Jubiläumsausgabe wird zum neuen Polizeiruf aus Halle
„An der Saale hellem Strande“ war eigentlich nur als ein einmaliger Jubiläumsfilm geplant. Zum 50. Geburtstag des Polizeirufs 110. Aber dann entschied man sich doch, den Polizeiruf aus Halle wieder für mehrere Folgen aufleben zu lassen. Wann und wie oft die beiden Schauspieler Peter Kurth und Peter Schneider in der Rolle der Ermittler Koitzsch und Lehmann zu sehen sein werden, das ist noch offen.
Wer hat in der Nähe des Tatorts in Halle telefoniert?
Es war jedenfalls ein Donnerstagabend, und es ist schon ein paar Monate her, als plötzlich unvermittelt, ohne Vorwarnung, der Kellner Uwe erstochen wird. Unter der kaputten Lampe, die das Geschehen direkt vor seiner Haustür in diesem bizarren Stakkatolicht erscheinen lässt. Auch jetzt, nach langen Ermittlungen, gibt es noch keine Spur des Täters. Letztes Mittel für die Kommissare Henry Koitzsch und Michael Lehmann: die Funkzellenabfrage. Wer hat damals in Tatortnähe, am Mordabend telefoniert? Alle werden nacheinander überprüft. Und damit tauchen wir ab in eine Welt aus Enttäuschung, Hoffnungslosigkeit, Alkohol, Einsamkeit.
Tränen, Wut und Einsamkeit für das neue Ermittlerteam
Dort ist auch Mike zuhause. Er hatte für seine kleine Tochter das Schloss der Schneeprinzessin ersteigert und erfährt auf dem Weg zum Verkäufer, dass der es doch einem anderen Bieter überlassen hat. Er wütet. Die kleine Tochter ist maßlos enttäuscht, vom Geburtstag – und auch von ihrem Papa. Herr Born ist Rentner und hat seine Frau in der Nacht von dort aus angerufen. Herr Born war bei der Bahn und hört Schallplatten mit Zuggeräuschen und Zugansagen aus längst vergangener Zeit. Er läuft manchmal nachts zu seiner alten Arbeitsstelle und hat, das ergibt die Überprüfung, nur drei Nummern in seinem Handy. Die seiner Frau, die der Taxizentrale und eine Festnetznummer, die abgemeldet ist. „Wahrscheinlich verstorben“, folgert Kommissar Koitzsch.
Kommissar Koitzsch mit dem fetten Alkoholproblem
Uwes Nachbar von Gegenüber trägt auch tagsüber einen hellgelben Bademantel aus Frottee – gehört hat er nichts. Seine Frau und er hätten ein bisschen Alkohol getrunken und dann gings „ab in die Kiste“. Kommissar Koitzsch selbst hat ein fettes Alkoholproblem, ist Kettenraucher, geschieden und auf der Suche nach Nähe. Kollege Lehmanns Schwiegervater war Mitte der 80er bis Anfang der 90er selbst Kommissar in der Polizeiruf-110-Reihe und kümmert sich jetzt rührend um seine Enkel. Ex-Leutnant Thomas Grawe, damals wie heute gespielt von Andreas Schmidt-Schaller.
Gute Bewertung für den Jubiläums-Polizeiruf
Was den Polizeiruf sehenswert macht? Bilder wie gemalt, und eine Ausstattung, die vom fadenscheinigen Sofa mit Sitzkuhle, bis hin zum Alibigrün eines dürren Ficus benjamina, diese Tristesse unterstreicht. Musik, Düsternis und Darsteller sorgen dafür, dass der kalte Rauch der Kippen und die Ausdünstungen von Alkohol, Schweiß und Sonstigem, schier Unerträglichem, aus dem Fernseher kriechen. Und dann noch nach eineinhalb Stunden ertragener Hoffnungslosigkeit so ein Ende?
Polarisierende Milieustudie – kein packender Krimi
Was war das? Ein normaler Kriminalfall? Sicher nicht! Aber das, was ich da gesehen habe, das wirkt nach – war eindrücklich. Oder war es doch zu viel des fast überquellenden Elends, hinein gestopft in 90 Minuten? Viele Krimis polarisieren. Je nach Geschmack des Einzelnen. Aber bei dem hier bin ich mir mit mir selbst nicht einig. Etwas ratlos aber gleichzeitig eben auch schwer beeindruckt von Darstellern, Ausstattung, den einzelnen Geschichten. Sehenswert auf alle Fälle, kein packender Krimi, aber eine eindrückliche Milieustudie, bei der ich als Zuschauer fast schon mitgesoffen und mitgeraucht habe und nach der ich erstmal duschen gegangen bin.