- Trump-Anhänger stürmen US-Kapitol
- Insgesamt fünf Tote
- Biden spricht von Angriff auf Demokratie
- Kongress hat Arbeit wieder aufgenommen
Polizei: Vier Tote beim Sturm aufs US-Kapitol
Bei den Unruhen am US-Kapitol sind nach Angaben der Polizei fünf Menschen gestorben. Eine Frau – offenbar eine Trump-Anhängerin – wurde beim Eindringen ins Kapitol demnach angeschossen und erlag wenig später ihren Verletzungen.
Die Polizei hat auch bestätigt, dass drei weitere Personen durch medizinische Notfälle gestorben seien. „Eine erwachsene Frau und zwei erwachsene Männer scheinen an unterschiedlichen medizinischen Notfällen gelitten zu haben, die zu ihrem Tod führten“, hieß es.
Ein Polizist sei zudem bei Auseinandersetzungen mit Trump-Anhängern verletzt worden. Nach seiner Rückkehr aufs Revier sei er zusammengebrochen und später gestorben. Bei den Zusammenstößen seien außerdem mindestens 14 Polizisten verletzt worden, zwei davon schwer. Mehr als 50 Menschen seien festgenommen worden. Die Polizei hat zudem Rohrbomben, Waffen und Molotow-Cocktails gefunden.
Washington: Der Sturm der Trump-Anhänger aufs US-Kapitol
Senat und Repräsentantenhaus waren am Mittwoch in Washington zusammengekommen, um den Wahlsieg Joe Bidens zum US-Präsidenten zu bestätigen — eigentlich eine Formalie. Anhänger des abgewählten Präsidenten Donald Trump hatten dann aber das Kapitol gestürmt. Auf Fernsehbildern war zu sehen, wie Randalierer Scheiben zerschlugen, sich so Zugang zum Gebäude verschafften und auch in Abgeordnetenbüros eindrangen.
Einen Polizisten trieben die Demonstranten buchstäblich vor sich her:
Die Sitzungen wurden darauf unterbrochen — die Polizei evakuierte Büros und brachte Abgeordnete in Sicherheit:
Auch die künftige Vize-Präsidentin Kamala Harris wurde während der Erstürmung einem Mitarbeiter zufolge in Sicherheit gebracht. Der Ort wurde geheim gehalten.
Hier Bilder von CNN, die Szenen der Erstürmung zeigen:
Die Polizei war offenbar überfordert und wurde buchstäblich überrannt. Viele fragten einen Tag später, wie sie so schlecht hatte vorbereitet sein können, nachdem schon zuvor klar gewesen war, das Unruhen an diesem Tag eher wahrscheinlich als unwahrscheinlich sein würden.
Ein Twitteruser postete dieses Video unbekannter Herkunft – es zeige, wie Polizisten zuließen, dass die „Terroristen“ im Innern des Gebäudes Selfies mit ihnen machten:
Auf etlichen Aufnahmen war zu sehen, wie die Eindringlinge praktisch ungehindert durchs Gebäude flanieren und es anschließend offenbar unbehellligt wieder verlassen konnten:
Unruhen ums Kapitol dauerten fast vier Stunden
Erst nach fast vierstündigen Unruhen erklärten die Sicherheitsbehörden die gewaltsame Besetzung des Kapitols für beendet. „Das Kapitol ist gesichert“, hieß es in einer Durchsage für die noch im Repräsentantenhaus verbliebenen Abgeordneten. In dem abgeriegelten Raum, in dem sie ausharrten, brandete Applaus auf. Kurz darauf nahm der Kongress seine Arbeit wieder auf.
Die Abgeordneten wurden von Sicherheitskräften begleitet, als sie in den Parlamentssaal zurückkehrten. Man wolle nach den Ereignissen die offizielle Bestätigung des Wahlergebnisses fortsetzen, teilte die Präsidentin der Kongresskammer, Nancy Pelosi, mit. Man werde die Sache „zu Ende bringen“.
Republikanische Senatoren geben Widerstand gegen Biden auf
Noch am selben Abend erklärten mehrere republikanische Senatoren, sie wollten sich nun nicht länger gegen den Wahlsieg von Joe Biden stemmen: Die Volksvertreter Steve Daines aus Montana, Mike Braun aus Indiana und Kelly Loeffler aus Georgia erklärten, sie würden im Angesicht der Gewalt von ihren geplanten Einsprüchen gegen die Beglaubigung des Wahlergebnisses absehen. Am kommenden Tag schlossen sich immer mehr Republikaner an.
