Stand
Autor/in
Sandra Herbsthofer
Sandra Herbsthofer
Vanessa Valkovic
Vanessa Valkovic arbeitet bei SWR3
Interview mit
Dr. Jan Kalbitzer

Wie weitermachen, wenn ein Mensch plötzlich nicht mehr da ist? Wie kannst du Trauer bewältigen? Hier findest du Tipps, wie du nach einem schmerzhaften Verlust weitermachen kannst.

Guido Maria Kretschmer über den Verlust seiner Eltern

Der Tod eines Familienmitglieds stellt für viele Menschen einen besonders schweren Verlust da  – noch schmerzhafter ist es, wenn man sich in kurzer Zeit von gleich zwei wichtigen Menschen in seinem Leben verabschieden muss.

Genau damit musste der Designer Guido Maria Kretschmer 2023 umgehen: Seine beiden Eltern verstarben innerhalb eines halben Jahres.

Im SWR3 Podcast „1 plus 1“ teilt er, wie er mit dem Verlust umgegangen ist und was ihm heute Kraft gibt.

Setzt jetzt eure Kopfhörer auf und hört rein! „1 plus 1“ hört ihr auf SWR3.de, in der ARD Audiothek und überall, wo es Podcasts gibt.🎧

Caro Daur und Guido Maria Kretschmer

1 plus 1 – Freundschaft auf Zeit Caro Daur und Guido Maria Kretschmer: Heimat, Eifersucht und Beziehungen

Dauer

Die Themen in ihrer letzten Folge sind vielfältig: Caro und Guido sprechen sowohl über ihre Zukunftspläne, als auch über frittierte Grashalme. Was es damit auf sich hat, warum Guido Caros Eier brüten würde und wieso sie „Profi-Freunde“ werden? Jetzt reinhören!
Lass uns gerne eine Bewertung da! Feedback, Freundschaftsbriefe & liebe Grüße an: 1plus1@swr3.de.
Eine neue Folge gibt es jeden Mittwoch auf SWR3.de, in der ARD Audiothek und überall, wo es Podcasts gibt. Mehr Infos zum Podcast gibt es auf SWR3.de.
Hier geht's zu unserem Podcast-Tipp der Woche: https://1.ard.de/wo_bist_du
1 plus 1 – Freundschaft auf Zeit ist ein Podcast von SWR3.
Produktion: Mit Vergnügen.
Produktion: Lina Britt Bajorat und Jo Bischofberger
Redaktion: Christina Gissi Winkler, Sandra Herbsthofer und Annamaria Herkt
Technische Betreuung: Maximilian Frisch
Schnitt & Mix: Sebastian Wellendorf und Maximilian Frisch
Sprecher*in: Maximiliane Hecke und in den Teasern Max Richard Leßmann
Line Producer: Lisa Golinski und Marc Bürkle
Außerdem an diesem Podcast beteiligt: Matze Hielscher, Maxi Stumm und Amelie Kern

Guido Maria Kretschmer: Tod der Eltern war niederschmetternd

Im Podcast erinnert sich Guido Maria Kretschmer an den Verlust seiner Eltern.

Als ich meine Eltern verloren habe, das ist für mich der Untergang gewesen – und heute noch immer.

Seinen Vater beschreibt er als Mann, der „voll mit Humor“ war – bis zum Schluss. Er erzählt von einem der letzten Gespräche mit seinem Vater vor dessen Tod, als dieser ein ungewöhnliches Thema aufbrachte.

Was das war, das hört ihr in diesem Audio-Clip ⤵️

Caro Daur und Guido Maria Kretschmer

„Was hältst du eigentlich davon, dass…“ Guido Maria Kretschmer über eines der letzten Gespräche mit seinem Papa

Dauer

Wo kommt das denn jetzt her? Guido Maria Kretschmer erzählt von einem Gespräch mit seinem Vater, in dem dieser eine doch sehr unerwartete Frage stellte.

Guido Maria Kretschmer: „Sagt alles, was ihr fühlt!“

Heute, erzählt Guido Maria Kretschmer, hat er eine neue Perspektive gefunden, die er mit den Podcast-Hörerinnen und -Hörern teilt.

Ich habe keine Angst mehr vor dem Alleinsein, weil ich nichts verpasst habe in diesem Leben mit meinen Eltern. Und deswegen will ich das jedem empfehlen: Nutzt es und sagt alles, was ihr fühlt – nichts zurückhalten!

