














Lieber Jens Stellbrink, jetzt an Weihnachten kann ich es dir ja mal sagen: Ich habe dich immer verteidigt, mich vor dich und dein Saarbrücker Team gestellt. Und was macht ihr? Ihr lasst mich hängen. Zugegeben. Ja, ich bin fürchterlich zusammengezuckt beim Aufprall der Frau auf das Auto. Und das, obwohl ich es doch geahnt habe, dass es gleich knallt.
Lösegeldforderung auf dem Weihnachtsmarkt

In der irrigen Annahme, dass jetzt ein Krimi folgt, habe ich auch gespannt weiter geschaut. Der Unfallfahrer, ein Nachtclubbesitzer, ist ja einfach weitergefahren. Ich weiß, es ist böse, das Folgende jetzt als drollig zu bezeichnen. Dir wird auf dem Weihnachtsmarkt erst die Brieftasche und dann der Weihnachtsbaum gestohlen. Dann der drollige Anruf des Erpressers mit Alienmaske beim Nachtclubbesitzer. Mit elektronisch verfremdeter Stimme fordert er das Lösegeld. Abholen will er es auf dem Weihnachtsmarkt. Passend zum Sendetermin wird der Erpresser später mit der Christbaumbeleuchtung erdrosselt und sein Kumpel wird verdächtigt.
Tatort als schlecht adaptierte Weihnachtsgeschichte

So, und dann kommt langsam raus, dass das Drehbuch zu diesem Tatort schon 2014 Jahre alt ist. Die Hauptfiguren, ein junger Taxifahrer, den wir bislang nur als Kumpel des ermordeten Erpressers kennen, stellt sich als Jupp vor, der eigentlich Josef heißt. Auf dem Beifahrersitz seines Taxis entdeckt die Spurensicherung Fruchtwasser. Das heißt, der Jupp/Josef war mit einer Hochschwangeren unterwegs, um die er sich rührend kümmert. Diese hochschwangere junge Frau heißt Maria. Maria und Josef sind beide unabhängig voneinander auf der Flucht und suchen einen Unterschlupf. Josef sucht verzweifelt nach einer Hebamme und die ahnt auch gleich, warum er sie auf der Straße abpasst. „Ausländerin, illegal, keine Papiere“, folgert sie und Jupp/Josef fleht sie an: „Bitte helfen Sie uns, Sie sind die dritte Hebamme, die ich frage.“ Und wo kriegt Maria ihr Kind? Nein Jupp, bitte nicht. Da öffnet er schon die Tür zu einer verlassenen Scheune. Wahrscheinlich nur aus Gründen des Tierschutzes stehen Ochs und Esel nicht staunend neben den Strohballen, als die Tür aufgeht.
Eine Frage des Geschmacks

Ich war mir irgendwann nicht mehr sicher, was ich da anschaue. Ein Tatort gemischt mit Weihnachtsgeschichte und rührenden Momenten, in denen ich ansonsten sofort zu weinen beginne. Aber ich war mir nicht sicher, ob ich das soll.
Lieber Jens Stellbrink und Team: Es war eine nette Idee mit der Weihnachtsgeschichte und vielleicht bin ich auch der falsche Adressat. Möglicherweise, ja, ich bin mir fast sicher, gibt es Menschen, die das witzig finden und ja, ein Tatort an Weihnachten darf auch mal anders sein.