Hier ein bisschen Egoismus, da ein bisschen Gier, noch eine Prise Gehässigkeit und zum Schluss Narzissmus oder gar Sadismus – schlummert in jedem von uns das Böse und wenn ja, wie stark?
Auf diese spannende Frage versuchen Wissenschaftler der Uni Ulm, Kaiserslautern-Landau und Kopenhagen eine Antwort zu geben. Dafür haben sie die Theorie des D-Faktors entwickelt. „D“ steht dabei für „dark“, also dunkel und soll beschreiben, wie viel Dunkles in unserer Person liegt.
Morten Moshagen von der Uni Ulm erklärt in einer Pressemitteilung: „Kernbestandteil dieses dunklen Faktors der Persönlichkeit ist ein übertriebener Egoismus, der negative Auswirkungen auf andere oder die Gesellschaft im Allgemeinen hat. Dieser wird begleitet von Überzeugungen, die Schuldgefühle, Gewissensbisse und moralische Skrupel verhindern.“
Insgesamt hatten die Forscher mehr als 2.500 Menschen für ihre vierteilige Untersuchung befragt und mit ihnen auch Verhaltens-Experimente durchgeführt, schreibt die Uni Koblenz-Landau. Auf besonderes Interesse stößt allerdings ein Selbsttest, den die Forscher entwickelt haben.
Interview zum Dark-Faktor-Test bei SWR3 anhören
SWR3-Moderator Constantin Zöller hat mit einem der Forscher über den D-Faktor gesprochen:
Der D-Faktor: Diese dunklen Seiten gibt es in uns
Die Wissenschaftler verwenden dabei ein Modell mit insgesamt neun Persönlichkeitszügen, die im Allgemeinen negativ oder böse angesehenen werden:
- Egoismus
- Gier
- Machiavellismus (zynische Weltsicht und strategische Manipulation anderer)
- Moralische Enthemmung (kognitive Verarbeitungsmechanismen, die Gewissensbisse oder moralische Hemmungen verhindern)
- Narzissmus
- Ansprüchlichkeit (übertriebene Ansprüche und die feste Überzeugung, mehr Ansprüche als andere zu haben)
- Psychopathie (Defizite im Affekte und fehlende Impulskontrolle)
- Sadismus (grausames, erniedrigendes oder aggressives Verhalten, um sich selbst daran zu erfreuen oder Dominanz zu zeigen)
- Selbstbezogenheit (Empfindungslosigkeit gegenüber dem Leiden anderer)
- Gehässigkeit (Anderen für das eigene Vergnügen Schaden zufügen, selbst wenn es einem selbst schädigt)
Laut des Forscherteams würden sich praktisch alle diese Eigenschaften auf den D-Faktor als dunklen Persönlichkeitskern zurückführen lassen. So würden beispielsweise Menschen mit einer hohen Narzissmus-Tendenz mit großer Wahrscheinlichkeit auch ausgeprägte machiavellistische und psychopathische Persönlichkeitszüge zeigen. „Außerdem ist bei Menschen mit einem starken D-Faktor statistisch gesehen die Wahrscheinlichkeit hoch, kriminell oder gewalttätig zu werden oder anderwärtig gegen soziale Regeln zu verstoßen“, so die Forscher.
Das Böse und Schlechte in uns ist immer wieder Thema im SWR3-Podcast „Der Gangster, der Junkie und die Hure“. In dieser Folge hier ist beispielsweise der bekannte Kriminalbiologe Dr. Mark Benecke zu Gast:
Mach den Dark-Faktor-Test: Wie böse bin ich?
Persönlichkeitstest sind irgendwie immer reizvoll – früher hat man sie in der Bravo ausgefüllt, heute begegnen sie einem auf Social Media. Und auch für den D-Faktor haben die Forscher einen Selbsttest im Internet veröffentlicht, den jeder selbst kostenlos ausprobieren kann. Es gibt eine kurze und eine lange Variante mit 16 beziehungsweise 70 Aussagen auf Deutsch. Der Test dauert zwischen drei und 15 Minuten.
Der D-Faktor: Wie viel Böses steckt in mir? Mach den Selbsttest!
Die verschiedenen Aussagen kann man dann auf einer Skala von „Starke Ablehnung“ bis „Starke Zustimmung“ einordnen. Hier ein Auszug:
Kann ein Selbsttest wirklich bestimmen, wie viel Böses in mir steckt?
