Was ist über Langzeitfolgen einer Covid-19-Infektion bekannt?
Über Long Covid wird schon seit dem ersten Jahr in der Pandemie gesprochen, und manchmal hat es den Anschein, als verstehe jeder etwas anderes darunter. Tatsächlich hat der Begriff auch keinen medizinischen Ursprung. Inzwischen sieht das aber anders aus und man kann klare Grenzen ziehen zwischen Covid-19, Long Covid und Post Covid.
Wir klären die wichtigsten Fragen und geben euch einen Überblick rund um das Thema Long Covid.
- Was ist Long Covid?
- Wie häufig tritt Long Covid auf?
- Ab wann spricht man von Post Covid?
- Was sind häufige Symptome bei Long Covid?
- Wie wird die Diagnose gestellt?
- Wie wird Long Covid behandelt?
- Long Covid bei Kleinkindern – gibt es da Besonderheiten?
- Welche Vorerkrankungen begünstigen Langzeitfolgen?
- Trotz Impfung Long Covid – ist das möglich?
- Kann ich Long Covid vorbeugen?
Was ist Long Covid?
Unter dem Hashtag „Long Covid“ haben im ersten Pandemiejahr Menschen in sozialen Netzwerken von Langzeitfolgen berichtet, die sie nach einer Covid-19-Erkrankung hatten. Ein medizinischer Begriff war das zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Die Archäologin Dr. Elisa Perego verwendete den Begriff Long Covid im Mai 2020 zum ersten Mal. Sie beschrieb ihre Langzeitsymptome, nachdem sie an Covid-19 erkrankt ist. Mittlerweile forscht sie auch an dem Thema.
Im Dezember 2020 hat das britische National Institute for Health and Care Excellence (NICE) dann aber eine Definition zum Begriff geliefert:
Long Covid bezeichne ihnen zufolge „Langzeitfolgen von Covid-19 [...] bei Erwachsenen, Kindern und Jugendlichen, die neue oder anhaltende Symptome vier Wochen nach Start einer Covid-19-Erkrankung [aufzeigen]“.
Diese Definition wurde international akzeptiert. Unter anderen führen auch das Robert Koch Institut und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) die Definition seitdem so auf ihren Websites. Langzeitfolgen kann jede Person entwickeln, die sich mit dem Coronavirus angesteckt hat.
https://www.facebook.com/watch/?v=926425801675479
Wie häufig tritt Long Covid auf?
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat am 13. September 2022 Zahlen zur Häufigkeit von Long Covid veröffentlicht. Ihr zufolge entwickelten mehr als 16 Prozent der Infizierten in Europa längerfristige Beschwerden. Das seien mehr als 17 Millionen Menschen. Ein Kritikpunkt der WHO: Die Staaten kümmern sich zu wenig.
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Was ist der Unterschied zu Post Covid?
Das „Post Covid Syndrom“ ist streng genommen ein Teil von Long Covid. Das Syndrom beschreibt (laut NICE) Langzeitfolgen, die auch nach zwölf Wochen noch anhalten oder neu auftreten. Die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) stimmt dem grundsätzlich zu, zählt aber auch die Verschlechterung von anderen Vorerkrankungen zu den Merkmalen von Post Covid. In der Definition von NICE werden keine unterschiedlichen Symptome bei Long Covid und Post Covid aufgeführt. Im Oktober wurden die Definitionen von der WHO präzisiert: Post Covid sei bei Personen nach einer Covid-Erkrankung der Fall,...
Was sind häufige Symptome bei Long Covid?
