Beim Wort „Veteran“ haben viele wohl grauhaarige Männer mit Orden an der Brust vor Augen: Ex-Soldaten, die im Zweiten Weltkrieg oder in Vietnam gekämpft haben. Hierzulande gilt dafür seit 2018 allerdings folgende Definition:
In Deutschland fallen unter den Begriff rund zehn Millionen Menschen. Aktiv Dienst leistet davon allerdings nur ein Bruchteil: 2023 ist die Bundeswehr auf 181.500 Soldatinnen und Soldaten geschrumpft.
Wir haben mit einem Reservisten, der ein Kreisverbindungskommando leitet, einem ehemaligen Freiwilligen Wehrdienstleistenden und einem US-Veteranen gesprochen. Wie erfahren sie den Stand der Bundeswehr? Was halten sie vom neuen Veteranentag? Wird sich dadurch irgendetwas ändern? Ihre Antworten erfahrt ihr in diesem Artikel.
15. Juni: Veteranentag für Deutschland
Der Bundestag hat Ende April mit großer Mehrheit beschlossen, dass künftig jedes Jahr am 15. Juni aktive und ehemalige Soldaten der Bundeswehr für ihren Dienst gewürdigt werden. Rund um den nun eingeführten Veteranentag – jeweils am Wochenende vor oder nach dem 15. Juni – soll in Berlin eine große Veranstaltung organisiert werden. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sieht das als starkes, wichtiges und überfälliges Zeichen der Wertschätzung.
ARD-Hauptstadtkorrespondent Uli Hauck berichtet von der Entscheidung im Bundestag:
Veteranentag: Das sagt ein Bundeswehr-Reservist
Wolfgang ist als Reservist der Bundeswehr tätig und hat dabei eine besondere Dienststellung: Er leitet ein Kreisverbindungskommando (KVK). Das ist eine Schaltstelle zwischen Bundeswehr und ziviler Verwaltung, die bei Notfällen – wie großen Katastrophen –, bei denen die Bundeswehr auch inländisch helfen kann, moderiert.
Er stellt fest, dass zwischen Gesellschaft und Bundeswehr eine Kluft entstanden ist. Neben den Sparmaßnahmen seit der Wiedervereinigung benennt er noch ein anderes Problem: „Ich glaube, dass der Kardinalfehler wirklich ist, die Wehrpflicht ausgesetzt zu haben. Weil ganz große Teile der Bevölkerung überhaupt keinen Kontakt zur Bundeswehr mehr haben.“
Seine Idealvorstellung wäre eine Art verpflichtendes soziales Jahr mit der Möglichkeit, die, die sich eignen, zur Bundeswehr gehen zu lassen. „Nicht unbedingt ganz freiwillig, aber eben ein bisschen geschoben und gedrückt.“ Das sei die einzige Möglichkeit, dieses Konstrukt Bundeswehr in die Gesellschaft wieder reinzukriegen. Der Veteranentag alleine schaffe das nicht.
Anmerkung: Das Interview wurde geführt, bevor Verteidigungsminister Pistorius seine Pläne für einen neuen Wehrdienst vorgestellt hat.
Ironischerweise haben dann aber gerade Katastrophen dazu geführt, dass Soldaten von der Gesellschaft wieder Anerkennung erfahren haben. „Wirklich deutlich positiv“ sei es geworden, nachdem die Bundeswehr als Retter in der Not zum Einsatz gekommen sei – bei den Elbe-Hochwassern, der Flut im Ahrtal oder anderen großen Schadensereignissen, bei denen die Bundeswehr geholfen hat. Da sei dann plötzlich das Ansehen der Bundeswehr in der Öffentlichkeit wieder positiv. Das habe sich heute „eigentlich ziemlich nachhaltig verfestigt“.
Den neuen Veteranentag in Deutschland findet er als Institution richtig – „weil jeder Soldat ja sein Leben im Grunde der Gesellschaft widmet sozusagen, mit möglicherweise letzter Konsequenz, wie wir es in Afghanistan gesehen haben“. Das müsse irgendwo gewürdigt werden. Aber: „Ich finde es ein bisschen beschämend, dass das jetzt so spät kommt und es wirkt so aufgezwängt. Man hat offensichtlich erkannt, dass man da großen Nachholbedarf hat.“
Es müsse von der Gesellschaft wieder den Gedanken geben, dass die Bundeswehr wirklich dazugehöre – wie zum Beispiel die Feuerwehr. Wolfgang hofft, dass durch den Veteranentag zum einen die Leistung und auch Opfer mancher Soldaten entsprechend gewürdigt werden, aber zum anderen auch Bundeswehr und Gesellschaft dadurch wieder zusammenwachsen. Zumindest dass der Tag die Möglichkeit dazu biete, wieder zusammenzurücken.
Freiwilliger Wehrdienstleistender über den Veteranentag
Christoph findet es wichtig, „auch Eindrücke zu sammeln, die einem eventuell nicht so ganz liegen“ und „etwas für das eigene Land im Sozialen getan zu haben“. Dafür müsse man nicht immer nur zu Rettungsorganisationen wie ASB oder THW gehen. Er entschied sich für die Bundeswehr.
Mit „Dein Jahr für Deutschland“ rekrutiert die Bundeswehr Freiwillige, die sich für insgesamt ein Jahr verpflichten und im Heimatschutz eingesetzt werden. Auslandseinsätze gibt es keine, dafür Katastrophenhilfe im Inland. Für dieses Programm meldete sich Christoph damals zusammen mit einem Freund an. Seine Familie war am Anfang nicht begeistert, sie war eher besorgt. Mit der Zeit akzeptierte sie seine Entscheidung.
