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Ferdinand Vögele
Ferdinand Vögele

„Jetzt wird's aber langsam mal Zeit für Euch?!“ Kinderlos und Mitte 30 hat diesen „Ratschlag“ sicher schon mal jeder und jede gehört. Aber wann ist man heute überhaupt „zu alt“ für ein Baby? Zeit mit einigen Mythen aufzuräumen!

Irgendwann mal ein Kind haben – darüber denkt man mit Mitte zwanzig schon mal nach, aber häufig ist das Thema auch noch ganz weit weg. Schließlich bist Du nach der Ausbildung erst seit Kurzem im Beruf oder steckst noch mitten im Studium...

Irgendwann steht auf dem Geburtstagskuchen dann die Drei vorne – ein Kind zu bekommen ist aber trotzdem nicht ganz oben auf deiner Agenda. Vielleicht, weil du gerade frisch umgezogen bist, einen Arbeitsplatzwechsel hinter dir hast, vielleicht sogar frisch getrennt bist oder der/die Richtige einfach noch nicht vorbeigekommen ist. Und spätestens mit Mitte 30 gehen dann die „gut gemeinten“ Ratschläge von Freunden, Familie und Bekannten los, die wir nicht mehr hören können. Dabei nimmt gerade jetzt deine Karriere Fahrt auf, oder ihr wollt als Paar einfach noch ein bisschen die Zeit genießen, vielleicht ein Sabbatical nehmen. Das Problem: Das Ticken der biologischen Uhr wird nicht leiser. Aber muss man das heute noch so ernst nehmen? Kann man dank der Medizin nicht viel später ein Kind bekommen?

Wann bekommen Frauen Kinder? Die Statistik

Statistisch gesehen ist eine Frau in Deutschland bei der Geburt ihres ersten Kindes 30,2 Jahre alt. Zehn Jahre zuvor lag das Durchschnittsalter noch bei 29,0 Jahren. Der EU-Durchschnitt liegt derzeit bei 29,5 Jahren für die erste Geburt – wobei Frauen in Italien und Spanien am spätesten Mutter werden (31,6 Jahre). Europaweit geht der Trend zu immer späteren ersten Schwangerschaften.

Wann ist man zu alt, um Kinder zu bekommen?

Die gute Nachricht zuerst: Ja, die Grenzen haben sich verschoben, und man kann heutzutage deutlich später gesunde Kinder bekommen, erklärt Prof. Dr. Wolfgang Würfel vom Kinderwunsch Centrum München. Das liegt aber weniger an der Natur selbst als vielmehr an medizinischen Fortschritten wie künstlicher Befruchtung, Eizellen einfrieren, Leihmutterschaften und so weiter. Dann sind Schwangerschaften sogar noch mit 50 oder 55 möglich, sagt Würfel.

Das hängt zu großen Teilen auch damit zusammen, dass die Lebenserwartung der Menschen steigt, weil wir gesünder leben und länger vital sind, erklärt der Arzt. Und davon profitieren auch die ganz „klassischen“ Schwangerschaften, bei denen zuvor die eigenen Eizellen einer Frau durch Sex befruchtet wurden.

Anders gesagt: Frauen leben heute gesünder, der Körper bleibt länger vital und kann somit die Anstrengungen einer Schwangerschaft auch in späteren Jahren besser verkraften.

Späte Schwangerschaften waren auch schon früher möglich

Was Frauen, die erst spät ein Kind bekommen, auch zu Gute kommt, sind die vielen Fortschritte im Bereich der Schwangerschafts-Diagnostik, erklärt Würfel. Durch Ultraschall, Bluttests und weiteren Untersuchungen können schon früh Risiken erkannt werden und diesen teilweise auch entgegengewirkt werden. Schwangerschaftsdiabetes, Bluthochdruck, eine Unterversorgung der Plazenta oder Myome (meist gutartige Wucherungen) in der Gebärmutter gehören beispielsweise dazu. Früher hatte man diese Diagnostik nicht, sondern nur die Statistik. Und die besagt eben, dass die Risiken für Fehlgeburten, Frühgeburten, Missbildungen und Krankheiten ab einem bestimmten Alter häufiger auftreten.

