Stand
Autor/in
Kira Urschinger
Kira Urschinger

Viele sprechen Dialekt – für die meisten Menschen fühlt es sich aber komisch an, ihn zu schreiben. Woran das liegt und warum junge Leute mehr Dialekt sprechen als sie ahnen ...

Dialekt zu sprechen ist das eine. Dialekt schreiben ist etwas ganz anderes. Warum ist das so? Warum sprechen wir ganz selbstverständlich Dialekt, während Dialekt zu schreiben den meisten eher schwerfällt oder zumindest komisch wirkt?

3 Gründe, warum wir Dialekt lieber sprechen als schreiben

Wir haben nachgefragt. In SWR3 PUSH hat Moderatorin Sabrina Kemmer eine Expertin für die deutsche Sprache und Dialekte angerufen: Frauke Rüdebusch von der Gesellschaft für Deutsche Sprache. Sie erklärt im Gespräch, warum Dialekt zu schreiben uns oft schwerfällt oder seltener gemacht wird.

Graffiti mit der Aufschrift Allet wird Jut. Symbolbild für Artikel zum Thema: Warum wir Dialekt sprechen, aber selten schreiben.

SWR3 PUSH Warum sprechen wir Dialekt, aber schreiben ihn nicht?

Dauer

Warum sprechen wir Dialekt aber schreiben ihn nicht?
gespielt 14:16:15 26.09.2024

1. Vielfalt im Dialekt macht einheitliche Schreibweisen schwer

Dialekte sind wahnsinnig vielseitig. Oft unterscheiden sich schon benachbarte Dörfer bei einzelnen Wörtern oder Aussprachevarianten. Da gibt es also gar keine Einheitlichkeit, die sich eine normierte Sprache fassen lassen würde.

Anders ist das bei der Standardsprache (umgangssprachlich: Hochdeutsch), die ja gerade zur Aufgabe hat, normiert und einheitlich zu sein, damit wir uns alle verständigen können.

2. Aussprache im Dialekt bräuchte Buchstaben, die es nicht gibt

Es gibt Aussprachevarianten im Dialekt, die sind mit den Buchstaben, die wir aus der angelernten Schriftsprache kennen, gar nicht so leicht auszudrücken ... im Zweifel auch gar nicht.

Klar, es gibt in vielen Dialekten auch Mundart-Lyrik und sowas, aber in der Schule wird es eher selten angeboten, Dialekte in Schriftform zu lernen. Für viele Menschen ist es daher auch eher anstrengend, ungewohnt, komisch. Da lässt man es dann lieber.

Viele Wörter für eine Sache Macht mit und sagt uns: Wie sagt ihr zu...?

Gemeinsam mit SWR3Land sammelt Moderator Sebastian Müller die unterschiedlichsten Bezeichnungen für verschiedene Dinge: Hausschuhe, Frikadelle, Schluckauf. Hier findet ihr unsere Dialekt- und Lieblingswörter-Sammlung.

3. Schrift ist dazu da, dass es möglichst viele verstehen

In Deutschland gibt es eine normierte Schrift, damit möglichst viele Menschen sich miteinander verständigen können. Wenn wir bei SWR3 diesen Artikel hier auf Alemannisch verfassen würden, dann hätte ein Pfälzer damit vermutlich seine Probleme. Also schreiben wir hier Standarddeutsch – wir wollen ja verstanden werden.

Dialekt ist im Gegensatz zu Standarddeutsch und Schriftsprache eine Sprache der Nähe. Sie wird eher verwendet, um im Familien- oder Freundeskreis und in der Heimat ein Wir-Gefühl zu schaffen. Dialekt ist also genau nicht dazu da, dass es alle verstehen, sondern um die Identität einer kleineren Runde zu festigen. In Chats mit Freunden aus der Heimat schreibt man dann vielleicht Dialekt, aber in einem formelleren Kontext wie einer geschäftlichen E-Mail würde man es eher lassen.

Weißt du es besser? 3 Schreibfehler in E-Mails, die fast jeder macht – weißt du es besser?

„Hallo Frau Meier!“ – ist das richtig oder falsch? Hier findest du die drei häufigsten Fehler in E-Mails. Weißt du, wie Grußformeln und Kommasetzung laut Duden richtig sind?

Dialekt verschwindet nicht, er verändert sich nur

Egal ob Schwäbisch, Alemannisch, Pfälzisch oder Hessisch – zumindest gesprochen lieben die Deutschen verschiedene Dialekte. Ist doch auch toll, wenn jede Region ein bisschen anders klingt, oder?

Laut einer Dialekt-Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov finden satte 73 Prozent der Deutschen es cool, dass wir so viele Dialekte sprechen. Aber: Vor allem junge Leute geben an, selbst gar keinen Dialekt mehr zu sprechen. Forscher sind da skeptisch, ob das so wirklich stimmt ...

Schild mit Schwäbischer Aufschrift. Symbolbild für Artikel zum Thema: Warum wir Dialekt sprechen, aber selten schreiben.
Dialekt zu sprechen ist für viele selbstverständlich. Aber schreiben!? Warum eigentlich nicht?

Junge Leute sprechen Dialekt, sie merken es nur nicht

In SWR3 MOVE hat Moderator Michael Wirbitzky darüber mit dem Dialekt-Experten Hubert Klausmann von der Uni Tübingen gesprochen.