Randalierer schafften es im Kapitol bis in Abgeordnetenbüros
Zuvor war die Polizei mit Blendgranaten und Tränengas gegen Anhänger des scheidenden US-Präsidenten Trump vorgegangen, die das Gebäude erstürmt hatten. Auf mehreren TV-Sendern waren Bilder von zivil gekleideten Sicherheitskräften des Secret Service mit Pistolen im Innern des Kapitols zu sehen, die den Sitzungssaal des Senats bewachten und auf Leute anlegten, die versuchten, einzudringen:
Auch vor dem Gebäude gerieten Polizisten immer wieder mit gewaltbereiten Trump-Unterstützern aneinander. Schwer bewaffnete Polizisten bahnten sich in voller Bereitschaftsausrüstung und mit Gasmasken ihren Weg über das Gelände und vertrieben die Menge. Auch die Nationalgarde und andere Sicherheitskräfte waren ans Kapitol gerufen worden – von Trump selbst, hieß es zunächst. Einen Tag später meldete CNN, es sei Viezepräsident Mike Pence gewesen. Trump habe sich geweigert.
Trump stachelte zum Marsch auf den Kongress auf
Kurz vor dem Start der Kongresssitzung war Trump nahe dem Kapitol vor seinen Anhängern aufgetreten, hatte wie immer unbelegte Wahlbetrugsbehauptungen von sich gegeben. Dabei rief er seine Unterstützer auf, zum Kapitol zu ziehen. Sie dürften sich den „Diebstahl“ der Wahl nicht gefallen lassen. Er versprach: „Das wird wild“ und dass er dabei sein werde. Die folgten seinem Aufruf.
Nach Ausbruch der Unruhen rief Trump dann auf Twitter dazu auf, auf Gewalt zu verzichten: „Ich bitte jeden am Kapitol, friedlich zu bleiben. Keine Gewalt! Denkt daran: WIR sind die Partei von Recht und Gesetz. Respektiert das Gesetz und unsere großartigen Männer und Frauen in Blau.“
Donald Trumps Twitter-Konto vorübergehend gesperrt
In darauffolgenden Tweets wiederholte er offenbar seine Wahlbetrugsvorwürfe und lobte die Angreifer. Sie wurden von Twitter gelöscht. Twitter erklärte außerdem, Trumps Nutzerkonto sei für zwölf Stunden gesperrt. Bei weiteren Verstößen gegen die Regeln des Kurznachrichtendienstes könnte das Konto ganz gesperrt werden, teilte das Unternehmen mit. Facebook sperrte Trumps Konto auf unbestimmte Zeit. Hier die Mitteilung auf Twitter:
Künftiger Präsident Biden spricht von Angriff auf die Demokratie
Der gewählte US-Präsident Joe Biden verurteilte die dramatischen Ereignisse rund um das Kapitol in Washington scharf und sprach von einem Angriff auf die Demokratie. „Das Kapitol zu stürmen, Fenster einzuschlagen, Büros zu besetzen, den Senat der Vereinigten Staaten zu besetzen, durch die Schreibtische des Repräsentantenhauses im Kapitol zu stöbern und die Sicherheit ordnungsgemäß gewählter Beamter zu bedrohen, ist kein Protest. Es ist Aufruhr.“
Auch in anderen US-Bundesstaaten protestierten Trump-Anhänger vor den Parlamenten — zum Beispiel in Arizona sowie in Georgia. Dort gewannen die Demokraten laut Prognosen von US-Medien am Mittwoch wohl beide Senatssitze und damit die Kontrolle über den Senat.
Obama: Trump war der Anstifter
US-Vizepräsident Pence, der ebenfalls in Sicherheit gebracht worden war, verurteilte die Vorgänge. „Friedlicher Protest ist das Recht jedes Amerikaners, aber dieser Angriff auf unser Kapitol wird nicht toleriert werden und jene, die daran beteiligt sind, werden mit der ganzen Härte des Gesetzes zur Verantwortung gezogen“, twitterte Pence.
Der frühere Präsident Barack Obama warf Amtsinhaber Donald Trump vor, die Gewalt am Kapitol angestiftet zu haben. Obama sprach in einer Erklärung von einem „Moment der großen Schande und Scham für unsere Nation“.
George W. Bush: Wie „in einer Bananenrepublik“
Der frühere Präsident George W. Bush, selbst Republikaner, erklärte, er habe die Vorgänge „ungläubig und mit Bestürzung“ verfolgt. „So wird um Wahlergebnisse in einer Bananenrepublik gestritten, nicht in unserer demokratischen Republik“, erklärte Bush.
Politiker aus aller Welt reagieren geschockt auf den Sturm aufs Kapitol
Politiker aus der ganzen Welt haben entsetzt auf die Ereignisse in Washington reagiert. Der britische Premier Boris Johnson schrieb auf Twitter von „schändlichen Szenen“. Die USA stünden in aller Welt für Demokratie — nun sei entscheidend, dass es zu einer friedlichen und geordneten Machtübertragung komme.
Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) sprach auf Twitter von „unfassbaren Bildern“:
EU-Ratschef: Szenen in Washington „ein Schock“
EU-Ratschef Charles Michel und EU-Parlamentspräsident David Sassoli äußerten sich bestürzt über die Unruhen rund um das Kapitol in Washington. „Die Szenen von heute Nacht in Washington D.C. zu beobachten ist ein Schock“, schrieb Michel auf Twitter. Der US-Kongress sei „ein Tempel der Demokratie“. „Wir vertrauen den USA, dass sie eine friedliche Machtübergabe zu Joe Biden sicherstellen.“