Und trotz längerer Vitalität hat sich aus rein biologischer Sicht daran auch nicht so viel verändert, sagt Würfel – wir können aber besser (früher) erkennen und gegensteuern. Zur Wahrheit gehört auch, dass späte Schwangerschaften früher genauso möglich waren und auch vorkamen.

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Späte Schwangerschaft: Das zweite Kind ist meist unproblematischer

Beim zweiten Kind wird vieles einfacher“, sagt man gerne mal flapsig zu frischgebackenen Eltern. Und das stimmt auch teilweise für die nächste Schwangerschaft. Schwangerschaften sind eigentlich eine extreme Herausforderung für das Immunsystem, erklärt Würfel. Schließlich „verzahnen“ sich zwei fremde Lebewesen – also Baby und Mutter – dabei miteinander. Das Gute daran: „Jede Schwangerschaft hinterlässt im Immunsystem ein Gedächtnis“, so der Mediziner. Der Körper lernt sozusagen, wie Schwangerschaft geht und kriegt es beim nächsten Mal problemloser hin. Konkret bedeutet das, dass das Risiko für Frühgeburten oder Schwangerschaftsabgänge sinkt und Frauen, die schon ein oder mehrere Kinder bekommen haben, auch in höherem Alter schneller wieder schwanger werden können.

Es ist umso einfacher, schwanger zu werden, je öfter man geboren hat.

Wie viele Eizellen hat eine Frau?

Es gibt allerdings einen entscheidenden Faktor, der begrenzt, bis zu welchem Zeitpunkt Frauen Kinder bekommen können – zumindest auf ganz natürliche Weise. Und das ist die Anzahl der Eizellen. Ungefähr sechs bis sieben Millionen Eizellen bildet ein weiblicher Fötus, sagt Würfel: „Die liegen dann sozusagen auf Lager“. Mit Beginn der Periode und damit der Fruchtbarkeit haben Mädchen aber nur noch ein Zehntel dieser Zellen übrig. 90 Prozent sind schon verloren gegangen. „Pro Zyklus investiert der Eierstock dann bei jüngeren Frauen zwischen 1.000 und 1.500 Eizellen, um eine befruchtungsfähige Eizelle herauszubilden.“ Bei älteren Frauen sind es 500-750 Eizellen pro Zyklus. Rein rechnerisch kommt man dann so bis Mitte 40 – danach beginnen die Wechseljahre.

Um es also klar zu sagen: Die natürliche Fruchtbarkeit einer Frau ist endlich – und an dieser biologischen Tatsache kann auch die Medizin bislang wenig ändern.

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Kann ich die Qualität meiner Eizellen verbessern?

Doch nicht nur die Anzahl der Eizellen nimmt laut Würfel mit dem Alter der Frau ab, sondern auch die Qualität. Das heißt, dass diese häufiger genetische Fehler aufweisen, die beispielsweise zu Behinderungen des Kindes führen können. Deshalb steigt beispielsweise das Risiko für ein Down-Syndrom mit dem Alter an:
Wenn die Mutter 20 Jahre alt ist, liegt es bei 1 von 2000 Geburten. Mit 35 Jahren liegt es bei 1 von 365. Und mit 40 Jahren liegt es bei 1 von 100.

Das führt schnell zur Frage, ob man die Qualität der Eizellen optimieren kann – sie sozusagen jung halten kann. Die kurze Antwort darauf lautet: Das geht leider nicht. Genau dies sei eine Kernfrage der Fortpflanzungsforschung, so Würfel. Es gäbe zwar sehr viele unterschiedliche Forschungsansätze, aber keine etablierten Methoden – auch wenn manche Videos auf Social Media gerne etwas anderes behaupten. Was Nahrung, Vitamine und Spurenelemente dennoch mit Schwangerschaft zu tun haben, lest ihr weiter unten.

