Unwürdig – der Fall Christian Wulff. Episode 4: Der Aufzug
Man könnte meinen: Da hat sich ein Dream-Team gefunden – Christian und Bettina Wulff einerseits und die Bild-Zeitung andererseits. Zumindest sah das das alles sehr harmonisch aus, bevor Wulff Bundespräsident wurde – also in der Zeit, in der er noch Ministerpräsident in Hannover ist. Die Berichte über ihn klingen damals noch auffällig positiv – sogar eigentlich negative Schlagzeilen.
[Anfang: Collage eingelesener Schlagzeilen]
„Groß, blond, nett: Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (50, CDU) wird das Image vom lieben Schwiegersohn nicht los.“
„Der auch? Dieser Schwiegermutter-Traum, dieser Mustergatte? Ja, auch der, leider! Politiker sind halt auch nur Menschen, was sonst. Mit Schwächen. Christian Wulff hat es gerade wieder bewiesen. Ihn zu verurteilen wäre leicht – und billig“
„Regierungschef, Vater, Geliebter und Noch-Ehemann – wie kriegt Christian Wulff das bloß so prima hin?“
„Heimliche Hochzeit! – Christian Wulff – Jetzt kommt das Baby ehelich zur Welt“
„Es war eine Hochzeit ein bisschen wie im Märchen! Mit strahlendem Sonnenschein und einem Teppich aus Blütenblättern! Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (48) und Lebensgefährtin Bettina Körner (34) haben sich im romantischen Fünf-Sterne-Schlosshotel Münchhausen bei Hameln (Niedersachsen) das Jawort gegeben. (…) Zum Empfang im Schlosshof gibt es herzförmige Erdbeertörtchen und Rosé-Champagner.“
„Christian Wulff im Baby-Glück!“
[Ende: Collage eingelesener Schlagzeilen]
Christopher: Ja. So klang das eine Zeit lang, wenn die Bild über Christian Wulff geschrieben hat. Wohlgemerkt: Über Christian Wulff, den Ministerpräsidenten von Niedersachsen.
Kilian: Sogar in der Zeit, als Christian Wulff sich von seiner früheren Ehefrau getrennt hat. Man hätte ihn theoretisch in der Luft zerreißen können. Hat man aber nicht gemacht. Stattdessen war das Motto: Der Christian Wulff, der ist einer von uns – und da passiert so was halt mal. Und selbst in der Scheidung ist er ein Vorbild. Und so weiter.
Christopher: Warum erzählen wir das? Ganz einfach: Wir haben uns gewundert, warum gerade die BILD erst so positiv ihm gegenüber war. Und das dann so gekippt ist. Dem wollten wir nachgehen. Und in unseren Gesprächen mit verschiedenen Leuten kam auch immer wieder durch: Christian Wulff soll auch ab und zu mal gerne sein Privatleben schön für die Presse inszeniert haben. Und dann spricht er ja auch in der berühmten Mailbox-Nachricht vom Bruch mit dem Springer-Verlag.
Kilian: Ja. Und wenn was brechen kann, dann muss da ja auch irgendwas sein. Und deswegen wollten wir mal ein paar Fragen nachgehen: Was war damals los? Gab es diesen guten Draht zur BILD-Zeitung? Und wenn ja: Warum hat sich das geändert? Und wir fangen an in der Zeit, in der die Wulffs noch in Hannover unterwegs waren – und an das Schloss Bellevue wahrscheinlich noch gar nicht gedacht haben.
Christian Wulff – von der Bild regelmäßig auch versehen mit dem Titel „Deutschlands beliebtester Politiker“. Der ehemalige Chefreporter des NDR, Christoph Lütgert, erinnert sich noch an eine ganz bestimmte Situation.