Ralf Kölbel aus der SWR3-Wissenschaftsredaktion kritisiert allerdings solch einen Selbsttest.
Wir haben die SWR-Wissenschaftsredaktion um eine unabhängige Einschätzung gebeten, wie aussagekräftig solch ein Selbsttest ist. Und hier äußerst Wissenschaftsredakteur Ralf Kölbel deutliche Kritik: Aus wissenschaftlicher Sicht sei das eher eine Spielerei, sagt er und sieht zwei konkrete Probleme:
- Häufig sind wir nicht gut darin, uns selbst einzuschätzen. „Kann man wirklich so gut einschätzen, wie stark ausgeprägt unsere negativen Eigenschaften sind,“ fragt Kölbel. Er hält es für sinnvoller, Mitmenschen über die eigenen negativen Seiten zu befragen, denn nicht selten liegen Eigenwahrnehmung und Fremdwahrnehmung auseinander.
- Der größere Kritikpunkt ist allerdings das Problem der Ehrlichkeit beziehungsweise das Problem sozial erwünschter Antworten – auch bei einer anonymen Umfrage wie dieser. Wer würde schon einer Aussage wie „Wenn ich genervt bin, fühle ich mich besser, wenn ich andere quäle“ seine volle Zustimmung erteilen? Gerade weil konkret negative Eigenschaften abgefragt werden, spiele hier der Faktor der sozialen Erwünschtheit hinein, so Kölbel.
Kölbel sieht den Test damit als wenig aussagekräftig an. Weder bei einem hohen noch bei einem niedrigen Dark-Faktor.
Ausprobieren kann man den Selbsttest natürlich trotzdem. Was kommt bei euch raus und glaubt ihr, dass der Test einem wirklich etwas über seine Persönlichkeit verraten kann? Sagt es uns in den Kommentaren!
Hatice Schmidt wächst im Berliner Problembezirk Neukölln auf und ihr Schulalltag ist von Gewalt geprägt. Sie hat unfassbare Angst und muss selbst aggressiv auftreten, um sich zu schützen. Bis ein brutaler Moment alles ändert. In unserem SWR3-Podcast „Die Schule brennt“ erzählt sie von ihrem Auswege aus der Gewalt.
Woher kommt das Böse in uns? Umwelt, Gene, Erfahrungen?
Kann ein Mensch als Täter geboren werden? Welche Rolle spielen genetische Veranlagungen? Wie wird ein Mensch zum Verbrecher? Mit Kriminalpsychologin Lydia Benecke haben wir dazu einen Faktencheck gemacht. Denn immer wieder gibt es Studien, die sagen, dass bestimmt Gene oder Umweltfaktoren – beispielsweise das Erleben von Gewalt in der Familie – zu Gewalt führen sollen.
Benecke sagt allerdings: „Menschen sind sehr viel komplexer als nur Umwelt oder nur Gene. In Wirklichkeit sind wir das Produkt von komplexen Wechselwirkungen aus biologischen Faktoren und Umweltfaktoren.“ Gewalt- und Missbrauchserfahrungen können ein kleines Steinchen in einem großen Mosaik sein, sie führen aber nicht automatisch dazu, dass ein Opfer zum Täter wird. Studien, die bestimmte Gene oder Hormone gefunden haben wollen, wurden immer wieder widerlegt.
Bei einem zurechnungsfähigen Menschen gibt es aber laut Benecke einen entscheidenden Faktor: die eigene Entscheidung. Ein zurechnungsfähiger Mensch werde nicht zum Straftäter, ohne eine Entscheidung zu treffen, so Benecke.
Der Neuropsychologe Thomas Elbert von der Uni Konstanz forscht seit Jahren zum Thema Gewalt und der Lust an Gewalt. Immer wieder ist der dafür in Kriegsgebiete gereist und hat mit Soldaten und Kämpfern gesprochen. Seiner Meinung spielt unser evolutionäres Erbe des Jagens eine Rolle. Um als steinzeitlicher Jäger ein großes Tier zu erlegen, brauche es eine Lust am Jagen, um die Schmerzen und Anstrengungen auszuhalten, sagt Elbert. Zumindest jeder Mann hätte dazu die Veranlagung. Unsere Kollegen von Quarks und Co. haben mit ihm gesprochen.