Und noch etwas wissen wir: Rauchen wirkt sich schlecht auf Qualität und Quantität der Eizellen aus. Deswegen sollte man schon vor dem Kinderwunsch besser damit aufhören.

Späte Schwangerschaft: Was muss ich beachten?

Wirklich anders verhalten müssen sich Frauen, die spät schwanger werden, verglichen mit jüngeren Frauen nicht, sagt Würfel. Es gelten die üblichen Dos and Don'ts:

  • Kein Nikotin
  • Kein Alkohol
  • möglichst viel bewegen
  • Übergewicht abbauen
  • auf gesunde Ernährung und einen gesunden Lebenswandel achten

Was allerdings bei späten Schwangerschaften laut Würfel sehr wichtig ist, sind die vielen Vorsorgeuntersuchungen, bei denen Frauenärzte größere Ultraschalls und immer wieder Blutuntersuchungen durchführen. Es geht darum, beispielsweise Schwangerschaftsdiabetes, Fehlbildungen, Schwangerschaftsvergiftungen oder eine Unterfunktion der Gebärmutter oder Plazenta möglichst früh festzustellen – und gegensteuern zu können. Kurz gesagt: Eine enge Begleitung durch die Frauenärztin oder den Frauenarzt ist bei einer späten Schwangerschaft besonders wichtig.

Welche Rolle spielt die Ernährung bei einer späten Schwangerschaft?

Auch hier gibt es keine wesentlichen Unterschiede zu einer Schwangerschaft in früheren Jahren: Wirklich vermeiden sollte man Nahrungsmittel mit Rohmilch, da diese Bakterien enthalten kann, die wiederum dem Kind schaden können.

Würfel empfiehlt während der Schwangerschaft möglichst vitaminreiche Lebensmittel zu sich zu nehmen. Eiweiße sind ebenfalls wichtig, genauso wie die Spurenelemente Jod und Folsäure. „Neuerdings empfiehlt man auch einen ausgeglichenen Vitamin-D-Stoffwechsel“, ergänzt der Arzt. Damit könnten wohl viele Schwangerschaftskomplikationen vermieden werden.

Auch eine Überernährung mit Kohlenhydraten sollte vermieden werden, denn sie begünstigen Schwangerschaftsdiabetes. Von großen Mengen an weißem Mehl und vielen Süßigkeiten sollte man also die Finger lassen. Kohlenhydrate seien auch gar nicht so wichtig für schwangere Frauen, sagt Würfel – Eiweiße, Aminosäuren, Vitamine und Spurenelemente dafür umso mehr.

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Brauche ich spezielle Medikamente oder Nahrungsergänzungsmittel, wenn ich spät schwanger werde?

Da geistere sehr viel durch die Medien, sagt Würfel. Doch eigentlich seien nur wenige Dinge wirklich wichtig:

  • Ein ausgeglichener Folsäure-Stoffwechsel
  • Jod (erforderlich für die kindliche Schilddrüse)
  • Neuerdings auch Vitamin D
  • In geringerem Maße auch Eisen (wichtig für die Blutbildung des Kindes)

Immer wieder angesprochen werden auch Omega-3-Fettsäuren, die sich positiv auf die Intelligenz des Kindes auswirken sollen. Und Omega-3-Fettsäuren werden tatsächlich viele positive Eigenschaften zugeschrieben – unter anderem für das Herz und bei chronischen Entzündungen. Ob Kinder damit aber wirklich intelligenter werden, ist laut Würfel fraglich.

Vom Bundesinstitut für Risikobewertung werden Folsäure-Präparate in der Schwangerschaft ausdrücklich empfohlen und viele Frauenärzte verschreiben diese ihren Patientinnen während der Schwangerschaft fast automatisch. Oft enthalten diese Tabletten dann ebenfalls Jod, Vitamin D und Eisen, sodass die oben genannten Punkte schon abgehakt sind.