Während der dreimonatigen Grundausbildung wechselte er in den regulären Freiwilligen Wehrdienst und blieb am Ende 15 Monate bei der Bundeswehr. Dass Deutschland einen Veteranentag einführt, findet er gut:
Aber ob sich durch einen Veteranentag wirklich etwas ändern wird, hält Christoph für fraglich. Er findet, dass sich grundlegend etwas ändern müsse – auch seitens der Politik, gerade mit den Krisen der heutigen Zeit. In der aktuell gestellten Frage nach der Kriegstüchtigkeit Deutschlands würde er schätzen, Deutschland könnte wohl maximal eine Woche durchhalten, wenn es sich um einen wirklichen Kriegsfall handle, „ehe uns die Puste durch mangelnde Munition und alles ausgeht und man zu Stöcken und Schaufeln greift ... ein bisschen überspitzt dargestellt“. Die Bundeswehr sei totgespart worden – und das 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen sei ein Anfang, reiche aber bei Weitem nicht.
Neben dem Appell an die Politik findet es Christoph aber auch wichtig, die Bundeswehr und Gesellschaft einander wieder näherzubringen.
Veteranen in den USA: Jeder kennt einen
Dass die USA ein ganz anderes Verhältnis zu ihrem Militär haben als Deutschland, ist wohl kein großes Geheimnis. Wer bei der Army, Navy oder Airforce war oder ist, wird dort mit großem Respekt behandelt und oft mit den Worten „thank you for your service“ („danke für Ihren Dienst“) gegrüßt.
In vielen staatlichen und kulturellen Einrichtungen haben Veteranen vergünstigten Eintritt. Nach dem aktiven Dienst bekommen sie außerdem besonders gute Konditionen, zum Beispiel bei der Krankenversicherung, der Ausbildung oder bei Hauskrediten. Es gibt eine eigene staatliche Behörde, das United States Department of Veterans Affairs (VA), das sich um die Belange von Veteranen und deren Familien und Hinterbliebenen kümmert – und das bereits seit 1930.
US-Veteran: „Deutsche Soldaten verdienen Respekt“
Daniel kommt aus dem Süden der USA. Er hat sich freiwillig für die US Army verpflichtet – und war als Hubschraubermechaniker auch zwei Jahre in Mannheim stationiert. Dass es ihn nach Deutschland verschlagen hat, nennt er „pures Glück“: „I loved it.“ Neben einer weiteren Deutschland-Station im bayerischen Illesheim führte ihn sein Job aber auch neun Monate nach Afghanistan. Und für eine humanitäre Mission nach Montenegro. Auf letztere ist er am meisten stolz.
Er war der Einzige in seinem Freundeskreis, der zum Militär ging. Für ihn war es attraktiv, da er aus ärmeren Verhältnissen stammt und man als Armeeangehöriger viele Versorgungsleistungen bekommt.
Wie fühlt sich das Veteranenleben für ihn an? Er schätzt vor allem die spezielle Verbindung, die alle Soldaten und Veteranen miteinander haben, weil sie den Alltag beim Militär kennen. Aber er will sich nicht nur als Ex-Soldat identifizieren, sondern auch ein Leben nach dem Militär haben und einfach das mitnehmen, was er während seines Dienstes gelernt hat.
Generationen von Veteranen, Abgeordneten und Promis hätten seit Jahrzehnten die Aufmerksamkeit darauf gelenkt, sich um die Veteranen zu kümmern, sagt Daniel. Er sei ziemlich zufrieden damit, wie sie behandelt werden und welche Leistungen sie bekommen können: finanzieller Art, aber auch Hilfe bei der Jobsuche, günstige Wohnmöglichkeiten oder auch Suchtberatung.
Der Großteil der Amerikaner unterstütze das Militär – weil nahezu jeder jemanden kenne, der dort war: „Es ist schwer, jemanden zu finden, der keinen Veteran kennt.“
Veteranentag in den USA: 11. November
Es ist nur logisch, dass die USA schon früh einen Veteranentag eingeführt haben. Ursprünglich gedachte man am damals noch Armistice Day genannten Feiertag der Veteranen des Ersten Weltkriegs. 1954 wurde der Tag in Veterans Day umbenannt und sollte fortan am 11. November – dem Tag des Waffenstillstandsabkommens am Ende des Ersten Weltkriegs – alle Veteranen aus allen Kriegen ehren, an denen die Vereinigten Staaten beteiligt waren.
Überall im Land finden am 11. November feierliche Veranstaltungen statt, die die ehemaligen Militärangehörigen ehren. In New York zum Beispiel marschieren bei der Parade an die 20.000 pensionierte Soldatinnen und Soldaten die berühmte Fifth Avenue hinunter. Am renommierten Soldatenfriedhof in Arlington bei Washington wird jedes Jahr pünktlich um 11 Uhr ein Kranz am Grabmal des unbekannten Soldaten niedergelegt – in der Regel durch den Präsidenten.
Neben dem Veterans Day gibt es in den USA seit 2012 zusätzlich den National Vietnam War Veterans Day. Außerdem wird mit dem Memorial Day ein Gedenktag speziell zu Ehren der im Dienst gestorbenen Militärangehörigen begangen. Daneben gibt es mit dem Armed Forces Day einen Tag für diejenigen, die sich im aktiven Militärdienst befinden, sowie einen Women Veterans Day für Veteraninnen.
Frankreich: So geht unser Nachbarland mit seinen Veteranen um
Wie geht unser direktes Nachbarland Frankreich mit Soldatinnen und Soldaten nach Rückkehr aus dem Einsatz um? Und wie ist grundsätzlich das Ansehen von Veteranen und Militärangehörigen? Frankreich-Korrespondentin Stefanie Markert berichtet: