Hinweis: In diesem Artikel gibt es Nacherzählungen von Gewalt gegenüber einem Kind. Wenn dich dieses Thema triggern könnte, überspringe den Artikel oder lies ihn nicht alleine. Hilfsangebote für Betroffene und Angehörige findest du hier.
Eine von ihnen ist Susanna. Im Podcast „Der Gangster, der Junkie und die Hure“ erzählt die heute 30-Jährige von ihren Erfahrungen als Kind und Jugendliche, die häufig von körperlicher Gewalt geprägt waren – und das bereits vor ihrer Geburt.
- Susanna: Prügel bereits im Mutterleib
- Gewalt an Kindern – so kannst du helfen!
- Hier findest du Hilfe für Opfer und Angehörige
Prügel bereits im Mutterleib
Vieles, worüber sie spricht, weiß sie von ihrer Mutter, ihr selbst würden viele Erinnerungen fehlen, sagt Susanna. Die heute 30-Jährige erzählt im SWR3-Podcast ihre Geschichte, die sehr eng mit der Geschichte und den Erlebnissen ihrer Mutter verbunden ist.
Auch ihre ersten Gewalterfahrungen erlebt Susanna gewissermaßen mit ihrer Mutter – genauer gesagt in ihr. „Ich habe schon körperliche Gewalt erfahren, bevor ich überhaupt geboren wurde“, erzählt Susanna.
Der Grund: Bereits während der Schwangerschaft wird Susannas Mutter von ihrem Vater verprügelt.
Häusliche Gewalt: Kein Entkommen
Auch nachdem sich Susannas Mutter nach vielen Jahren des Missbrauchs von ihrem Vater trennt und mit ihrer Tochter ins Frauenhaus flieht, werden die beiden immer wieder von Susannas Vater gefunden:
„Weihnachten ist mein Vater immer ganz schrecklich ausgeflippt“
Für Susannas Mutter waren das Momente des Schreckens. Susanna selbst hat die Besuche ihres Vaters allerdings nicht nur in negativer Erinnerung. Sie liebte ihren Vater und wollte Zeit mit ihm verbringen. Ihre Mutter erlaubte den Kontakt und so verbrachte Susanna ihre Wochenenden oft bei ihrem Papa.
Es dauerte allerdings nicht lange, bis sich die Gewalt des Vaters auch gegen Susanna richtete – oftmals verborgen vor den Augen der Öffentlichkeit.
Hilfsangebote Gewalt gegen Frauen gestiegen: „Das ist ein Stück Hilflosigkeit“
141.792 Menschen sind 2019 in Deutschland Opfer von partnerschaftlicher Gewalt geworden. Mord, Totschlag, Vergewaltigung, Stalking – die Liste ist lang. Die Corona-Pandemie hat die Situation verschärft. So kannst du dich informieren und helfen.
„Wenn du nicht machst, was ich sag, lass ich los!“
In einer Szene, an die sich Susanna noch deutlich erinnert, packte ihr Vater sie am Hals und hielt sie daran mit der Drohung aus dem Fenster: „Wenn du nicht machst, was ich sag, lass ich los!“ Trotz Erinnerungen wie dieser hat Susanna auch positive Erinnerungen an ihren Papa: „Er konnte auch sehr nett und charmant sein!“
Seine gute Seite, erzählt sie, zeigte er beispielsweise, wenn sie sonntagmorgens zusammen auf der Couch kuschelten, wenn sie im Wald spazieren waren und er mit ihr Pilze sammelte, während er ihr die Bäume und Tiere des Waldes erklärte.
Dass diese Ambivalenz häufig vorkommt, weiß Kathinka Beckmann. Sie ist Professorin für Kinder- und Jugendhilfe und lehrt zu den Themen Kinderschutz und Gewalt gegen Kinder an der Hochschule Koblenz.
