Habt ihr das schon mal erlebt? Man bummelt durch Städte oder kleine Dörfer und plötzlich sieht man ein Gebäude oder ein Haus, bei dem man denkt: Was ist das denn für ein Klotz? Was war der Architekt oder die Architektin bitte von Beruf?!
Ganz so einfach sollte man es sich aber nicht machen, findet Architekturhistorikerin und Urbanistin Turit Fröbe. Im SWR3-Interview mit Constantin Zöller erklärt sie den Unterschied zwischen guten und schlechten Bausünden.
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Hässliche und „etwas andere“ Gebäude: Was sind Bausünden?
„Das, auf das wir aufmerksam werden, wenn wir durch die Straße laufen, und die Dinge, die aus der Reihe tanzen, das sind die guten Bausünden“, beschreibt Turit Fröbe. Man lässt sich hinreißen zu fragen „Wie konnte das passieren? Wer hat das genehmigt?“ und wird vielleicht sogar ein bisschen wütend, weil man nicht verstehen kann, wieso sich Menschen dafür entschieden haben. Gute Bausünden zeigen oft Architekturen, die lieber etwas anderes wären – beziehungsweise an welchem Ort die Besitzer vielleicht lieber leben würden.
Ein Haus mit Türmchen, Zinnen und Erkern wäre somit lieber eine Burg, ein Plattenbau, der komplett bemalt ist, wäre vielleicht lieber ein Fachwerkhaus. Häuser im toskanischen Stil oder mit griechischen Säulen lassen vermuten, wo ihre Besitzer gerne ihren Urlaub verbringen. Auch Hobbys an der Fassade können ein Beispiel für eine gute Bausünde sein.
Schlechte Bausünden sind dagegen austauschbar. Man findet sie zu Hunderten und Tausenden, zum Beispiel im öffentlichen Bereich, an Ringstraßen und Hauptachsen. Sie sind langweilig, das Auge rutscht schnell wieder ab. „Es handelt sich um lieblose Architekturen, die in jeder Stadt gleich aussehen“, fasst Architekturexpertin Turit Fröbe zusammen.
Bausünden gehören dazu – in Deutschland fehle baukulturelle Bildung
Turit Fröbe hat in einem Buch viele Beispiele für schöne Bausünden gesammelt und möchte damit eine Message verdeutlichen:
Wenn wir in vielen Jahren auf unsere Baukultur zurückblicken, wird das, was heute in Hochglanz-Architektur-Zeitschriften zu sehen ist, als Baukultur der heutigen Zeit gedeutet. Doch das entspricht nicht der Realität. Baukultur ist ein Spiegel unserer Gesellschaft – und wer ein Gebäude baut, das unter die Kategorie „gute Bausünde“ fällt, sollte stolz darauf sein, findet Fröbe, und Consi fasst zusammen:
10 Bausünden in BW und RLP, die ihr schrecklich findet!
Wir wollen in SWR3 NOW wissen: Habt ihr eine Lieblingsbausünde? Und ihr habt geliefert. Hier sind die in euren Augen hässlichsten Gebäude der Region:
1. Telekom-Hochhaus in Neustadt an der Weinstraße
Das Urteil von Niko fällt hart aus – und die vorgeschlagene Strafe noch härter. 😂 Die Kalmit ist übrigens der höchste Berg des Pfälzerwalds und nach dem Donnersberg der zweithöchste Gipfel in der Pfalz. Von dort ist es auch nicht mehr weit nach Bad Dürkheim – schaut doch mal beim SWR3 Comedy Festival vorbei!
2. Unibibliothek in Freiburg
Freiburg, die Stadt mit den meisten Sonnenstunden Deutschlands, einer schönen Altstadt und einem bunten Studentenleben, hat auch weniger schöne Seiten, findet Elmar aus Freiburg. Die Unibibliothek wurde im Juli 2014 eröffnet – und bald darauf fiel auf, dass die Spiegelung der Fassade bei tief stehender Sonne Autofahrer blendet und behindert.
Comedian Sebastian Lehmann kommt aus Freiburg. In der Comedy-Kolumne „Lehmanns Leben“ erzählt er, wieso der Schwarzwald so besonders ist.
3. Schwabenlandtower in Fellbach
Keine Fragen! Aber noch ein paar Infos: Der Schwabenlandtower ist das höchste Hochhaus Baden-Württembergs – mit einer Höhe von 107 Metern. Es befindet sich noch immer im Bau.
Eigentlich hätte das Gebäude im Jahr 2016 fertiggestellt werden sollen, durch den Wechsel des Bauherren und weiteren Eigentümern verzögerte sich das Bauende. Zuletzt wurde im Februar 2023 bekannt, dass der aktuelle Investor einen Verkauf in Erwägung zieht. Mittlerweile ist die Bauruine ein Paradies für Wildvögel geworden.
