Die Ermittler waren bereits davon ausgegangen, dass es sich bei der Kinderleiche, die auf einer Wiese im Norden Niedersachsens gefunden worden war, um den vermissten Autisten handelte. Ein DNA-Abgleich von Rechtsmedizinern habe nun letzte Gewissheit gebracht, teilten die Polizei in Rotenburg an der Wümme und die Staatsanwaltschaft Stade am Donnerstagnachmittag mit.
Schon vorab teilten Staatsanwaltschaft und Polizei am Donnerstagvormittag mit, an der Kinderleiche seien „keinerlei Anhaltspunkte für strafbare Handlungen festgestellt“ worden. Von einem Verbrechen waren die Ermittler allerdings von Anfang an nicht ausgegangen. Die Todesursache nannten die Ermittler zum Schutz der Familie nicht.
Landwirt findet Kinderleiche auf Wiese
Mehr als tausend Menschen hatten in der Woche nach dem 22. April nach Arian gesucht. Sie haben alle denkbaren technischen Mittel und selbst Spielzeugnester eingesetzt, um ihn zu finden oder anzulocken.
Am Montagnachmittag (24. Juni) hatte ein Landwirt im Norden von Niedersachsen bei Mäharbeiten ein totes Kind gefunden. Er hatte eigenen Angaben zufolge das auffällige gelbe T-Shirt wiedererkannt, das Arian am Tag seines Verschwindens angehabt haben soll. Die Polizei wollte zunächst nicht bestätigen, dass das tote Kind dieses T-Shirt trug.
Doch auch sie hielten es für sehr wahrscheinlich, dass es Arian sein könnte, der sechsjährige autistische Junge, der im niedersächsischen Kreis Stade aus seinem Elternhaus spaziert und nicht zurückgekommen ist.
Eine wichtige Frage der Ermittler: Warum wurde Arian trotz des riesigen Aufwands nicht gefunden?
Die Obduktion des Leichnams sollte zudem klären, wann und woran er gestorben ist. Das ist dem Sprecher zufolge auch mit Blick auf die Aufarbeitung der großangelegten Suche nach Arian wichtig, denn der Fundort der Leiche liegt nur wenige Kilometer entfernt vom Wohnort des Jungen.
Die Gegend dort war mehrfach von Einsatzkräften abgesucht worden. Die Polizei will die Suche rekonstruieren, um herauszufinden, warum Arian nicht gefunden wurde.
Landkreis suchte Arian eine Woche lang intensiv - das war der Stand Ende April:
Eine Woche hatte ein ganzer Landkreis nach Arian gesucht. Zeitweilig waren bis zu 1.200 Menschen beteiligt. Auch danach gab es Suchaktionen. Dann war die aktive Suche eingestellt worden. Der autistische Junge war aus dem Haus seiner Eltern gelaufen und danach verschwunden:
Nachbar: Es gibt niemanden, der nicht nach Arian guckt
„Wir hatten gedacht, wir finden ihn“, sagte der Sprecher damals. Die Ermittler gingen weiter von einem Vermisstenfall aus. „Man kann diese hohen Suchmaßnahmen nicht permanent aufrechterhalten.“ Die Polizei hatte viele Tipps bekommen, etwas Konkretes sei allerdings nicht dabei gewesen.
„Die Betroffenheit ist riesengroß“, sagte Anwohner Hans-Hermann Tiedemann. „Es gibt niemanden, der – wenn er irgendwo ist – nicht guckt“, sagte er mit Blick auf die Menschen in dem Ortsteil. Alle suchten irgendwie weiter. Es sei unverständlich, dass der Junge trotz der so schnell begonnenen, großen Suche nicht gefunden wurde.
Polizei: Aktive Suche nach vermisstem Arian wird eingestellt
Es werde nicht mehr flächendeckend, sondern gezielt und „anlassbezogen“ gesucht, etwa wenn es neue Hinweise oder „Ideen“ gebe, hatte es danach vom Pressesprecher der Polizei geheißen. Auch die Bundeswehrsoldaten waren abgezogen. Es werde nur noch punktuell nach dem autistischen Jungen gesucht.
Eine neue fünfköpfige Ermittlungsgruppe mit Experten für Vermisstenfälle koordinierte danach das Vorgehen. Weiter hieß es: „Wir gehen jetzt von der Einsatz- in die Ermittlungsphase über.“ Arians Familie sei über das Vorgehen unterrichtet und werde engmaschig durch die Notfallseelsorge, Polizei und Angehörige betreut.
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) bedankte sich bei den Einsatzkräften. „Dies ist auch für sie ein schwieriger Einsatz – dessen bin ich mir bewusst“, sagte Weil. Und er betonte, die Suchaktion sei ein eindrucksvolles Beispiel für Mitgefühl und Zusammenhalt.
1.200 Helfer: Größte Suchaktion nach Arian ohne Erfolg
Am 28. April durchsuchten rund 1.200 Helferinnen und Helfer das Gebiet nördlich von Arians Wohnort Bremervörde-Elm. Dabei bildeten 800 von ihnen eine 1,5 Kilometer breite Menschenkette, die bis zum Abend in Richtung Elm das Gebiet durchstreifte. Auch weitere Boote und Drohnen waren im Einsatz, dazu noch eine Reiterstaffel. „Die große Anzahl an Kräften, die wir heute nochmal haben, zeigt, dass wir immer noch die Hoffnung haben“, sagte eine Sprecherin der Polizei.