Allein ist Guido auf keinen Fall. Seit 40 Jahren ist sein Ehemann Frank an seiner Seite. Und vielleicht hat er in Podcast-Partnerin Caro Daur auch eine Freundin fürs Leben gefunden.

Arbeit, Alltag, Familie ... viele von euch kriegen fast alles allein gewuppt, aber manchmal braucht man eben auch Support.

Ob die beiden Freunde werden und die ganze Story von Guido hört ihr im SWR3 Podcast „1 plus 1 – Freundschaft auf Zeit“.

Eines ist sicher: Verluste sind schmerzhaft! ❤️‍🩹 Wie man Trauer bewältigen kann, das hat uns der Experte Dr. Jan Kalbitzer, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, erklärt. Seine Antworten lest ihr hier. ⤵️

3 Schritte zur Bewältigung von Trauer

Trauer ist sehr individuell – nicht nur die Art, mit dem Verlust umzugehen nimmt Einfluss: Auch, wie nah der Mensch stand, den man verloren hat und unter welchen Umständen das passiert ist. Grundsätzlich gebe es drei Aspekte, erklärt Dr. Jan Kalbitzer.

1. Wie möchte ich die Person, die verstorben ist in Erinnerung behalten?

Was ist das letzte Bild, was ich von einer geliebten Person vor mir sehe? Besonders, wenn es sehr dramatisch oder erschreckend war – zum Beispiel, weil die Person nach langer Krankheit gestorben ist und sehr abgemagert war – sei es wichtig, dass das nicht das letzte Bild bleibt, so der Psychiater. Sein Tipp: Fotoalben von glücklichen gemeinsamen Zeiten anschauen und sich bewusst darauf zu konzentrieren, diese Bilder in der Erinnerung zu verfestigen.

In meiner Therapie würde ich mit den Menschen daran arbeiten, dass ich sie zum Beispiel bitten würde, die Augen zuzumachen und vor ihrem inneren Auge Bilder entstehen zu lassen von der Person. Manchmal gibt es ja auch keine Bilder, keine Fotos von den besonderen Situationen, die man so hatte. (...) Alltagssituationen, die gar nicht auf Fotos dokumentiert sind und sowas in der Fantasie entstehen zu lassen.

 

2. Wie geht es weiter – was würde sich die verstorbene Person für mich wünschen?

Das Problem sei, dass es zu der Frage „Wie trauere ich?“, viele Erwartungen gibt, erklärt Kalbitzer.

Wenn man ein schwer krankes, todkrankes Kind gepflegt hat, dann kann es sein, dass man direkt nach dem Sterben Lust hat, Tanzen zu gehen – weil man drei Jahre nicht tanzen gegangen ist. Und das fällt ganz schwer, weil man natürlich denkt: 'Ich muss trauern, das darf ich doch gar nicht tun, wenn ich diesen geliebten Menschen verloren habe'.

Der Psychiater erzählt: In seinen Therapien lasse er die Patientinnen und Patientinnen dann oft die Augen schließen und sich vorstellen, dass sie dem verlorenen Menschen nochmal begegnen – in einer Situation, in der es beiden gut geht. Und dass sie diesem Menschen dann die Frage stellen: 'Was wünschst du dir jetzt für mich?'

Und oft geht es dann gar nicht darum zu trauern, sondern dieser Mensch würde sich für mich wünschen, dass ich etwas Schönes tue, dass es mir gut geht, dass es gut für mich weitergeht. 

Schwieriger ist das natürlich, wenn man einen Menschen verliert, zu dem man kein gutes Verhältnis hatte. „Da ist es dann schwieriger wie man sich abgrenzt, dass diese Person einem vielleicht auch am Ende des Lebens noch Böses gewünscht hat.“

Hier könne es helfen, einzelne Situationen in der Erinnerung zu finden, in denen diese Person vielleicht auch wohlwollend sein konnte, rät der Experte. Wenn es diese Momente nicht gebe helfe es, sich bewusst zu machen, dass diese Person vielleicht aufgrund von Verbitterung oder Verletzungen nicht die Möglichkeit hatte, wohlwollend zu sein und sich zu überlegen, was sich dieser Mensch vielleicht gewünscht hätte, wenn er es gekonnt hätte.

