Schon die erste Szene schockiert
Der freundliche alte Herr Claasen steht von seinem Lieblingssessel auf, geht ins Schlafzimmer und erstickt seine alzheimerkranke Frau mit einem Kissen.
Danach versucht er sich mit Tabletten selbst zu vergiften und alarmiert die Polizei.
Schon jetzt ist klar, um welchen „toten Winkel“ es in diesem Krimi geht: Um das Drama Altwerden in Deutschland, um Pflege, die immer unbezahlbarer wird.
Harte Themen aus der Realität
Hier geht es nicht um einen klassischen Krimi, um akribische Ermittlungsarbeit oder durchgeknallte Mörder. Hier geht’s um das echte Leben. Der tote Winkel: Pflegekatastrophe wird ausgeleuchtet wie in einer Dokumentation.
Neben der Tragödie um den alten Herrn Claasen geht es unter anderem auch um die Geschichte von Frau Jansen, die an der Pflege ihrer dementen Mutter zu zerbrechen droht. Einerseits liebt sie sie, andererseits kann sie deren unkontrollierbare Wutausbrüche kaum mehr ertragen.
Schicksale, die unter die Haut gehen, weil sie an ein gesamtgesellschaftliches Versagen erinnern: An bürokratische Gutachter, bizarre Einstufungsmodelle, an Pflegekräfte, die in Minutenzyklen von einem Patienten zum nächsten hetzen und zwischen Bettpfanne und Medikamenten-Schachteln eigentlich doch nie da sind.
Eine Tabuzone, an der auch die Kommissare Lürsen und Stedefreund am liebsten vorbei kucken würden - wenn sie denn könnten.
Bedrückend und bewegend
Man muss den Bremer Tatort-Machern dankbar sein, dass sie sich an dieses Thema heran gewagt haben und die traurigen Geschichten so nüchtern und gleichzeitig intensiv und ohne Pathos erzählen. Der Film kommt dabei (fast) ohne musikalische Untermalung aus - das spricht für sich.
Es gibt zwar noch eine weitere Leiche, einen klassischen Tatort-Mord rund um Kassen-Betrug und Pflege-Abzocke. Das wirkt allerdings sehr gezwungen, fast überflüssig. Als wäre man dem Genre Krimi zwanghaft einen zusätzlichen echten Mord schuldig. Von mir aus hätte man gerne drauf verzichten können. Trotzdem: vier von fünf Elchen.