Suche nach Arian: „Aufgeben ist für uns noch keine Option“
Aufgeben war für die Polizei und die Helfer vor Ort aber keine Option. Man hatte weiter Hoffnung, Arian lebend zu finden. „Wir suchen weiter Tag und Nacht“, sagte die Sprecherin. Auf Social Media kursierten teilweise Videos, die den Anschein erweckten, Arian sei inzwischen gefunden worden. Das war allerdings leider nicht wahr.
Arian verschwand nur mit Sweater, Jogginghose und Socken
Seit 22. April war Arian um seinen Wohnort Bremervörde herum unterwegs. Er hat in dieser Zeit wahrscheinlich nichts gegessen und nichts getrunken. Auch die kalten Nächte waren eine riesige Gefahr: Arian trug nur einen Sweater, Jogginghose und Socken. Die private Überwachungskamera eines Nachbarn hatte am 22. April aufgenommen, wie er gegen 19:15 Uhr mit einem Stöckchen spielt und dabei die Stadt in Richtung eines Waldgebietes verlässt. Seitdem fehlte von ihm jede Spur.
Behörden versuchten, Arian mit „leiser Strategie“ zu finden
Am Freitag nach seinem Verschwinden (26. April) hatten Helferinnen und Helfer die Taktik geändert. Statt mit grellem Licht, Feuerwerk und lauter Musik (siehe weiter unten) suchten rund 200 Soldaten der Bundeswehr mit einer „leisen Strategie“ nach Arian – also in kleinen Gruppen und mit Nachtsichtgeräten.
Botschaften von Arians Mutter sollten ihm die Angst vor der Polizei nehmen
Bei der Suche waren auch Botschaften von Arians Mutter abgespielt worden. Darin erlaubte sie ihm, sich an Einsatzkräfte zu wenden, wie die Ergotherapeutin Jutta Bertholdt einen Tag später der dpa berichtete. Bertholdt beriet die Helfer während der Suche.
Arian könne ohne die Erlaubnis einer Vertrauensperson vor einer Kontaktaufnahme mit Einsatzkräften zurückschrecken. Menschen mit Autismus seien Regeln vergleichsweise wichtig, sagte Bertholdt. Sie lobte, dass an allen Orten gesucht werde. Das sei richtig, denn es könne sein, dass Arian als Autist anders als Altersgenossen keine Angst etwa vor dem dunklen Wald habe. Laut Polizei war es „durchaus möglich, dass sich der Junge auch hin und her bewegt“. Darum müsse man manche Orte mehrmals durchsuchen.
Luftballons, Lichtkegel und Kinderlieder sollten Arian anlocken
Am Mittwoch (24. April) hatten die Helfer und Helferinnen die Landschaft mit Dingen gespickt, die Arian mag: auffallend bunte Luftballons, Gummibärchen und Schokolade. Das alles hatte die Feuerwehr in den Feldern und Wäldern, die an das Zuhause des Jungen angrenzen, auf Wunsch der Eltern aufgehängt. Drumherum und im Wald positionierten die Helfer Wildkameras, die ihn entdecken sollen. In der Nacht zu Donnerstag wurde sogar ein Feuerwerk abgebrannt, weil Arian Feuerwerke mag.
Freitagnacht wurden laut Kinderlieder gespielt und sogenannte Skybeamer genutzt. Das sind Scheinwerfer, die einen Lichtkegel in den Himmel projizieren, wie die Polizei mitteilte. Auch die sollten Anreize für den vermissten Jungen setzen, die Orte aufzusuchen.
Experte in SWR3: „Da wird schon sehr viel richtig gemacht“
Fabian Diekmann ist vom Bundesverband zur Förderung von Menschen mit Autismus hält die Suchmethode für ziemlich gut. Im Interview mit SWR3 sagte er auch, was man tun sollte, wenn man den Jungen entdeckt:
Suche nach Arian: Die Behörden haben alles aufgefahren, was sie hatten
Auch Tornado-Jets, Hubschrauber mit Wärmebildkameras und Drohnen waren im Einsatz. Polizeitaucher suchten am Mittwoch den Fluss Oste in der Nähe des Wohnhauses ab. Polizisten sind den Fluss auch mit einem Sonarboot abgefahren:
Arians Eltern: Bitte Plätze, die wie eine Höhle wirken, absuchen!
Auf einem Facebook-Post, der wohl von Arians Eltern stammt, wurden die Menschen in der Gegend gebeten, ihre Höfe, Häuser, Gartenlauben, Garagen und Keller abzusuchen. „Auch wenn ihr spazieren geht, könnt ihr auf Hochsitzen, Bushaltestellen oder Plätzen, die wie eine Höhle wirken können, nach Arian schauen“, hieß es da unter anderem.
„Außerdem bitten wir diejenigen, deren Grundstücke an Wälder, Wiesen oder Felder grenzen, Spielzeuge an euren Zäunen zu befestigen oder an einem Baum, den ihr gut sehen könnt, damit ihr es auch bemerkt, wenn Arian euch besucht.“ Die Sachen sollten aber so befestigt werden, dass Arian nicht über eine Straße laufen müsse, um sie zu erreichen.