Sie erklärt, dass bei vielen Tätern auf deren Gewaltausbrüche oftmals Schuldgefühle sowie Geschenke und Belohnungen für die Kinder folgen:
Vor ihrer Mutter hielt Susanna den Missbrauch geheim. „Meine Mutter hat regelmäßig gefragt, ob alles okay ist und ich hab gesagt: Ja, ich geh gern zum Papa.“
SWR3-Report: „Gewalt Zuhause“ Der Weg aus der häuslichen Gewalt: Eine Anwältin klärt auf
Wer in einer Partnerschaft Gewalt erfährt, kann Hilfe bekommen – sowohl schnell in einer Gefahrensituation als auch langfristig. Welche Möglichkeiten Betroffene haben, erklärt die Anwältin Juliane Hilbricht.
Erinnerungen, die unter die Haut gehen
Mit 12 brach Susanna den Kontakt mit ihrem Vater ab, als sie 14 war, verstarb er. Die ambivalenten Erinnerungen an ihn trägt sie heute sogar als Tattoo unter der Haut. Das Motiv: Lilien – die Grabblumen ihres Vaters. „Ich wollte irgendetwas haben, das mich an ihn erinnert. [...] Mit diesem Tattoo habe ich versucht, abzuschließen.“
Noch heute fühlt sich Susanna unwohl in Situationen, die sie nicht überblicken kann. Im Restaurant sitzt sie gerne an der Wand mit Blick in den Raum, bei Freunden zuhause hatte sie lange Zeit Angst, etwas falsch zu machen, gegen die „Hausregeln“ zu verstoßen, erzählt sie. Trotzdem blickt sie optimistisch in die Zukunft:
Eine tolle Einstellung und eine starke Frau, finden auch unsere Podcast-Hosts. ❤ Die ganze Geschichte von Susanna hört ihr im Podcast „Der Gangster, der Junkie und die Hure“ auf SWR3.de, in der ARD Audiothek und überall, wo es Podcasts gibt.
Der Gangster, der Junkie und die Herrin
Gewalt an Kindern: 3 Tipps, wie du helfen kannst
Oft bleibt Gewalt gegen Kinder lange unerkannt – Gewalt hat viele Gesichter, nicht immer gibt es sichtbare, körperliche Wunden. Umso wichtiger ist es, sich für das Thema zu sensibilisieren, um im Ernstfall aktiv werden zu können. Wir haben Tipps dazu von Beratungsstellen und Fachpersonal gesammelt.
1. Sei aufmerksam
Die Polizei-Beratung fasst auf ihrer Website Merkmale zusammen, die auf Gewalt oder Vernachlässigung bei Kindern hinweisen können.
Bei physischer Gewalt gibt es häufig körperliche Anzeichen wie Blutergüsse oder Wunden. Für psychischen Missbrauch gibt es häufig keine sichtbaren Merkmale. Daher ist es umso wichtiger, mögliche Verhaltensänderungen des Kindes aufmerksam zu beobachten:
- Zieht sich das Kind plötzlich zurück?
- Ist es auf einmal ungewöhnlich aggressiv oder ruhig?
- Gibt es andere Anzeichen – beispielsweise Sprachstörungen oder Bettnässen?
Fremde Kinder maßregeln, wenn sie nerven – geht oder geht gar nicht?
2. Höre gut zu
Höre zu, wenn Kinder von Gewalt zu Hause erzählen – und vor allem: Nimm die Kinder und ihre Schilderungen ernst! Oft kann es hilfreich sein, keinen Druck auf das Kind auszuüben, sondern Ruhe und Sicherheit zu vermitteln und erstmal einfach zuzuhören.
3. Wende dich an Fachstellen
Bei Verdacht auf Kindesmisshandlung ist rasches Eingreifen gefragt! Handle nicht selbst, sondern überlasse die weitere Abklärung und erforderliche Interventionen Fachleuten, wie zum Beispiel Beratungsstellen, dem Jugendamt und der Polizei.