Beziehungstat im Krimi aus Zürich?
Dilettantisch sei der Mord ausgeführt worden, da sind sich die Kommissarinnen Tessa Ott und Isabelle Grandjean einig. Das war kein Profi. Alles spricht für eine Beziehungstat. Aber wer hätte Interesse am Tod des Schokoladenfabrikanten? Seine Tochter? Die ist der Meinung: „Ich erbe alles!“ Ihr Verlobter allerdings ist über den Tod des Unternehmers auch nicht unglücklich und dann ist da noch die Mutter des Toten. Ein wahrer, erbarmungsloser, perfekt durchgestylter Drache.
Kommissarin wendet sich plötzlich an die Zuschauer
Während die Kommissarinnen ermitteln, wendet sich Staatsanwältin Anita Wegenast plötzlich, anlasslos und unvermittelt an uns Zuschauer und erzählt uns, dass sie neulich Geburtstag hatte. Schön. Sie hat gefeiert. Das muss also vor Corona gewesen sein. In die Mitte des Raumes hat sie ein Paket gestellt. Oben offen. Das war ihr Geburtstagsgeschenk. Und jeder Gast durfte so viel reinwerfen, wie er wollte. Vierzigtausend Franken sind zusammengekommen. „Die Arbeit von Amnesty International liegt mir einfach am Herzen!“ lächelt sie. Und weiter geht’s im Fall.
Der Krimi geht kurios weiter
Ein nervöser Mann mit Mütze versteckt eine Reisetasche unter einem Gullideckel, dann fährt er Straßenbahn. Die Mutter des toten Schokoladenfabrikanten erzählt ihrer Enkelin grausame Wahrheiten über eingefrorene Eizellen, der Verlobte intrigiert. Als Kommissarin Grandjean in eine lebensbedrohliche Situation gerät, versagt ihre Kollegin. Tessa Ott wird daraufhin beurlaubt. Vorübergehend. Dann stürzt sie sich ins Nachtleben.
Tessa Ott: „Meine Eltern sind Milliardäre, hab ich gelesen!“
Zürich ist nicht nur reich, Zürich hat auch eine andere Seite. Das ist die große Überschrift über diesem Tatort. Und daran werden wir minütlich erinnert. Während Kommissarin Grandjean sich im noblen Wohnviertel des Toten trotz Navi ständig verfährt, weil sie im Reichenviertel wohl noch nie war, sind die Eltern von Kommissarin Ott Nachbarn der Schokoladenfabrikantenfamilie. Aber Tessa Ott möchte von Beruf lieber Polizistin als Tochter sein. Und so wendet auch sie sich direkt an mich, schaut mich aus dem Fernseher heraus an und erzählt mir:
Und dann ermittelt sie weiter.
Ein Obdachloser in der Kälte
Kommissarin Grandjean ist dann auch mal an der Reihe, mir ihre Botschaft direkt zu übermitteln. Am Morgen, erzählt sie mir, lag ein Mann in ihrem Hausflur, unter den Briefkästen, in einem Schlafsack. Es ist kalt draußen, minus 5 Grad. Sie hätte für ihn Kaffee kochen können, sie hätte ihm 20 Franken für ein Frühstück geben können (10 reichen in Zürich dafür nicht, sagt sie). Aber sie ist einfach zur Arbeit gegangen. Dann fragt sie mich: „Was hätten Sie getan?“ Und weiter geht’s mit dem Fall.
Viele Probleme, wenig Geschichte im Tatort Zürich
Mein Fazit. Schöner-Wohnen-Hochglanzbilder werden, warum auch immer, mit unvermittelt auftauchenden sozialkritischen Kommentaren gemischt. Als ob ich nicht in der Lage wäre, auch subtilere Hinweise auf die Züricher Arm-Reich-Problematik zu verstehen. Diesen Mix finde ich persönlich eher befremdlich. Dazu hat Kommissarin Grandjean sowieso null Bock auf Zürich und das erzählt sie uns so lange und mit so einer ewig schlechten Laune, dass ich versucht bin zu sagen. „Dann geh doch!“ Und weil alle ein Problem haben und dieses Problem auch ausführlich und andauernd dargestellt wird, bleibt für das bisschen Geschichte drumherum nicht so viel Platz.
Carol Schuler lieber singen lassen
Einziger Lichtblick in dieser Geschichte: Carol Schuler als Kommissarin Tessa Ott. Macht einfach Spaß, ihr zuzuschauen. Und zuzuhören. Statt der Staatsanwältin, sollte vielleicht besser sie in der nächsten Folge eine singende Rolle bekommen. Das kann sie nämlich fast so gut wie Amy Winehouse. Auch wenn ihr, was ich verstehen kann, der ewige Vergleich wahrscheinlich langsam so richtig auf den Keks geht.