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Autor/in
Max Thiele
Lea Hufnagel
Lea Hufnagel: Website-Redakteurin bei SWR3
Jessica Brandt
Jessica Brandt

Mehrere Monate auf einen Therapieplatz zu warten, ist mehr als nur eine Herausforderung. Betroffene und Angehörige müssen solange allein mit der Krankheit klarkommen. Ganz allein sind sie allerdings nicht: Wir haben Anlaufstellen und Hilfsangebote für Betroffene und deren Angehörige zusammengestellt.

Depression: Die unterschätzte Krankheit

Jede vierte Frau und jeder achte Mann ist im Leben mindestens einmal betroffen: Wer nicht nur „ausnahmsweise“ mal niedergeschlagen ist, sondern eine Depression entwickelt, fühlt sich häufig allein, kraft- und machtlos. Damit ist er oder sie einer von über fünf Millionen Menschen in Deutschland. Ansprechpartner und Hilfsangebote sind rar gesät sind und die Hürde, Freunde und Familie einzuweihen, ist für viele sehr hoch. Die Stiftung Deutsche Depressionshilfe beschreibt Depressionen deshalb als als eine der „häufigsten und hinsichtlich ihrer Schwere am meisten unterschätzten Erkrankungen.

2020 hat die Krankheit 9.206 Menschen das Leben gekostet – mehr Menschen, als durch Drogen oder im Straßenverkehr zu Tode Gekommene, bestätigt das Statistische Bundesamt. Von 100 schwerst depressiven Menschen begehen 15 einen Suizid. Diese Zahlen erschrecken und erschüttern. Und sie erinnern einmal mehr, wie wichtig es ist, aufzuklären und auf Hilfsangebote aufmerksam zu machen. In diesem Artikel machen wir genau das: Betroffenen, aber auch Angehörigen zeigen, wie man Depressionen erkennt und was ein erster Schritt sein kann.

  1. Ab wann spricht man von einer Depression?
  2. Ab wann sollte man eine Depression behandeln?
  3. Wo gibt es schnelle Hilfe für Betroffene?
  4. Können Online-Angebote bei Depressionen helfen?
  5. Was können Angehörige tun?
  6. Was sind Anlaufstellen für Angehörige?

Neben Kurt Krömer äußert sich auch Selena Gomez am 10. Oktober, dem Mental Health Day, zu ihrer Erkrankung. An diesem Tag wurde ein Trailer zu einer Dokumentation veröffentlicht. In dem Video ist die 30-Jährige in Alltagssituationen, in Interviews, aber auch im Krankenhaus zu sehen. „Niemanden interessiert es, was du tust. Es geht darum, wer ich bin und dass ich mit dem, was ich bin, zufrieden bin“, sagt sie darin.

Selena Gomez: My Mind & Me – Offizieller Trailer | Apple TV+

Ab wann spricht man von einer Depression?

Bei einer Depression wird zwischen Haupt- und Nebenkriterien unterschieden. Wenn mindestens zwei Hauptsymptome und zwei Nebensymptome zutreffen, kann das auf eine Depression hindeuten. Die Deutsche Depressionshilfe fasst sie für uns zusammen. Hauptkriterien sind:

  • Verlust von Interessen und Freunden
  • Depressive Stimmung
  • Antriebslosigkeit

Darum herum gibt es eine Vielzahl an Nebenkriterien. Nicht alle müssen auf eine Person zutreffen und nicht jede Person hat die selben Anzeichen. Insgesamt lassen sich aber trotzdem konkrete Merkmale festhalten:

  • Die Konzentration und Aufmerksamkeit lässt nach.
  • Das Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen ist gemindert.
  • Zukunftsperspektiven sind pessimistisch.
  • Der Appetit lässt nach.
  • Schuldgefühle kommen auf.
  • Der Schlaf wird schlechter.

Bei vielen Erkrankten kommen außerdem Ängste, eine innere Daueranspannung (‚wie vor einer Prüfung‘) und körperliche Beschwerden wie Magen-, Kopf- oder Rückenschmerzen hinzu. Auch diese Symptome können auf eine Depression hinweisen.

Ab wann sollte man eine Depression behandeln?

Wenn auch 14 Tage nach dem ersten Auftreten diese Symptome nicht nachlassen, sollte der Hausarzt aufgesucht werden. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass eine Depression vorliegt, ist in diesem Fall hoch. Er kann dann andere Gründe, wie zum Beispiel eine Schilddrüsenerkrankung, ausschließen. Sie hat ähnliche Symptome wie eine Depression.

