Wie funktioniert diese Verhütungs-App genau?
Im Grunde ist es die gute alte Temperaturmethode: das heißt, die Nutzerinnen der App messen jeden Morgen noch vor dem Aufstehen ihre Temperatur, und zwar unter der Zunge. Wichtig ist, dass das immer etwa zur gleichen Zeit passiert. Und man braucht ein sogenanntes Basalthermometer – das zeigt die Temperatur auch noch zwei Stellen nach dem Komma an. Nach dem Eisprung steigt die Temperatur um ein viertel bis halbes Grad an. Daraus errechnet die App dann die fruchtbaren Tage, die werden rot angezeigt, das heißt: Achtung, kein ungeschützter Sex! Gefährlich sind vier Tage vor dem Eisprung bis einen Tag danach – mit Sicherheitspuffer kommt die App im Schnitt auf zehn rote, also riskante Tage pro Zyklus.
Wie sicher ist diese App?
Natural Cycles ist die erste Verhütungs-App, die TÜV-zertifiziert ist. Wenn der TÜV seinen Stempel draufgedrückt hat, hat man vielleicht das Gefühl, dass es super sicher sei. Aber es gibt auch Bedenken. Charlotte Grieser aus der SWR Wissenschaftsredaktion warnt: Die Zertifizierung bedeutet nur, dass die App richtig rechnet, dass der Algorithmus stimmt. Das heißt aber nicht, dass sie bei der Verhütung zuverlässig ist.
Dazu kommt: Wenn Frauen einen ganz regelmäßigen Zyklus haben und auch sonst einen eher ruhigen Alltag, kann die Methode prima funktionieren – schwierig wird es, wenn das Leben eher turbulent ist. Die Macher der App weisen selbst daraufhin, dass das Messen nichts bringt, wenn man sich krank fühlt, am Abend vorher Alkohol getrunken hat oder zwei Stunden früher oder später aufsteht als sonst. Das sind aber längst nicht alle Ausnahmen: Die Temperatur schwankt auch, wenn Frauen Stress haben, auf Reisen sind oder vor dem Schlafengehen noch Sport treiben. Und wer im Schichtdienst arbeitet, für den kommt das Ganze auch nicht in Frage.
Warum warnen manche Ärzte davor, die Verhütungs-App zu nutzen?
Der Präsident des Berufsverbands der Frauenärzte hat die App als „hochgradig unsicher“ bezeichnet, eben weil der Temperaturanstieg so viele unterschiedliche Ursachen haben kann – wirklich sichere Verhütung sieht anders aus. Allerdings sagen die Hersteller der App selbst, dass sie vor allem Frauen in festen Langzeit-Beziehungen ansprechen wollen. Also Frauen, für die eine Schwangerschaft eher keine Katastrophe wäre. Gleichzeitig wirbt die App damit, dass sie mit 99,5 Prozent so sicher sei wie die Pille – und stützt sich dabei auf eine Studie mit rund 4000 Frauen. Der Haken dabei: Auch Nutzerinnen, die nur drei Monate mitgemacht haben, wurden gezählt, im Schnitt wurden die Frauen nur ein halbes Jahr beobachtet. Wenn jemand in so kurzer Zeit nicht schwanger wird, kann das auch Zufall sein. Von daher sind die Daten einfach nicht aussagekräftig, obwohl die App ganz heftig Werbung damit macht.