Christoph Lütgert: „Das war nicht nur die BILD-Zeitung, das war regelrecht inszeniert und da zeigt man, dass Wulff eben sich für alles hergab. Da musste seine neue Frau, die Bettina, irgendwie mal in die Öffentlichkeit eingeführt werden, da hatten man sie ja noch, da waren die beiden ja noch nicht verheiratet. Da machten die beiden, inszenierten einen Wald-Spaziergang und die Presse wurde vorher unterrichtet und an einer ganz bestimmten Stelle im Wald standen dann die Kameras. Das war ein Witz, die Kameras und auch die Journalisten, also ein ganzes Rudel. Und Wulff kommt mit seiner Frau, Freundin, Bettina auf die zu und sagt noch allen Ernstes ‘Huch’.”
Christian Wulff, Archivaufnahme: „Wie haben Sie denn rausgefunden, wo wir immer sonntags spazieren gehen? Ich bin ganz verblüfft.”
Sagt Wulff damals in die Kamera, mitten im Wald. Er lächelt. Die Verblüffung nehmen ihm wohl nicht viele ab. Christoph Lütgert schreibt uns noch per Mail hinterher: „Das war soooooo plump.“ Inszeniert oder nicht – die Bilder, die so entstehen, sind unbezahlbar für Wulff. Und es fällt auf: Besonders die Bild hat immer wieder exklusive Informationen, exklusive Bilder, exklusive Nachrichten. Es sieht aus als würde kein Blatt zwischen die Wulffs und die Zeitung passen. Gab es etwa Absprachen? Wir fragen nach bei Christian Wulff.
Christian Wulff: „Ich habe in der Regel erlebt, dass die BILD-Zeitung besonders gut informiert war, vor allem über Dinge die nicht nur politisch sind, die andere auch gar nicht so interessieren. Aber was dann behauptet wurde, der hat da offensiv vermarktet, Homestory und Hochzeit und Geburt des Kindes und so weiter, das ist natürlich alles völliger Quatsch.”
Und auch der damalige Bild-Chef Kai Diekmann bestreitet, dass es von seiner Seite aus irgendeine Art von Geschäftsbeziehung gab.
Kai Diekmann: „Wenn es überhaupt eine Beziehung gegeben haben soll, dann muss er diese Beziehung gesehen haben.“
Also alles Zufall? Beobachter wie der NDR-Landespolitikkorrespondent Dirk Banse glauben da nicht dran.
Dirk Banse: „Das war inszeniert, das war explizit mit der BILD-Zeitung inszeniert. Ich erinnere zugleich an die Hofberichterstattung bei der Hochzeit 2008, das war nicht nur in der BILD, aber auch in der BILD. Dass ihm die BILD-Zeitung genutzt hat und dass es der BILD-Zeitung auch genutzt hat, mit den Kennedys von der Leine hausieren zu gehen, das steht für mich außer Frage.”
[Anfang: Eingesprochenes Lexikon, Eintrag: Leine, Stimme: Uwe Lueb]
Leine, Komma, die: Die Leine ist ein knapp 280 Kilometer langer Fluss in Thüringen und Niedersachsen. Sie fließt auch durch Hannover – also dem Ort, in dem die Familie Wulff damals gearbeitet und im weitesten Sinne auch gelebt hat.
[Ende: Eingesprochenes Lexikon]
Ein Mann, der die Berichterstattung der Bild über Wulff bis ins Detail untersucht hat, ist Wolfgang Storz. Er ist Medienberater und war zeitweise Chefredakteur der Frankfurter Rundschau. Er hat für die gewerkschaftsnahe Otto-Brenner-Stiftung alle Bild-Artikel analysiert, die seit 2006 über die Wulffs erschienen sind. Und das ist seine Schlussfolgerung.
Wolfgang Storz: „Zu BILD wurde systematisch eine eben Geschäftsbeziehung aufgebaut, ein klarer Deal: du kriegst eine positive Berichterstattung und wir liefern. Das war in der Journalisten-Szene, ohne dass Belege, Abschriften von Telefonaten oder was auch immer vorlag, das war im Prinzip auch bekannt.”