Was Long Covid so schwer zu greifen macht: Es gibt kein einheitliches Krankheitsbild. Es können körperliche, geistige und psychische Beschwerden auftreten, mehrere oder auch nur ein Symptom. Die AWMF hat die vielen verschiedenen Beschwerden in einer Patientenleitlinie zusammengestellt und nach ihrer Häufigkeit sortiert. Hierbei wurden von 10 Prozent der Betroffenen die Beschwerden aufgenommen und sortiert. Einen Überblick darüber, was die häufigsten Symptome bedeuten und was Betroffene tun können, gibt es hier:
Häufig | Gelegentlich | Selten |
Fatigue | Husten | Lähmungen |
Eingeschränkte Belastbarkeit | Schlafstörungen | Kribbeln |
Atemnot bei Belastung | Depressive Verstimmung | Schwindel |
Kopfschmerzen | Angst | Durchfall |
Muskelschmerzen | Denkstörungen | Übelkeit |
Gliederschmerzen | Haarausfall | Herzrasen |
Riech- und Schmeckstörungen | Stress | Herzstolpern |
Fatigue: Krankhaft erschöpft nach Covid-19
Unter Fatigue versteht man eine allgemeine krankhafte Erschöpfung. Oft sind Betroffene dadurch auch weniger leistungsfähig und schneller an ihrer Belastungsgrenze. Sie kann auch stark ausgeprägt sein, obwohl der akute Verlauf der Covid-19-Infektion sehr mild war.
Grundsätzlich ist das Symptom aber kein neues Phänomen, sondern eine häufige Begleiterscheinung bei Virusinfektionen und kann deshalb von vielen Ärztinnen und Ärzten sicher eingeschätzt werden. In vielen Fällen ist keine besondere Behandlung nötig; meistens vergeht die Erschöpfung nach drei Monaten von selbst. Unterschätzen sollte man sie trotzdem nicht: Bei schweren Verläufen kann eine Überweisung zu einem Spezialisten nötig sein. Da die Fatigue auch von anderen Auslösern kommen kann, sollte sie auf jeden Fall beim Hausarzt angesprochen werden.
Eingeschränkte Belastbarkeit nach Corona-Infektion
Arbeit, Haushalt, Sport, Freizeit: Nach einer überstandenen Covid-Infektion will man am liebsten direkt wieder voll durchstarten. Aber nicht immer ist das möglich. Bei Belastungen, die vorher kein großes Problem für den Körper waren, kann es direkt nach der Infektion, aber auch bei Long-Covid, zu Einschränkungen kommen. Betroffene fühlen sich nach kurzer Zeit und schwacher Belastung angestrengt. Kurzatmigkeit, Beklemmungsgefühle im Brustkorb, Erschöpfung und Atemnot machen sich dann bemerkbar.
Eine eingeschränkte Belastbarkeit muss nicht immer körperlich in Erscheinung treten, sondern kann auch psychisch bemerkbar sein: durch Konzentrationsschwierigkeiten beim Lesen oder bei der Arbeit. Das Denk- und Konzentrationsvermögen bessert sich zwar meist wieder, bei anhaltenden Beschwerden sollten neuropsychologische Tests in Betracht gezogen werden.
Atemnot bei Belastung
Ein durchschnittlich sportlicher und gesunder Mensch sollte keine Probleme haben, auch bei Belastungen wie Treppensteigen, Spazierengehen und Haushaltstätigkeiten genügend Luft zu bekommen. Bei einer Covid-19 Erkrankung sind die Atemwege infiziert und somit beeinträchtigt – so kann sich eine Atemnot bei belastenden Tätigkeiten auch länger hinziehen und die Beschwerden bei Long Covid können monatelang bleiben.
Kopfschmerzen nach Corona-Infektion
Ein häufiges Symptom von Long Covid sind auch Kopfschmerzen, die es in unterschiedlichsten Ausprägungen gibt und deswegen auch nicht immer eindeutig mit den Nachwirkungen einer Corona-Infektion in Verbindung gebracht werden können. Spannungskopfschmerzen können vorübergehend gut mit Schmerzmedikamenten behandelt werden, das sollte aber kein Dauerzustand werden. Bei anhaltenden Kopfschmerzen, die seit einer Corona-Infektion bemerkbar sind, ist der Besuch bei einem Facharzt die beste Lösung.