WICHTIG: Man sollte als gesunder Mensch ohne erwiesenen Nährstoff-Mangel nicht einfach so Nahrungsergänzungsmittel zu sich nehmen. Einige können sinnvoll sein, viele sind aber einfach unnütze Geldverschwendung oder können im schlimmsten Fall sogar schaden. Sprecht im Zweifel immer mit eurem Arzt oder Ärztin, was wann sinnvoll ist. Gerade in der Schwangerschaft! Mit einer ausgeglichenen, abwechslungsreichen Ernährung habt ihr den wichtigsten Baustein schon gelegt.

Die Mitteleuropäerin [...] ist durch die Bank hervorragend ernährt. Sie ist ausgeglichen in ihrem gesamten Vitaminhaushalt.

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Mit 40 noch schwanger werden: Hat das auch Vorteile?

Späte Schwangerschaften haben laut Würfel eher psycho-soziale Vorteile. Eine Teenager-Schwangerschaft sei beispielsweise häufig eine extreme Belastung für die Frau und das Umfeld. Eine geplante Schwangerschaft in einer späteren Lebensphase hingegen, in der beide Partner beruflich, finanziell und gesellschaftlich „gesettelt“ sind, hat mit solchen Problemen meist nicht zu kämpfen, meint Würfel.

Sozial Freezing & Co.: Später Kinderwunsch mit Hilfe der Medizin machbar

Wenn auf natürliche Art und Weise keine Schwangerschaft möglich ist, gibt es mittlerweile verschiedene Alternativen. Hier die wichtigsten:

  • Künstliche Befruchtung: Hierbei werden Eizelle und Spermazellen eines Paars entnommen und im Labor miteinander „verschmolzen“. Das heißt, die Befruchtung findet außerhalb des Körpers statt. Anschließend wird der Embryo in die Gebärmutter der Frau eingeführt und sie trägt das Kind aus. Es gibt aber auch Methoden innerhalb des Körpers – etwa die „Optimierung“ des Spermas, dass dann in die Gebärmutter gegeben wird.
  • Embryonenspende: Bei der künstlichen Befruchtung kann es immer wieder vorkommen, dass mehr als ein Embryo erzeugt wird. In solch einem Fall werden diese dann eingefroren. Ist die künstliche Befruchtung erfolgreich, kann ein Paar sich entscheiden, diese einem anderen Paar mit Kinderwunsch zu spenden. Dies ist beispielsweise eine Möglichkeit, wenn beide Partner unfruchtbar sind, die Frau allerdings eine Schwangerschaft austragen kann. In Deutschland ist die Embryonenspende rechtlich zulässig.
  • Social Freezing: Dabei lässt eine Frau ihre eigenen Eizellen Jahre vor einer möglichen Schwangerschaft einfrieren und aufbewahren. Ist dann der Zeitpunkt für die Schwangerschaft gekommen, werden diese im Labor mit dem Samen des Mannes künstlich befruchtet und eingepflanzt. Der Vorteil dabei ist, dass die altersbedingte Abnahme der Quantität und Qualität der Eizellen so umgangen wird. Laut Würfel wird das Thema Social Freezing immer populärer – vor allem in Großstädten.
  • Eizellspende: Ähnlich wie bei einer Samenspende wird von einer fremden Frau eine Eizelle an eine Frau mit Kinderwunsch gespendet. Diese Eizelle wird im Labor mit dem Sperma des Mannes befruchtet und dann der Frau mit Kinderwunsch eingepflanzt. Die Eizellspende ist in Deutschland verboten. Die Ampel-Koalition denkt allerdings – wie bei bestimmten Fällen der Leihmutterschaft – über eine Legalisierung nach und hat eine Prüfung in den Koalitionsvertrag mit aufgenommen (S.92).

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