Wir haben ja schon gehört: Bild hat auffällig positiv über den damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff berichtet. Belege für eine Geschäftsbeziehung gibt es allerdings nicht. Aber eines kann man festhalten -- böse Worte in den Berichten: Fehlanzeige.
Wolfgang Storz: „Zumal in dieser Zeit es immer wieder auch Ereignisse gab, wo eigentlich BILD gewöhnlich bei anderen Politikern die Ereignisse nützt, um sie in die Pfanne zu hauen. Also Herr Wulff hat sich scheiden lassen, das ist für einen konservativ-christdemokratischen Politiker immer ein heißes Eisen. Dann hatte er in diesem Zeitraum eine Flug-Affäre, ein Upgrade. All diese Probleme hätte BILD und nützt BILD gewöhnlich, um Politiker anzugreifen, vielleicht sogar eine kleine Kampagne zu machen – Nichts davon, immer positiv.”
[Anfang, Ausschnitt Bundesversammlung, 30.06.2010]
Norbert Lammert: „Christian Wulff: Nehmen Sie die Wahl zum Präsidenten der Bundesrepublik Deutschland an?”
Christian Wulff: „Sehr geehrter Herr Präsident, ich nehme die Wahl außerordentlich gerne und aus Überzeugung an und freue mich auf die verantwortungsvolle Aufgabe.“
[Ende, Ausschnitt Bundesversammlung, 30.06.2010]
Christian Wulff verlässt die Staatskanzlei in Hannover im Jahr 2010 und wird Bundespräsident. Der Jubel bei BILD muss riesig gewesen sein. Man hat nicht mehr nur einen guten Draht zu einem Ministerpräsidenten, der zufälligerweise auch recht beliebt ist. Nein. Man kann jetzt sogar davon ausgehen, dass der Draht ins Schloss Bellevue äußerst kurz ist – zum höchsten Mann im Staat.
Wolfgang Storz: „BILD konnte immer darauf verweisen, wir haben dich zu dem gemacht, was du jetzt bist. Und das kann BILD wirklich zurecht behaupten, es fand eine, man muss sagen, PR-Arbeit für Herrn Wulff statt, die bezahlt worden ist mit vielen kleinen und großen exklusiven Informationen. Und ich wäre blöd, als BILD, wenn ich diese Zusammenarbeit ausgerechnet dann, wenn dieser Mann im Bundespräsidialamt ist, beende oder etwas tue, dass sie nachhaltig gestört ist.”
Auch als Wulff in Berlin ist, geht die positive Berichterstattung erstmal weiter. Ein paar Kostproben:
[Anfang: Collage eingelesener Schlagzeilen]
„Lateinamerika feiert unser Präsidentenpaar! Egal wo, egal welcher Anlass: So jung, so schön, so frisch hat sich Deutschland noch nie präsentiert.“
„29 Grad, strahlender Sonnenschein und jede Menge Dolce Vita – Christian Wulff (52) und seine Frau Bettina (37) zu Gast in Bella Italia.“
„Die Wulffs verzaubern den Kreml“
„So herrlich normal ist der Bundespräsident als Ehemann. Morgens, 11.30 Uhr, am Berliner Hauptbahnhof: Christian Wulff (51) schlendert in Jeans und Steppjacke mit einem Becher ‚Coffee to go‘ in der Hand aus dem Gebäude“
„Hier steht Wulff bei Karstadt an“
[Ende: Collage eingelesener Schlagzeilen]
Übrigens ist auch das eine Original-Schlagzeile von Bild. Und auffällig ist: Es geht selten um den Bundespräsidenten Christian Wulff allein. Die Rede ist oft entweder von der First Lady Bettina Wulff – oder vom Präsidentenpaar.
Kai Diekmann: „Bettina Wulff war natürlich eine total spannende First-Lady.”
Sagt dazu der damalige Chefredakteur der Bild, Kai Diekmann.
