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Von Autor/in Tamara Trunk

43 Millionen Erwachsene sind in Deutschland brauchen eine Sehhilfe – und vermutlich haben sich alle schon mal darüber geärgert. Was Nachtlinsen bieten und für wen sie geeignet sind, erklärt ein Augenarzt.

Keine beschlagenen Brillengläser, keine trockenen Augen von den Kontaktlinsen, keine Einschränkungen beim Sport und Autofahren – davon können Menschen mit Sehschwäche nur träumen. Eine Operation kommt für viele nicht in Frage – könnte die Nachtlinse eine gute Alternative sein?

Brillen- oder Kontaktlinsenträger sind es gewohnt, dass sie dann scharf sehen, wenn sie die Sehhilfe gerade auch wirklich benutzen. Die Nachtlinse funktioniert genau umgekehrt: Man trägt sie beim Schlafen, wenn man gerade nichts sehen muss, und wenn man sie morgens entfernt hat, sieht man plötzlich den ganzen Tag ohne Sehhilfe scharf. In der SWR3-Morningshow haben wir mit Augenarzt Dr. med. Oliver Hoppe über Funktion, Kosten, Vor- und Nachteile dieser Linsen gesprochen.

Wie funktionieren Nachtlinsen?

„Die Nachtlinsen verändern die Krümmung der Hornhaut so, dass sie am nächsten Tag in der neuen Krümmung bleibt. Das baut sich nach und nach wieder ab, aber damit wird auch die Brechkraft des Auges dahingehend verbessert, sodass man am nächsten Tag keine Brille mehr braucht“, sagt Augenarzt Dr. Oliver Hoppe. Man trägt die Linse idealerweise sechs bis acht Stunden. Während dieser Zeit übt die Linse einen leichten aber gezielten Druck aus, so dass sie die Hornhaut des Auges umformt. Die korrigierte Wirkung hält bis zu 16 Stunden an.

Bis wieviel Dioptrien kann man Nachtlinsen anwenden?

„Vier bis viereinhalb Dioptrien minus kann man wegbekommen und vielleicht so eine halbe bis dreiviertel, manchmal auch eine ganze Dioptrie Hornhautkrümmung“, so die Einschätzung von Augenarzt Dr. Hoppe.

Das hängt ein bisschen vom Linsentyp ab – und vor allen Dingen von der Widerstandskraft der Hornhaut, wenn es darüber hinausgehen soll, erklärt Dr. Oliver Hoppe.

Man muss ganz fair und offen sagen: 4 bis 4,5 kann man gut empfehlen, aber wenn es darüber hinausgehen soll, kann man es versuchen, sollte sich aber auch bewusst sein, dass es zu einem Abbruch führen kann.

Wie bekomme ich Nachtlinsen?

Nachtlinsen sollten in enger Absprache mit dem Augenarzt und Augenoptiker angepasst werden. „Die Nachtlinse empfehle ich nicht einfach so“, sagt Oliver Hoppe. Wenn es gewünscht wird, empfehle Hoppe, es professionell anpassen zu lassen – und keinesfalls im Internet zu bestellen.

Man zieht auch keine Schuhe mit der falschen Schuhgröße an – die Linsen müssen einem richtig passen und dementsprechend von jemandem angepasst werden, der etwas davon versteht.

Ob die individuelle Sehschwäche, das Auge und die Hornhaut für die Nachtlinse geeignet sind, muss immer zuerst geprüft werden.

Für wen sind Nachtlinsen nicht geeignet?

Die Linsen eignen sich nicht für jede Fehlsichtigkeit, ein Beratungsgespräch ist also zwingend notwendig. Außerdem kehrt die Hornhaut im Tagesverlauf wieder zu ihrer ursprünglichen Form zurück und die Sehleistung kann zum Abend hin auch wieder abnehmen. Deswegen sind Nachtlinsen nicht empfohlen, wenn die Sehkraft zum Beispiel Auswirkungen auf eine berufliche Tätigkeit hat oder man in den Abendstunden noch Auto fahren muss.

Wie viel kosten Nachtlinsen?