4. Jahrmarktbrunnen in Offenbach an der Queich
Was klingt, wie im Schlaraffenland, ist leider nicht essbar. Der Jahrmarktbrunnen in Offenbach/Queich in der Nähe von Landau in der Pfalz zeigt einen Gaukler, der eine Schleife von Süßigkeiten hinter sich herzieht. Der Brunnen ist eine Kunstinstallation und bezieht sich auf den Jahrmarkt, der jedes Jahr auf dem Platz stattfindet.
5. Neuer Marktplatz in Karlsruhe
Die Umgestaltung des Marktplatzes in Karlsruhe hat vor allem die Einwohner, aber auch Touristen viele Nerven gekostet. Nachdem der Platz sieben Jahre von Baustellen geprägt war, wurde die sogenannte Kombilösung am 10. Oktober 2020 eröffnet.
Doch es geht weiter mit den Baustellen und Umbauplänen:
Wieso der Bürgermeister von Karlsruhe von der Baustellenhauptstadt spricht, lest ihr hier.
6. Wollhauszentrum in Heilbronn
Das ehemalige Einkaufszentrum, in dem früher auch eine Kaufhof-Filiale gewesen ist, steht seit Jahren leer. Ein Wohnbauunternehmer hat das Gebäude bei einer Zwangsversteigerung erworben. Was mit dem Gebäude jetzt passiert, lest ihr hier bei SWR Aktuell.
7. Rathaus in Mainz
Stellt man sich ein massives Gebäude aus Stein mit vergitterten Fenstern vor, ist der Gedanke an ein Gefängnis nicht weit hergeholt. In Mainz könnte aber auch das Rathaus damit gemeint sein.
Laut der Webseite der Stadt Mainz wird das Rathaus scherzhaft auch Beamtengefängnis genannt. Bis 1968 gab es in Mainz übrigens gar kein Rathaus. Das aktuelle Rathaus wurde von 1970 bis 1973 erbaut, eine Sanierung wurde 2018 beschlossen. Hier könnt ihr einen Blick in die Baustelle werfen.
8. Forum Gold und Silber in Schwäbisch Gmünd
Das Gebäude hat die Form eines Würfels – aber gedreht, gekippt und verdreht. Fragt man nach der Farbe, sagt man automatisch „gold“, sieht aber auch einen silbernen Schimmer.
Das Forum Gold und Silber in Schwäbisch Gmünd wurde zum Wahrzeichen der Landesgartenschau 2014 – und passt auch zur Gold- und Silberschmiedestadt Schwäbisch Gmünd. Ob man es schick oder gruselig findet, liegt im Auge des Betrachters, auffällig ist es auf jeden Fall.
9. Dorotheen-Quartier in Stuttgart
SWR3-User Martin gruselt sich vor dem Dorotheen-Quartier in Stuttgart, schreibt er auf Facebook unter einem Post. Es befindet sich in der Stuttgarter Innenstadt zwischen Altem Schloss und Stuttgarter Markthalle. Stuttgarter sind seit den ersten Plänen des Projekts 2007 zwiegespalten. Während des Baus ab 2014 gab es die Befürchtung, es würde eine Betonwüste für die Schönen und Reichen entstehen: Im Gebäude trifft man seit der Eröffnung 2017 auf Luxus-Shops, Büroetagen und Mietwohnungen.
Die Stuttgarter Zeitung berichtete kurz nach der Eröffnung, dass die Kritik auch auf die Gestaltung bezogen sei: „Zu wenig grün, zu wenig Sitzplätze, keine Aufenthaltsqualität“, lautete das Feedback einiger User auf Facebook. Doch andere sagten, Stuttgart hätte ganz andere Problem-Baustellen.
Hier den aktuellen Stand und die ganze Historie des Bahnprojekts Stuttgart 21 nachverfolgen.
10. Forum Mittelrhein in Koblenz
SWR3-Facebook-Userin Taraneh denkt bei dem Stichwort Bausünde an ein Einkaufszentrum: Das Forum Mittelrhein steht auf dem Zentralplatz in Koblenz direkt neben dem Kulturgebäude Forum Confluentes und fällt vor allem durch die grüne Fassade in der oberen Hälfte auf.
Dabei handelt es sich um kein Tarnnetz, sondern eine Weinlaubfassade – zumindest war das der Gedanke dahinter. Bei einem Wettbewerb zur Gestaltung setzte sich die Idee durch, eine natürlich begrünte Fassade einzusetzen. Das Ergebnis ist eine künstlerisch abstrakte Übersetzung dieser Idee.
Die Eröffnung des Einkaufszentrums liegt schon zehn Jahre zurück. Hier lest ist, wie ein neues Konzept des Forum Mittelrhein aussehen soll.
Welche hässlichen Gebäude sind euch jedes Mal ein Dorn im Auge? Schreibt eure Bausünden in die Kommentare!