Kai Diekmann: „Für nichts interessieren sich Menschen so sehr, wie für andere Menschen. Und das ist natürlich ein Stück weit auch Kern des Journalismus von BILD, dass wir über Menschen berichten, weil wir fest davon überzeugt sind, dass Emotionen Menschen bewegen und nicht nur Sachverhalte. Und insofern war sie natürlich eine ganz ganz ganz spannende First-Lady und war natürlich auch für alles was mit People-Journalismus zu tun hat ein Stückweit auch ein Glücksfall.”
[Anfang: eingelesene Bild-Schlagzeile]
„Expedition Romantik: „Bundespräsident Christian Wulff und Gattin Bettina auf Staatsbesuch in der Golfregion „
[Ende: eingelesene Bild-Schlagzeile]
Titelt die Bild am Sonntag am 11. Dezember 2011.
[Anfang: eingelesene Auszüge aus BILD-Artikel]
„Bei der Omanreise ließen Bettina und Christian Wulff die Delegation in der Stadt zurück und übernachteten in einem Wüstencamp. Um 5.45 Uhr standen sie auf und genossen den Sonnenaufgang über den Dünen. (…) Auf Einladung des Sultans von Oman verbrachten sie eine romantische Nacht in der Wüste. (…) In dem abgelegenen Wüstencamp genossen Christian und Bettina Wulff den Sonnenuntergang sowie ein Abendessen unter dem Sternenhimmel. (…) Bettina Wulff hatte vorsorglich Wollsocken eingepackt.“
[Ende: eingelesene Auszüge aus BILD-Artikel]
Moment mal. Staatsbesuch in der Golfregion? Im Dezember? Da war doch was.
[Anfang: eingesprochene Mailbox-Nachricht von Christian Wulff an Kai Diekmann]
„Guten Abend, Herr Diekmann, ich rufe Sie an aus Kuwait. Bin grad auf dem Weg zum Emir und deswegen hier sehr eingespannt […]. Ich bin in vier Golfstaaten unterwegs und parallel plant einer Ihrer Journalisten seit Monaten eine unglaubliche Geschichte, die morgen veröffentlicht werden soll und die zum endgültigen Bruch mit dem Springer-Verlag führen würde.“
[Ende: eingesprochene Mailbox-Nachricht von Christian Wulff an Kai Diekmann]
Genau um diese Reise geht es hier. Als der Artikel über die romantische Wüstennacht erscheint, tobt im Hintergrund schon der Streit über den nächsten Bild-Artikel – der zum Hauskredit. „Expedition Romantik“ soll der letzte positive Artikel über die „Deutschen Kennedys“ gewesen sein.
Christopher: Also wirklich von heute auf morgen schwenkt die Bild um. Vom guten Wulff zum bösen Wulff kann man fast sagen.
Kilian: Ich finde eigentlich schon ziemlich krass, wie nahtlos das gegangen ist, eigentlich. Sonntags kommt noch der Artikel raus über die Romantik-Reise. Einen Tag bevor Wulff auf die Mailbox von Diekmann gesprochen hat. Weil er ja wusste, dass die Bild diesen Negativ-Artikel über den Hauskauf vorbereitet.
Christopher: Vielleicht ein kurzer Rückblick, um was es da ging: Wulff hat sich zusammen mit seiner neuen Frau ein Haus in der Nähe von Hannover gekauft. Das Geld dafür kam von der Frau eines befreundeten Unternehmers. Das hat er aber dem Landtag so nicht gesagt.
Kilian: Naja, und da wurden viele Reporter hellhörig. Und auch die Bild berichtet darüber, dass es da möglicherweise Ungereimtheiten gegeben haben könnte. Viel später wurde das natürlich aufgeklärt, es blieb auch nichts davon übrig. Aber zu diesem Zeitpunkt wusste man das so noch nicht.