Muskelschmerzen nach Covid-19
Langes Liegen, wenig Bewegung, Schonhaltung: Wer krank ist, hat wenig Chancen, seine Muskulatur zu stärken und leidet oft schon nach wenigen Tagen an Muskelschmerzen. Long Covid-Betroffene berichten häufig von anhaltenden Schmerzen der Muskulatur. Diese können auch auch durch Schädigung der Nerven oder Muskeln entstehen. Bei ernsteren Covid-19-Verläufen wurden auch Entzündungen der Muskulatur festgestellt. Wer langfristig Probleme mit seiner Muskulatur hat, kann mit Krankengymnastik, Physiotherapie oder Rehamaßnahmen Erfolg haben.
Gliederschmerzen nach Corona-Infektion
Schmerzen in den Armen und Beinen im Zusammenhang mit einer Infektion sind meist eine Folge der Immunabwehr, die der Körper einleitet. Aus dem Gehirn werden Botenstoffe aktiviert, die das Nervensystem ansprechen und das Schmerzempfinden auslösen. Das führt dazu, dass sich die Glieder unerträglich schwer anfühlen und wehtun. In der Regel treten diese Beschwerden eher zu Beginn einer Infektion auf und klingen wieder ab.
Riech- und Geschmacksstörungen: Corona-Symptome
Von Beginn an haben viele Patienten berichtet, dass sie auch nach Genesung nicht mehr richtig riechen und schmecken können. Je nach Corona-Variante ist der plötzliche Verlust von Geruchs- oder Geschmackssinn ein typisches Symptom. Bei harmloseren Erkrankungen der Atemwege, wie zum Beispiel bei einer Erkältung, sind geschwollene Schleimhäute in der Nase keine Seltenheit. Hier kann es auch zum Geruchsverlust kommen. Bei einer Corona-Infektion kann es auch zum vollständigen und langfristigen Verlust des Geruchs- und Geschmackssinns kommen – in manchen Fällen, obwohl die Nasenschleimhäute nicht angeschwollen waren. Bei langanhaltenden Riechstörungen könnte eine Therapie beim HNO-Arzt helfen: Dabei soll die Erholung der Riechzellen unterstützt werden.
Diagnose Long Covid: Wie wird sie gestellt?
Wenn die Beschwerden Wochen und Monate nach der Corona-Erkrankung präsent sind, führt ein Arzt oder eine Ärztin eine Anamnese durch, das heißt er oder sie macht verschiedene Gesundheitschecks und zeichnet sich ein Bild aller körperlichen und geistigen Beschwerden. Die Symptome der Langzeitfolgen variieren von Patient zu Patient und können nicht immer eindeutig auf die Corona-Infektion zurückgeführt werden. Wichtig ist, dass andere Erkrankungen, die ähnliche Beschwerden verursachen, ausgeschlossen werden.
Wie kann man Long Covid behandeln?
Long Covid ist eine Folgeerkrankung einer Covid-Infektion – die Ursache der Beschwerden kann also nicht mehr bekämpft werden. Das Ziel einer Behandlung ist es, die Symptome zu lindern und so zu verhindern, dass die Beschwerden nicht dauerhaft bleiben. Erste Ansprechpartnerinnen und -partner sind Hausärztinnen und Hausärzte. Sie erstellen den Behandlungsplan und überweisen gegebenenfalls an Fachärzte.
Immer wieder im Gespräch ist die Blutwäsche bei Betroffenen. Geschichten von schnellen, erfolgreichen Behandlungen machen die Runde. Dr. Winfried Kern ist Internist und forscht zum Thema Langzeitfolgen nach Corona-Infektionen. Er warnt vor zu großen Versprechungen:
Wegen der fehlenden Studienlage bleibe die Blutwäsche ein „individuelles Heilverfahren“. Das heißt: In Einzelfällen kann sie helfen, verallgemeinert werden können diese Erfolge aber nicht so einfach. Unabhängig davon sind die ersten Schritte aber meistens:
- Physiotherapie
- Atemtraining
- Psychologische Hilfe
- Neue Beurteilung nach drei Monaten
Long Covid bei Kleinkindern – gibt es da Besonderheiten?