Wenn eine Depression festgestellt wird, gibt es je nach Schwere verschiedene Behandlungswege. Grundlage bei fast allen ist aber eine Psychotherapie. Dazu kommt manchmal der Einsatz von Antidepressiva. Auch ein Klinikaufenthalt kann infrage kommen. Einen Einblick in eine Klinik für Betroffene einer Depression gibt die Doku 7 Tage unter... Depressiven. Dr. Sylvia Claus ist die ärztliche Direktorin einer solchen Klinik und versichert:

Niemand muss mit seiner Depression unbehandelt zuhause und allein sein. Es gibt für jeden eine Behandlungsmöglichkeit. Manchmal dauert es ein bisschen, bis man herausgefunden hat, wer auf was am besten anspricht. Aber es ist auf jeden Fall so, dass Menschen mit Depressionen sich Hilfe holen sollen und auch sich behandeln lassen sollen.

Bis ein Therapieplatz frei wird, können unter Umständen Monate vergehen. Für Betroffene ist das ein großes Problem: Nicht nur kommt die herbe Enttäuschung, nachdem man sich überwunden hat, Psychotherapiepraxen anzurufen – auch sind sie während der Wartezeit oft allein mit der Krankheit. Deshalb gibt es hier Anlaufstellen und Ansprechpartner, die schnell und unkompliziert helfen können.

Welche Arten von Depressionen gibt es?

Depressionen gibt es in verschiedenen Formen und Graden. Die am weitesten verbreitete Form wird in der Fachsprache unipolare Depression genannt. Sie kann in drei Schweregraden auftreten, die unterschiedlich behandelt werden.

  • Leichte Depression: Zunächst wird abgewartet und die Betroffenen unterstützt. Das geht zum Beispiel durch moderne Apps oder mit Schlaftagebüchern und Schlafregulierung.
  • Mittelschwere Depression: Bei diesem Grad der Depression, sollte externe Hilfe in Form einer Psychotherapie und Medikamenten wie Antidepressiva in Anspruch genommen werden.
  • Schwere Depression: Auch hier wird unbedingt zu Psychotherapie und Medikamenten geraten, da Erkrankte suizidale Gedanken entwickeln können und dadurch eine Gefahr für ihr Leben besteht.

Außer der unipolaren Depression, gibt es noch die saisonal abhängige Depression. Die ist als Winterdepression bekannt und hängt mit der Jahreszeit zusammen. Hier kann vor allem Tageslicht helfen. Es wird geraten, jeden Tag auch bei bewölktem Himmel für mindestens 30 Minuten rauszugehen. Alternativ kann auch eine Lichttherapie helfen. Hinzukommen noch komplexere Formen der Depression wie die bipolare Depression oder die Dystemie. Beide werden mit Medikamenten behandelt.

Wo gibt es schnelle Hilfe für Betroffene?

Wer sich noch nicht überwinden kann, einen Arzt nach einem Therapieplatz zu fragen, oder sich während der teils langen Wartezeiten allein mit der Erkrankung fühlt, kann verschiedene Online- oder Telefonangebote nutzen. Hier findest du eine Liste mit Angeboten, die für dich hilfreich sein könnten:

  • Der Service der 116117 vom Allgemeinen Medizinischen Dienst kann dir am Telefon oder online dabei helfen, einen Psychotherapeuten zu finden.
  • Die Deutsche Depressionshilfe bietet Unterstützung für Depressionskranke und Informationen für ihre Angehörigen.

Hilfe in Baden-Württemberg

Hilfe in Rheinland-Pfalz

Auch wenn das keine Therapie ersetzt, helfen manchmal kleine Umstellungen im Tagesablauf, um die akute Situation ein wenig zu bessern oder nicht so tief in eine Depression zu rutschen. Du kannst zum Beispiel den Tag vorplanen und dich an diese Struktur halten. Suche dir dafür am besten nicht nur Aufgaben, die Pflicht sind, sondern auch Dinge, die Spaß machen. Frische Luft und lange Spaziergänge können gut tun und auch Sport kann den Körper positiv beeinflussen. Der schüttet dann nämlich nützliche Hormone aus. Außerdem macht die Bewegung dich müde, was gegen Schlafmangel hilft und zu einer besseren Schlafqualität führt.

Was nicht unterschätzt werden sollte: Sprich Familie und Freunde an! Es kann schwer fallen, über so ein persönliches Thema mit anderen Menschen zu sprechen. Wenn es aber eine Vertrauensperson gibt, können Gespräche viel Last von den eigenen Schultern nehmen, weil man nicht mehr allein in der Situation ist. Oft hilft es schon, ein offenes Ohr zu finden.