Christopher: Und wir wollen natürlich wissen: Was ist da vorgefallen? Warum ist die Stimmung bei der Bild, also ausgerechnet bei der Bild, plötzlich gekippt?
Jetzt kommt das, was der Vorstandschef von Axel Springer, Mathias Döpfner, mit einem Satz gut beschrieben hat: „Wer mit der BILD im Aufzug nach oben fährt, der fährt auch mit ihr im Aufzug nach unten“. Genau so ist es jetzt: Für Wulff ging es lange nach oben. Und jetzt geht es eben auch wieder nach unten.
Aber warum? Wir gehen auf Spurensuche und bekommen Hinweise, woran es gelegen haben könnte, dass BILD plötzlich doch recht negativ über Christian Wulff berichtet. Einen Hinweis gibt Christian Wulff selbst.
Christian Wulff: „Ich habe jedenfalls bewusst entschieden, keine Bevorzugung, keine Begünstigung irgendeines Mediums, keine enge Kooperation mit irgendeinem Medium. Ich wollte ab dem Tag der Wahl zum Bundespräsidenten absolut neutral sein.”
War die Bild womöglich enttäuscht, dass sie nicht mehr die ersten und manchmal auch die einzigen waren, die Informationen bekommen?
Christian Wulff: „Wenn es Erwartungen gab, weil man in Hannover mit dem Ministerpräsidenten gut zusammengearbeitet hat, könne man das so weitermachen auch mit dem Bundespräsidenten, dann sind diese Erwartungen bitter enttäuscht worden, weil ich mit der Wahl zum Bundespräsidenten gesagt habe, ich bin jetzt überparteilich und ich werde Medien allesamt gleich und gleichermaßen fair behandeln.”
Ein anderer Hinweis führt zu einer Reise des Bundespräsidenten nach Afghanistan. Üblicherweise werden zu solchen Reisen Reporter eingeladen, um darüber zu berichten. Das ist auch passiert. Die BILD-Zeitung war allerdings nicht dabei. Es gab keine Einladung für sie. Das kann ein Versehen gewesen sein – wobei es laut Kai Diekmann eine mündliche Zusage gab, dass Bild mitfliegen darf. Was auch immer der Grund war. Das Ergebnis ist: Wulff fliegt ohne Bild nach Afghanistan. Und das hat Folgen.
Kai Diekmann: „Ich war enttäuscht.”
Ex-Bild-Chef Kai Diekmann gibt es unumwunden zu.
Kai Diekmann: „Ähm, ich sage mal so, es hat zumindest nicht zur Verbesserung eines Vertrauensverhältnisses beigetragen und es geht ja nicht nur darum, um eine einfache Zusage, auch das liegt ja im Ermessen des Bundespräsidenten […]. Ähm, der Vorgang war ein bisschen anders, wir hatten im Vorfeld erfahren von einer geplanten Afghanistan-Reise und Sie wissen, wie üblicherweise diese Reisen geplant werden, sehr im Vertrauen und waren gebeten worden […] vom Präsidialamt, das bitte nicht zu berichten […] -- mit der Zusage, dass wenn es so weit ist, wir auf jeden Fall dabei seien. […] Und das fand ich war ein Deal, den man machen kann. Und der Deal ist dann nicht eingehalten worden. Auch das ist ja eine Entscheidung, aber sie hat natürlich wahrscheinlich das Vertrauensverhältnis nicht wirklich verbessert.”
Könnte das der Bruch zwischen den Wulffs und Bild gewesen sein? Die Enttäuschung, dass Bild nicht mehr exklusiv an Informationen kommt – und dann noch nicht mal mehr zu einer Auslandsreise eingeladen wird? Es ist vorstellbar, dass man darüber enttäuscht ist. Aber ist das ein Grund, Wulff niederzuschreiben?
Ein weiterer Hinweis kommt von Wolfgang Storz, der die Beziehung Bild und Wulff ja gründlich untersucht hat.