3. Trauer räumlich und zeitlich strukturieren

Trauer kann im Alltag ein ständiger Begleiter sein. Deshalb sei es wichtig, dass zum Beispiel das Bett oder das Schlafzimmer „dafür schützt, ein Grübel- und Trauerort zu werden“. Denn: Das Unterbewusstsein speichere diesen Ort sonst als Ort der Trauer und Grübeleien ab. „Das heißt: Ich lege mich ins Bett und sofort geht die Grübelmaschine an und die Trauer beginnt.“

Besser sei es, sich einen konkreten Ort zum Trauern zu suchen – das könne zum Beispiel eine Art kleiner Altar mit Fotos der verstorbenen Person sein oder einen schönen Ort, den man gemeinsam hatte, so Kalbitzer. Wichtig sei bei diesem Ort, dass man ihn auch wieder verlassen könne.

Damit man dem ganzen so ein bisschen einen Rahmen gibt und die Trauer sich nicht so im ganzen Alltag verteilt, vor allem – das ist mir wichtig – nicht im Bett oder an anderen schönen Orten, die man dann vielleicht zur Aufheiterung wieder braucht.

Wie lange dauert Trauer?

Wie lange jemand nach dem Verlust eines geliebten Menschen trauert, sei ganz individuell. „Wenn es vorher schon einen längeren Prozess gab, in dem Abschied genommen wurde, dann kann das durchaus schneller gehen“, sagt Kalbitzer.

Außerdem sei das häufig auch davon abhängig in welchem Verhältnis man zu der Person stehe. „Die Trauer um eigene Kinder dauert am längsten, wenn nicht ewig, wenn nicht das ganze Leben. Das kann von den psychiatrischen Symptomen mehrere Jahre gehen.“

Gefolgt werde diese vom Partner, der Partnerin oder den eigenen Geschwistern. Natürlich werde auch um Eltern oder Großeltern lange getrauert, die Akzeptanz ist aber höher, wenn es sich um die Generationen über der eigenen handelt. „Das ist der natürliche Lauf der Dinge und damit leichter zu verarbeiten.“ Wichtig: Das seien nur grobe Maßstäbe – Trauer ist eben individuell.

Wie kann ich mit Menschen umgehen, die trauern?

„Die meisten Menschen um einen herum wollen in dieser Situation helfen“, sagt Kalbitzer. Vielen würde auch eine konkrete Anweisung helfen, was sie tun können. Hilfe anzunehmen könne sehr unterstützen und helfe auch dem Umfeld, das ja auch nach einer Möglichkeit sucht zu helfen.

Aber wie soll ich damit umgehen, wenn mein Arbeitskollege oder eine Freundin einen geliebten Menschen verloren hat? Der Psychiater sagt dazu:

Grundsätzlich empfehle ich sehr, das anzusprechen. Außer die Person signalisiert klar: 'Ich will das nicht.'

Manche Menschen würden zum Beispiel für sich beschließen, dass sie nicht am Arbeistplatz darüber sprechen möchten. „Trauer kann auch abgegrenzt werden und man kann sagen, ich gebe in bestimmten Bereichen der Trauer Raum und in anderen nicht.“

Angst vor dem Tod: Was kann ich tun?

Der Psychiater Irvin Yalom sage zum Beispiel, dass die Angst zu sterben auch ein Hinweis sein könne, dass Dingen, die für mich selbst oder mit anderen Menschen eigentlich wichtig seien, noch nicht ausreichend Raum im eigenen Leben eingeräumt wurde, erklärt Kalbitzer: „Die Angst zu sterben könne auch Hinweis sein kann auf ein ungelebtes Leben, also dass Dinge anstehen in meinem Leben oder Werte, um die ich mich noch nicht ausreichend gekümmert habe.“

Wenn  man Angst hat zu sterben oder das Menschen um einen herum sterben könnten ohne dass es konkreten Anlass gibt, würde ich das immer als Gelegenheit dafür nutzen zu gucken: Was möchte ich denn mit diesen Menschen tun, so lange sie noch leben? Also als Erinnerung daran, dass unsere Zeit gemeinsam und auch meine Zeit hier endlich ist.

Das könne eine Motivation sein und helfen sich wieder daran zu erinnern, was einem selbst wichtig sei: „Was man mit diesem Geschenk des Lebens, das man wahrscheinlich nur einmal bekommt und was nicht unendlich ist anfangen möchte.“

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