SWR3-Bullshit-Rechner für Hamsterkäufe
Hamsterkäufe & Notvorrat: Sonnenblumenöl ist das neue Klopapier
Wir kennen das noch vom Beginn der Corona-Pandemie: Da war Klopapier zeitweise etwa so leicht zu finden wie gute Laune bei den Trollen in den Kommentarspalten auf Facebook. Nun hat die Angst vor den Auswirkungen des Ukraine-Kriegs und dessen Auswirkungen wieder dazu geführt, dass es leere Regale gibt. Regional ist das sehr unterschiedlich, wie uns die SWR3-Community zum Beispiel auf Instagram berichtet: Manchernorts gibt es schon länger kein Sonnenblumenöl mehr – anderswo liegen Menschen bereits seit Tagen auf der Lauer, um endlich auch mal einen berühmten Hamsterkäufer zu sichten. In Sachen Gags sind die Hamsterkäufe aber auf jeden Fall wieder in den Fokus gerückt:
Hamsterkäufe eskaliert: Streit um Speiseöl
Zugegeben: Man fragt sich manchmal, wer da eigentlich mehr als zwei Flaschen Sonnenblumenöl oder Packungen Mehl und Nudeln gekauft haben mag, wenn es doch scheinbar alle doof finden. Es gibt aber bereits Berichte zu Auseinandersetzungen vor den leeren Regalen. Beispielsweise in Asperg im Kreis Ludwigsburg: Dort wollte eine fünfköpfige Familie große Mengen Speiseöl kaufen. Als die Kassiererin den Großeinkauf untersagte, schrien zwei Männer der Gruppe sie an und bedrohten die Frau. Ein Supermarktmitarbeiter folgte der Familie, um die Männer zur Rede zu stellen, er nahm ein Nudelholz mit. Daraufhin bewaffneten sich die zwei Männer mit Ziersteinen aus einen Steinkübel. Der Supermarktmitarbeiter entschied sich für den Rückzug. Jetzt ermittelt die Polizei in diesem Fall.
„Hamsterkäufe sind völlig unsinnig“, sagen Experten
Egal welchen Experten man fragt: Hamsterkäufe sind nicht nur unsolidarisch, sondern machen in Deutschland aktuell auch wirklich keinen Sinn.
Zuvor hatte auch schon der Vizepräsident des Handelsverbandes Deutschland (HDE), Björn Fromm, im ZDF von Hamsterkäufen abgeraten: Trotz des russischen Ausfuhrstopps für Getreide werde es mittelfristig kein Problem mit der Getreideversorgung in Deutschland geben.
Wenn jeder kaufen würde, was er braucht, gäbe es sehr viel weniger und weniger starke Engpässe. Die können nämlich auch durch einen plötzlichen Sprung bei der Nachfrage entstehen, selbst wenn es keine Probleme mit den Importen aufgrund des Krieges gäbe. Und: Es ist nicht so, als hätte Deutschland gar keine eigene Landwirtschaft. Unterm Strich sei Deutschland beim Getreide nach wie vor Selbstversorger, so Guido Seedler, Referent des Deutschen Raiffeisenverbandes, zum Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Unbestritten ist zwar, dass insbesondere die Ukraine als „Kornkammer Europas“ bei den Getreide-Importen eine Lücke hinterlässt. Problematischer als für Menschen in Deutschland sei allerdings die Ernährungslage vor allem in afrikanischen Ländern sowie im asiatischen und arabischen Raum, so Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes, im Gespräch mit SWR3.
Weniger Engpässe beim Getreide durch geringeren Fleischkonsum
Diskutiert wird in diesem Zusammenhang auch die Frage, ob Problemen bei der Getreideversorgung vorgebeugt werden könnte, indem man den Fleischkonsum langfristig verringert. Denn in der Europäischen Union werden jährlich 196 Millionen Tonnen Getreide an Tiere verfüttert.
Sonnenblumenöl wegen Hamsterkäufen oft vergriffen
Tatsache ist: Gerade in Bezug auf Sonnenblumenöl gibt es wirklich Lieferengpässe. Laut dem Verband der ölsaatenverarbeitenden Industrie in Deutschland (OVID) deckt Deutschland 94 Prozent seines Bedarfs an Sonnenblumenöl aus Exporten. Gut drei Viertel der weltweiten Exporte an Sonnenblumenöl kommen aus der Ukraine und Russland, die Hälfte aller Exporte kommen aus der Ukraine. Das heißt: Nur sechs Prozent kommt aus der heimischen Produktion. Und selbst wenn sich die Lage im Krieg zwischen Russland und der Ukraine beruhigen würde, würde die Ernte in den zerstörten Regionen der Ukraine erst einmal ausfallen.
Folgen des Ukraine-Kriegs: Was bedeutet das für Deutschland?
Dennoch: Die Regale waren manchernorts so schnell leer, dass teilweise vermutlich eher Hamsterkäufe und das Anlegen von Notvorräten verantwortlich sind. In einigen Supermärkten hängen daher bereits Hinweisschilder aus, dass nur in begrenzter Stückzahl eingekauft werden darf.
Keine Probleme bei anderen Öl-Sorten, Chips, Mehl oder Nudeln
Die gesamte Branche warnt immer wieder ausdrücklich vor Panik: Momentan gebe es genügend Alternativen zu Sonnenblumenöl. Beispielsweise seien Rapsöl und andere Ölsorten ausreichend vorhanden, heißt es vom Verband ölsaatenverarbeitender Industrie: „Beim Rapsöl ist aktuell kein Versorgungsengpass zu sehen“, so ein Sprecher. Für weitere Lebensmittel und Hygieneartikel, die teilweise ebenfalls gehamstert werden, gibt es ebenfalls Entwarnung: Es gibt keine Probleme beispielsweise bei Chips, Mehl und Nudeln – und eigentlich auch nicht bei Klopapier.