Der tote Kreml-Kritiker Alexej Nawalny ist in Moskau beerdigt worden. Auch Stunden später defilierten immer noch Menschen an seinem Grab vorbei.
Menschen skandieren „Nawalny, Nawalny!“ und „Nein zum Krieg!“
Rund um die Trauerfeier und die Beerdigung hat sich die Stimmung im Laufe des frühen Nachmittags aufgeheizt. Nach der Beerdigung skandierten viele „Nein zum Krieg!“ (in der Ukraine). Videos vom Ort der Trauerfeier zeigen aber vor allem Tausende Menschen, die Nawalnys Namen rufen:
Nawalny-Anhänger: „Nieder mit der Macht der Mörder“
Beobachter sagen, die Polizei wirke überfordert. Und die Menge schien ständig zu wachsen:
Viele riefen auch „Nieder mit der Macht der Mörder“, „Wir werden nicht verzeihen“ und: „Er hatte keine Angst und wir haben keine Angst“. Auf dem Friedhof waren auch Nawalnys Eltern Ljudmila und Anatoli, um Abschied zu nehmen.
Deutschlands Botschafter auch bei Nawalny-Trauerfeier
Unter den Trauernden ist auch der deutsche Botschafter in Moskau, Alexander Graf Lambsdorff. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes sagt in Berlin, Lambsdorff sei zusammen mit seinem französischen Kollegen als Beobachter anwesend.
Bilder auf X zeigen, wie Träger den Sarg in die Kirche bringen:
Später, auf dem Weg zum Friedhof, werfen Menschen Blumen auf den Leichenwagen:
Als der Sarg ins Grab gesenkt wurde, erklang der Abschlusssong aus dem Film „Terminator 2“ – Nawalnys Lieblingsfilm, wie seine Sprecherin Kira Yarmish auf X mitgeteilt hat.
Nawalny-Sprecherin Yarmish hatte sich zuvor auf X bei allen Trauergästen bedankt: „Vielen Dank an alle, die gekommen sind und weiterhin kommen.“ Selbst aus den Fenstern einer nahe gelegenen Schule seien „Nawalny“-Rufe zu hören, hat Yarmish mitgeteilt.
NGO: Dutzende Festnahmen in ganz Russland – auch in Moskau
Grundsätzlich schien die Polizei sich zurückzuhalten. Nach Angaben der Nichtregierungsorganisation OWD-Info wurden landesweit mehr als 100 Menschen im Zusammenhang mit den Trauerbekundungen festgenommen.
In Moskau, wo tausende Menschen an den Trauerfeierlichkeiten für Nawalny teilgenommen hatten, wurden demnach rund 100 Personen in Gewahrsam genommen. Die meisten Festnahmen habe es in der sibirischen Stadt Nowosibirsk gegeben.
Nawalny-Witwe postet Video mit Liebesbotschaft: „Vielen Dank für 26 Jahre absoluten Glücks"
Nawalnys Witwe, Julia Nawalnaja, postete zeitgleich ein Video mit Bildern von ihr und Nawalny. Dabei sieht man, wie Nawalny bei einer seiner Gerichtsverhandlungen ein Herz auf die Trennungsscheibe zeichnet. „Vielen Dank für 26 Jahre absoluten Glücks", schrieb Nawalnaja unter anderem dazu:
Eiskalte „Botschaft“ aus dem Kreml
Putins Sprecher Dmitri Peskow sagte, er habe der Familie Nawalnys nichts zu sagen. Stattdessen erinnerte er die Russen daran, bestehende Gesetze zu befolgen. „Jede nicht autorisierte Versammlung ist gegen das Gesetz, und diejenigen, die daran teilnehmen, müssen sich dafür verantworten.“ In den Staatsmedien spielte die Beisetzung kaum eine Rolle.
Der Leichnam von Kremlgegner Alexej Nawalny war erst spät für die Trauerfeier zu einer Kirche in Moskau gebracht worden. Ort der Feier war die Kirche zu Ehren der Gottesmutterikone „Lindere meine Trauer“.
Scholz würdigt den Mut der Trauernden
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zeigte sich ergriffen vom Mut der Menschen in dem Trauerzug. Auf X schrieb er:
Nawalny-Team: Behörden behinderten Trauerfeiern und Beisetzung im Vorfeld
Erst am Freitagmorgen haben Nawalnys Angehörige den Leichnam des 47-Jährigen erhalten – mit Verzögerung. Sie seien um 10:00 Uhr dort gewesen, aber hätten den Leichnam erst nicht und dann mit Verspätung bekommen, teilte Nawalnys Team mit.
Jarmysch schrieb in den vergangenen Tagen immer wieder auf X, dass die Behörden die Vorbereitungen für die Trauerfeier behinderten. Unter anderem hatte das Team es tagelang nicht geschafft, einen Leichenwagen zu organisieren, der Nawalnys Körper nach Moskau bringt. Die Bestattungsunternehmen erhielten Drohanrufe von Unbekannten, die sie davor warnten, den Leichnam zu transportieren, schrieb sie.
Nawalnys Witwe spricht im EU-Parlament und nennt Putin „blutiges Monster“
Julia Nawalnaja, Nawalnys Witwe, hatte im Vorfeld wenig Zeit, um ihren Mann zu trauern. Unter anderem war zwei Tage vor der Beisetzung als Gast im Europäischen Parlament in Straßburg. Sie hielt eine Rede und erinnerte die EU-Abgeordneten daran, in welcher Freiheit sie und die Menschen in der EU leben können – mit freien Wahlen und der Möglichkeit, frei die Meinung zu äußern. All das sei in ihrer Heimat nicht möglich.
In ihrer Rede rief Nawalnaja den Westen außerdem dazu auf, gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin und seine Helfer vorzugehen. Putin nannte sie ein „blutiges Monster“. Man könne ihn nicht mit einer weiteren Resolution oder einer weiteren Reihe von Sanktionen schaden, die sich nicht von den vorherigen unterschieden. „Putin ist der Anführer einer organisierten Verbrecherbande, darunter auch Giftmischer“, sagte sie. „Wir alle müssen die kriminelle Bande bekämpfen.“ Julia Nawalnaja und viele andere machen den russischen Präsidenten persönlich für den Tod Nawalnys verantwortlich.
Alexej Nawalny war Putins größter Widersacher
Nawalny galt als der größte politische Gegner von Präsident Wladimir Putin. Er war zu 19 Jahren Haft verurteilt worden, unter anderem unter dem Vorwurf des Extremismus. Er saß seit Januar 2021 in Haft.
Zuvor hatte er sich von einer Vergiftung erholt, für die er den Kreml verantwortlich machte. Die Vorwürfe gegen ihn nannte er politisch motiviert.
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