Lennart dachte, er wäre einfach nur „ein schlechter Heterosexueller“. Dann hat er sich mit dem Thema Asexualität auseinandergesetzt. Hier die ganze Geschichte lesen!
- Lennart und Alex erzählen ihre Geschichte
- Asexualität: Wie geht Sex in der Beziehung?
- Was ist Asexualität?
- Wie weit verbreitet ist Asexualität?
- Wie entsteht Asexualität?
Lennart und Alex erzählen ihre Geschichte
„Wenn jemand sagen würde 'Mir fehlt das, Sex zu haben', dann wüsste ich nicht, was da fehlen sollte und warum.“ Lennart ist 38 Jahre alt und wohnt in Hamburg. Und er ist asexuell. Das bedeutet, dass er keine sexuelle Anziehung zu anderen Menschen empfindet. Das muss aber nicht bedeuten, dass eine Person keine Libido hat und zum Beispiel nicht masturbiert, erklärt Lennart: „Asexuelle Menschen können Libido empfinden und sich selbst befriedigen, müssen sie aber nicht [...]. Das machen auch nicht alle. Also eine persönliche Sache, aber das hat ja nichts mit sexueller Anziehung zu tun.“
Bevor sich der 38-Jährige mit dem Thema Asexualität auseinander gesetzt hat, dachte er, er wäre einfach „ein schlechter Heterosexueller“.
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Asexualität: Wie geht Sex in der Beziehung?
Besonders in Beziehungen war seine Asexualität für Lennart früher eine Herausforderung. Er weiß mittlerweile, dass er lieber mit einer Person zusammen wäre, die wie er keinen Sex braucht. Falls das nicht so ist, wäre das für ihn aber auch nicht schlimm: „Mich würde es nicht stören, wenn sie mit anderen Leuten Sex haben will.“ Wenn Lennart davon erzählt, wie Sex in seiner Beziehung für ihn war, klingt es so, als habe er sich selbst dazu gezwungen.
Auch Alex [Name von der Redaktion geändert] ist asexuell. Sie hat sich bisher nur in einem sehr engen Kreis geoutet. Auch für sie war das Thema Sex in Beziehungen schwierig.
Heute geht sie anders mit dem Thema um. Für sie ist klar: „Wir können in einer Beziehung sein, bestimmte Dinge sind für mich ok, aber wenn du was brauchst, was ich dir nicht geben kann – was wahrscheinlich Sex sein wird – dann kannst du vielleicht noch eine andere Person daten oder eine andere Partnerin haben und das mit der Person ausleben.“ Beziehungen seien ihr wichtig. Alex sagt: Sie kann einen Menschen schön und attraktiv finden, sie mag das Romantische und die Gefühle füreinander – aber eben nicht den Sex. Das sei auch ein Grund, warum sie sich gut überlege, mit wem sie über ihre Asexualität spreche: „Ich habe das Gefühl, [...] dass die meine Beziehungen weniger wertschätzen [...], weil eben für viele Menschen Sex so ein riesiger Teil ist, warum sie mit einer Person zusammen sind oder einfach ein wichtiger und natürlicher Teil ihrer Beziehung. [...] und das dann quasi für andere Leute wirkt wie: Ach, das ist so eine glorifizierte Freundschaft in der du quasi dich befindest. Und das ist keine wirkliche Beziehung.“ Für Alex ist heute besonders wichtig, dass über das Thema Asexualität gesprochen wird.
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Asexualität – was ist das?
Prof. Dr. med. Johannes Fuß ist Professor für Sexualforschung an der Universität Duisburg-Essen. Er sagt: Bei der Asexualität handle es sich um ein fehlendes sexuelles Verlangen, das meistens lebenslang da ist. Aber: Es sei schwierig, Asexualität zu definieren. Es gebe im Grunde drei Ebenen:
- Fehlendes sexuelles Verlangen
- Sexualverhalten
- Identifikation
Wichtig sei dabei: Diese drei Ebenen können bei einem Menschen, der asexuell ist, unterschiedlich ausfallen. Bei der Mehrheit würden nicht alle drei Punkte zutreffen, so der Experte. Asexualität muss eben nicht bedeuten, dass eine Person nie Sex hat.
Asexualität: Ist sie weit verbreitet?
Genau wie eine Definition zu finden sei es auch schwierig, eine Aussage darüber zu treffen, wie weit verbreitet Asexualität ist, so Fuß. „Man geht so davon aus zwischen einem halben und fünf Prozent je nach Definition. Es gibt dazu auch größere Studien, in denen man von zwischen einem halben und einem Prozent ausgeht, also jede hundertste Person circa.“
Gibt es immer mehr Menschen, die asexuell sind? Nein, glaubt der Experte. Durch den öffentlichen Diskurs über Sexualität würden mehr Menschen wissen, das es so etwas überhaupt gibt.
Wie entsteht Asexualität?
Ähnlich wie bei anderen sexuellen Orientierungen ist das gar nicht so genau klar. Es gebe Faktoren, die die Wahrscheinlichkeit für Hetero- oder Homosexualität erhöhen – die gebe es auch für die Asexualität. Fuß erklärt dazu: „Wichtig ist vor allem, dass das nichts ist, was im Laufe des Lebens erworben wird, sondern etwas, was schon immer vorliegt. [...] Also es ist was, was ganz eng an der Persönlichkeit der Menschen ist [...].“
Wenn plötzlich keine Lust mehr auf Sex da ist, dann sollte das überprüft werden, so Fuß. Denn: Asexualität ist etwas lebenslanges. Sexuelle Unlust kann aber zum Beispiel auch ein Symptom bei einer Depression sein.
Wichtig für den Sexualforscher: Die Asexualität selbst ist nichts, was in irgendeiner Form therapiert oder behandelt werden muss.
Der Experte empfiehlt Menschen, die asexuell sind: Wegkommen von Gedanken wie: „Ich muss mich irgendwie ändern. Ich bin irgendwie falsch, wie ich bin. Ich müsste jemand anderes sein um glücklich sein zu können.“
Unsere Quellen
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