid leistet. Ob es sich tatsächlich um den Verdächtigen handelt, konnte bislang nicht überprüft werden.
Solinger DJ Topic: Polizei bat mich, weiterzuspielen
Am Morgen nach der Tat äußerte sich der DJ, der zum Zeitpunkt des Angriffs auf dem Stadtfest aufgelegt hatte. Das Sicherheitspersonal sei zu ihm gekommen und habe ihn gebeten, weiterzuspielen, um unmittelbar nach dem Vorfall eine Massenpanik zu vermeiden, schilderte DJ Topic in englischer Sprache auf Instagram. Dies sei ihm unheimlich schwergefallen, zu dem Zeitpunkt seien bereits Menschen gestorben, schrieb der gebürtige Solinger.
Nach einigen Minuten sei dann die Musik gestoppt und das Publikum informiert worden, berichtete der DJ in dem Posting und einer Reihe von Storys. Zusammen mit anderen Menschen habe er sich in einem nahegelegenen Geschäft versteckt. „Ich kann es immer noch nicht glauben“, so der Musiker, der mit gebürtigem Namen Tobias Topic heißt. Enge Freunde von ihm seien auf dem Stadtfest gewesen, „zusammen mit ihren kleinen Kindern“. Seine Gedanken seien bei den Opfern und ihren Angehörigen.
Hier hat die Polizei ein Hinweisportal eingerichtet – wer irgendetwas gesehen oder fotografiert hat, kann es über diesen Link hochladen! Wer Verdächtiges beobachte, solle nicht auf eigene Initiative handeln und den Mann nicht ansprechen, sondern den Notruf 110 wählen, forderte ein Polizeisprecher.