Kinder haben seltener einen schweren Verlauf bei einer Covid-19-Erkrankung – aber schützt sie das auch automatisch vor Long Covid? So einfach ist das leider nicht. Denn auch milde Verläufe können zu Long Covid und Post Covid führen. Trotzdem sind Kinder nach den bestätigten Fällen seltener betroffen als Erwachsene.
Die Symptome unterscheiden sich nicht von denen Erwachsener. Erschöpfung, eine verringerte Leistungsfähigkeit, Kopfschmerzen, Atemnot oder beispielsweise auch Schlafstörungen. Das Problem ist vielmehr: Wie können Eltern diese unspezifischen Symptome richtig einordnen? Das Wichtigste dabei ist: Die Beschwerden der Kinder müssen ernst genommen werden. Letztlich ist hier der Kinderarzt eine wichtige Anlaufstelle, auch bei Schlaf- oder Konzentrationsstörungen.
Welche Vorerkrankungen begünstigen Langzeitfolgen?
Chronische und psychische Vorerkrankungen scheinen die Entstehung von Long Covid zu begünstigen, schreibt die BZgA auf ihrer Webseite. Im Gegensatz zum Alter der Covid-Risikopatienten – das Risiko für einen schweren Verlauf steigt ab 60 Jahren an, soll Long Covid eher im jungen bis mittleren Erwachsenenalter auftreten. Als weitere Risikofaktoren gelten eine frühere Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus und Diabetes mellitus.
Nach den Erkenntnissen von Dr. Winfried Kern wirken sich auch Rauchen, Über- oder Untergewicht und bestehende psychische Erkrankungen negativ aus. Außerdem seien Frauen deutlich häufiger betroffen als Männer, so Kern im SWR3-Interview.
Kann man trotz Impfung Long Covid bekommen?
Ja, man kann trotz der Impfung Folgebeschwerden von einer Covid-19-Erkrankung bekommen. Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit geringer: In der britischen „Zoe Covid Study“, die im Januar 2022 im Fachblatt The Lancet erschien, konnte festgestellt werden, dass doppelt geimpfte Menschen im Vergleich zu ungeimpften Personen nach einer Covid-19-Erkrankung zu 47 Prozent seltener Long Covid-Symptome entwickeln. Für vulnerable Gruppen sei die Gefahr, an Long Covid zu erkranken, allerdings trotzdem noch hoch, so Forschungsleiterin Dr. Claire Steves vom King's College in London. Zu den vulnerablen Gruppen zählt das RKI beispielsweise ältere Menschen, sowie Menschen mit einer Vorerkrankung wie Diabetis oder einer Erkrankung des Atmungssystems.
Die Daten der Studie wurden von einem gemeinsamen Team des Unternehmens Zoe und dem King's College analysiert.
Eine Verbindung zur Impfung kann auch Dr. Winfried Kern herstellen: Eine Impfung führt im Durchschnitt zu milderen Verläufen. Wer weniger stark an Covid-19 erkrankt, hat auch bessere Chancen, keine Langzeitfolgen zu entwickeln. Insofern reduziere die Impfung diese Wahrscheinlichkeit indirekt. Aber: Wer Langzeitfolgen entwickelt, hat dann keine großen Unterschiede mehr. Auf deren Intensität habe die Impfung keinen Einfluss, erklärt er im SWR3-Interview.
Kann ich Long Covid vorbeugen?
Ob und wie man sich gegen Long Covid schützen kann, ist bisher nicht erforscht und belegt. Fakt ist: Wer sich mit Covid-19 infiziert, kann auch mit Long Covid zu kämpfen haben – unabhängig vom Verlauf der Erkrankung. Das wirksamste Mittel, sich vor Long Covid zu schützen, ist also das Vorbeugen der eigentlichen Corona-Infektion. Dafür werden vom RKI die Impfungen, der Booster und Infektionsschutzmaßnahmen wie Abstand, Hygiene, Maske tragen und Lüften empfohlen.