Moncrieff beim New Pop Festival 2022

Hilfe bei Depressionen: Online-Angebote

Nicht jeder Betroffene möchte zu einem Therapeuten oder findet schnell einen Platz. Auch deshalb gibt es mittlerweile viele Online-Angebote und Apps, die weiterhelfen sollen. Die Stiftung Warentest hat 2019 verschiedene Online-Angebote getestet. Bei dem Test waren folgende Angebote dabei:

  • ProMind
  • Moodgym
  • Deprexis
  • Get.On
  • Novego
  • Selfapy
  • iFightDepression von der Stiftung Deutsche Depressionshilfe
  • Depressions Coach für Mitglieder der Techniker Krankenkasse

Über Testzugänge prüfte Stiftung Warentest Kriterien wie das therapeutische Potenzial und den belegten Nutzen der Angebote. Zudem wurde der Schutz des Nutzerkontos geprüft sowie die Datenschutzerklärung. Das Fazit von Stiftung Warentest fällt wie folgt aus:

Empfehlenswert sind Deprexis 24zwei Programme von Get.On sowie Moodgym. Da alle Besonderheiten haben, kann es lohnen, bei Unzufriedenheit ein zweites zu probieren. Denkbar ist die Selbsthilfe ergänzend zu einer regulären Therapie oder wenn eine Vor-Ort-Behandlung nicht möglich oder gewünscht ist. Für schwere Depressionen sind die meisten Angebote nicht gedacht. 

Wie erkenne ich ein gutes Online-Programm gegen Depressionen?

Stiftung Warentest hat sich auch diesem Thema gewidmet und rät Betroffenen, auf sieben Punkte zu achten:

  1. Das Programm sollte deutlich machen, welchen Zweck es erfüllt: Ist es ein Begleitprogramm zur Therapie oder vorbeugend?
  2. Es sollte ersichtlich sein, von wem das Programm erstellt wurde: Steckt ein Unternehmen dahinter oder Psychotherapeuten?
  3. Im Online-Angebot sollte stehen, welche Art der Therapie praktiziert wird.
  4. Auch die Wirksamkeit durch Studien sollte im Angebot des Online-Programms ersichtlich sein.
  5. Zudem können Kosten für Selbstzahler anfallen; diese sollten genannt werden.
  6. Gerade bei so einem Thema ist der Datenschutz wichtig. Sind die Informationen darüber leicht auffindbar?
  7. Einige Programme bieten auch Videosprechstunden an. Hier sollte geprüft werden, welche Qualifikation das Gegenüber hat.

Was können Angehörige tun?

Wenn jemand eine Depression hat, kann das auch für das nähere Umfeld eine Herausforderung sein. Erkrankte ziehen sich häufig zurück und können uns lustlos oder sogar unfreundlich vorkommen. So werden manchmal Kleinigkeiten zu Herausforderungen: Zähne zu putzen oder kurz beim Arzt anzurufen ist nicht mal eben nebenbei erledigt. Eben deshalb sind Betroffene auf die Hilfe ihres Umfeldes angewiesen. Um Angehörigen die Angst und vielleicht auch Überforderung zu nehmen, können diese Tipps helfen:

  1. Sich über die Krankheit informieren. Die Gefühle und das Leid derer, die an Depressionen erkranken, sind schwer nachvollziehbar. Das Erste, was man tun kann, ist, sich über die Krankheit zu informieren und herauszufinden, ob man helfen kann. Dabei kann zum Beispiel die Website der Stiftung Deutsche Depressions Hilfe helfen.
  2. Ersthelfer werden. Es gibt Kurse für Mental Health First Aid, also Erste Hilfe für psychische Gesundheit. Ein Ansprechpartner ist das Zentralinstitut für seelische Gesundheit Mannheim.
  3. Hilfsangebote für Betroffene suchen. Das kann zum Beispiel ein Termin beim Hausarzt sein, den eine erkrankte Person selbst nicht ausmachen kann. Am besten, man begleitet die Erkrankten auch zu solchen Terminen. Trotzdem sollten diese Entscheidungen nicht über den Kopf des Betroffenen hinweg gefällt werden. Gespräche können helfen.
  4. Beim Einhalten von Routinen helfen. Nahestehende können zum Beispiel daran erinnern, die Medikamente zu nehmen und geplante Aktivitäten gemeinsam umsetzen.
  5. Sich selbst nicht vergessen. Es ist wichtig, seinen Liebsten zu helfen, aber man sollte dabei sein eigenes Leben nicht vergessen. Nehmt euch auch mal die Zeit durchzuatmen.
  6. Ihr seid voller Tatendrang, weil ihr alles geben wollt, um zu helfen? Setzt die Person nicht unter Druck. So schwer es manchmal auch fällt: Schlussendlich muss sie die Schritte raus aus der Krankheit gehen. Ihr könnt dabei nur Hilfestellungen geben, wo sie gebraucht werden, aber nichts erzwingen.

Was sind Anlaufstellen für Angehörige?

Auch für Angehörige ist die Situation nicht leicht. Deshalb gibt es für sie Anlaufstellen, die unterstützen können. Ein Beispiel ist der Bundesverband der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen e.V. Außerdem kann sich ein Blick in das Angebot der eigenen Krankenkasse werfen: Auch sie bieten entsprechende Hilfen an. Weitere Anlaufstellen:

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