„Realistisch dürften etwa 60 Euro pro Monat sein“, sagt Dr. Oliver Hoppe. Die Linsen werden im Regelfall für ein Jahr zur Verfügung gestellt und sollten danach aus ausgetauscht werden. Denn auch die Linsen können sich nach einiger Zeit verändern und nicht mehr die gewünschte Leistung erbringen. Oft handelt es sich um Monats-Abos – jedoch hängt jede Kalkulation auch individuell mit der Anpassung und Beratung zusammen. 60 Euro pro Monat seien aber ein realistischer Richtwert.

Übernimmt die Krankenkasse die Kosten für Nachtlinsen?

Auch wenn die Krankenkassen oft Hilfsmittel für anerkannte Krankheiten und Einschränkungen zahlen – eine Kostenübernahme bei Brillen oder anderen Sehhilfen erfolgt nur noch in seltenen Fällen:

Kostenübernahme bei Brillen

  • bei einer Kurz- oder Weitsichtigkeit von mehr als 6 Dioptrien
  • bei einer Hornhautverkrümmung ab mehr als 4 Dioptrien
  • bei einer starken Beeinträchtigung des Sehvermögens und einer maximalen Sehkraft unter 30 Prozent – trotz des Tragens einer Brille oder von Kontaktlinsen
  • bei Minderjährigen ist die Sehhilfe meist in der Kassenleistung inbegriffen

Kostenübernahme bei Kontaktlinsen

Kontaktlinsen zahlt die Krankenkasse nur, wenn diese medizinisch dringend notwendig sind, wie zum Beispiel bei Menschen, die an einer Kurz- oder Weitsichtigkeit von mehr als 8 Dioptrien leiden. Bei dieser Stärke sind Brillengläser sehr schwer und können zu weiteren Leiden führen. Bei einer Hornhautverkrümmung zahlt die Krankenkasse für Kontaktlinsen, wenn sie zu mindestens 20 Prozent besseren Ergebnissen führen als eine Brille.

Für die Nachtlinsen ist keine Unterstützung der Krankenkassen zu erwarten, sagt Dr. Oliver Hoppe.

In Deutschland ist das noch keine Kassenleistung und wird wahrscheinlich auch keine werden. Die Österreicher sind da schon besser aufgestellt, die verstehen das als Kassensatz.

Vor- und Nachteile von Nachtlinsen

  • Vorteil: Wenn es funktioniert, funktioniert es so lange, wie die Linsen regelmäßig getragen werden können. In Einzelfällen reicht es auch, die Linsen nur jede zweite Nacht zu tragen. Aber das ist ganz individuell. „Wenn die Linsen nicht mehr getragen werden, dann lässt der Zustand einfach nach und es bleibt im Prinzip alles so wie vorher“, sagt Dr. Oliver Hoppe.
  • Nachteil: Wenn der Augapfel weiter wächst, zum Beispiel bei Heranwachsenden, kann es sein, dass die Linsen innerhalb einer gewissen Zeit aktualisiert werden müssen. „Das gleiche Problem hat man aber auch bei einer Brille oder Kontaktlinsen – da kann sich die Sehstärke auch jederzeit verändern“, ordnet Dr. Oliver Hoppe den Nachteil ein.

43 Millionen Erwachsene ab 16 Jahren von Sehschwäche betroffen

Das Institut für Demoskopie Allensbach führt regelmäßig im Auftrag des Kuratoriums Gutes Sehen (KGS) eine repräsentative Bevölkerungsumfrage zum Sehbewusstsein der Deutschen durch: 2022 haben 43 Millionen Erwachsene (ab 16 Jahren) in Deutschland eine Brille getragen, darunter 24,81 Millionen ständig und weitere 18,25 Millionen gelegentlich. Zusätzliche 3,74 Millionen Menschen haben Kontaktlinsen getragen. Der Anteil der Menschen mit Sehschwäche ist in Deutschland langfristig deutlich gewachsen.

Wie Kurz- und Weitsichtigkeitkeit entstehen, welche Augenkrankheiten häufig auftreten und ab wann man regelmäßig zur Kontrolle gehen sollte, lest ihr bei SWR Wissen.

Gesundheit Brille, Laser und OP – Warum wir schlechter sehen und was dagegen hilft

Wer in jungen Jahren viel liest, mit zu geringem Abstand zum Buch oder Bildschirm, erhöht das Risiko kurzsichtig zu werden. Starke Kurzsichtigkeit kann im Alter zu schweren Augenleiden führen.

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