Er sagt, Dialekte seien in Deutschland so lange negativ belegt gewesen, dass sie heute kaum einer selbst sprechen mag. Insbesondere in der Schule galt Dialekt oft als falsch.

Klausmann sagt aber auch, dass viel mehr Menschen Dialekt sprechen, als sie selbst vielleicht denken. Der Grund: Dialekt verändert sich. Hier reinhören:

Aufkleber mit Werbeslogan des Landes Baden-Württemberg. Wir können alles, außer Hochdeutsch. Symbolbild für Artikel zum Thema: Warum wir Dialekt sprechen, aber selten schreiben.

Interview Hubert Klausmann Deshalb sprechen wenige junge Leute Dialekt – oder doch nicht?

Dauer

73 Prozent der Deutschen finden es cool, dass wir so viele Dialekte sprechen. Das sagt eine neue, repräsentative Umfrage von Meinungsforschungsinstituts YouGov. Aber: Vor allem junge Leute geben an, selbst gar keinen Dialekt mehr zu sprechen. Dabei würde die Gesellschaft von Dialekten durchaus profitieren sagt Hubert Klausmann von der Uni Tübingen.
Herr Klausmann, wenn viele Dialekte cool finden, warum sprechen es dann immer weniger?

Regionalität auch bei jungen Menschen weiterhin hörbar

Tatsächlich verändert sich laut Sprachwissenschaftlern dahingehend etwas, dass insbesondere junge Leute nicht mehr so urig reden wie die Großeltern. Der Dialekt klingt also nicht mehr ganz so krass wie früher.

Regionale Einfärbungen haben in der gesprochenen Sprache aber trotzdem die meisten Menschen. An mehr oder weniger starken Signalen merkt man also weiterhin, ob jemand aus Süddeutschland oder Norddeutschland kommt.

Test mit kuriosen Sätzen im Dialekt

Zugegeben, so richtig tiefer Dialekt ist oft nur für diejenigen zu verstehen, die ihn wirklich sprechen. Hier haben wir einen kleinen Test für SWR3Land: Weißt du, was diese Sätze im Dialekt bedeuten? Hier ausprobieren:

Sprachspaß mit SWR3 Dialekt-Test: 7 Sätze, die du nur verstehst, wenn du Mundart sprichst!

Diese Sätze sind wirklich schwer zu verstehen, wenn du keinen Dialekt sprichst. Wie viele davon kennst du? Hier im Dialekt-Test ausprobieren, wie gut du dich auskennst!

Gefällt dir dieser Artikel?

Unsere Quellen

Transparenz ist uns wichtig! Hier sagen wir dir, woher wir unsere Infos haben!

Die Gesellschaft für deutsche Sprache e. V. (GfdS) ist ein hauptsächlich von der deutschen Kultusministerkonferenz und dem Kulturstaatsminister finanzierter Verein, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, die deutsche Sprache zu pflegen und zu erforschen sowie die Funktion der deutschen Sprache im globalen Zusammenhang erkennbar zu machen. Die GfdS begleitet dabei den jeweils aktuellen Sprachwandel kritisch und gibt Empfehlungen für den Sprachgebrauch.

Außerplanmäßiger Professor für volkskundliche Dialektologie und Leiter der Arbeitsstelle Sprache in Südwestdeutschland

YouGov ist ein börsennotiertes britisches Markt- und Meinungsforschungsinstitut, das international tätig ist.

Meistgelesen

  1. Moderator über dunkle Momente im Leben Joko Winterscheidt spricht offen über seine Therapie: „Habe mich lange selbst angelogen“

    Sein Privatleben hält Joko Winterscheidt normalerweise aus der Öffentlichkeit. Jetzt hat der Moderator in einem Podcast über ein sehr persönliches Thema gesprochen. Er hat eine Therapie angefangen.

  2. Ermittler: Sänger war bei Sturz bewusstlos Liam Payne vor dem Tod im Stich gelassen: Staatsanwalt klagt drei Männer an

    Drogen, Alkohol, Antidepressiva: Vor drei Wochen ist der 31-jährige Musiker in Buenos Aires in den Tod gestürzt. Jetzt ist klar: Er war dabei bewusstlos. Drei Männer stehen jetzt unter Anklage.

  3. Von Schattenmorellen bis Kapern Achtung Verwechslungsgefahr: Diese Lebensmittel könnten auch Tiere sein, oder?! 🤣

    Schattenmorelle klingt doch eigentlich nach einem ganz cleveren Tier, findet Comedian Abdelkarim. Lacht mit uns und findet viele weitere Beispiele! 🤪

  4. Viel Applaus aber auch Kritik in SWR3Land Abrechnung, Entlassungen, neue Superminister – so geht es nach dem Ampel-Aus weiter

    Bundeskanzler Scholz hat Finanzminister Lindner entlassen und will die Vertrauensfrage stellen. Damit ist die Ampel Geschichte. Jetzt überschlagen sich die Ereignisse.

  5. Trotz Mordserie „gechillt und zart“?! Die Tatort-Kritik zu „Borowski und das ewige Meer“

    Was bei der Anzahl an Leichen im neuen Borowski-Tatort erst mal eben nicht nach zartem Fernsehfilm klingt, funktioniert doch und sogar erstaunlich gut! Hier unser Tatort-Check.