Wolfgang Storz: „Also es war damals ein ein offenes Geheimnis, dass vor allen Dingen Stern und Spiegel schon seit, spätestens seit Sommer 2011 an dieser Geschichte dran waren. Also es gab Gerüchte um diese Kredit-Vergabe von dem sogenannten väterlichen Freund, Herrn Geerkens, an Wulff. Und diese beiden Medien, die ja ebenfalls sehr recherchestark sind, waren da dran.“
Es ist also klar: Reporter aus anderen Häusern sind ebenfalls an Wulff dran, planen womöglich eine große Geschichte darüber, wie Wulff sein gekauftes Haus finanziert hat.
Wolfgang Storz: „Ich denke, da war BILD in der Tat auch getrieben. Also sie wussten immer, es hätte ein Worst-Case für sie entstehen können. Der Worst-Case ist, wir haben sechs, sieben Jahre lang den Wulff auf ein Podest gehoben und ihn als rundum gelungen Politiker, Familienvater, Mensch dargestellt. Und dann kommt Konkurrenz, eben Stern oder Spiegel oder beide und die zertrümmern dieses Bild. Dann wäre auch vielleicht die Frage aufgekommen, ja wie kann BILD denn so jemanden, weil die ganzen Verfehlungen waren ja in dem Zeitraum, in dem BILD ihn so toll dargestellt hat, ähm wie konnte BILD denn das machen? Und das heißt, BILD musste darauf achten: Wir müssen wieder die Ersten sein, […] das Geschöpf das wir sozusagen, dieses positive Geschöpf, das wir in jahrelanger Arbeit geschaffen haben, das müssen wir zerstören auch, weil sonst kommen wir richtig in die Bredouille.”
Kilian: Wir haben auch mit einigen Leuten gesprochen, die nicht hier auftauchen wollen. Und es spricht vieles dafür, dass sich mit dem Umzug nach Berlin einiges geändert hat. Da muss gar keine böse Absicht dahinter stecken. Aber Hannover ist kleiner als Berlin. Man kennt sich und da funktioniert wohl auch viel auf dem kleinen Dienstweg. Man trifft Reporter häufiger, die erfahren durch Zufall vielleicht auch mehr und fragen direkt mal nach. Alles ein bisschen kleiner eben. Und es interessieren sich auch insgesamt gar nicht so viele Medien für einen.
Christopher: Und in Berlin ist das eben nicht so. Da gibt es nicht nur die kleine Lokalzeitung und die Lokalredaktion der Bild, so wie das in etwa in Hannover ist. Da gibt es eben Medien aus ganz Deutschland. Da gibt es große Zeitungen, große Fernsehsender, die sich nicht unbedingt für Landespolitik in Niedersachsen interessieren, aber sehr wohl für den Bundespräsidenten. Und die wollen alle mit Infos versorgt werden. Und da geht es eben nicht, dass man da nur mit den immer gleichen Medien spricht oder denen Infos steckt.
Kilian: Wir wissen nicht, ob es diese Erwartung bei der Bild gab. Aber natürlich hat jedes Medium ein Interesse daran, mit den besten Informationen versorgt zu werden und sozusagen in der Pole Position zu sein.
Christopher: Und das hat nicht geklappt – zumindest mal in diesem Fall bei der Afghanistan-Reise. Da wurde das alles sehr deutlich. Und da spielt dann natürlich Enttäuschung eine große Rolle, wie Kai Diekmann uns das auch im Fall der Reise nach Afghanistan verraten hat. Unglaublich eigentlich, wie einfach das manchmal sein kann.
Kilian: Und Geschäftsinteresse steckt auch dahinter. Private Medien wollen Geld verdienen. Und deswegen läuft das oft so: Die Story, die am meisten verspricht, wird gebracht. Und Wulff war dann irgendwann offenbar nicht mehr so vielversprechend für die Bild oder andersherum: Die Krawall-Geschichten über Wulff waren einfach besser. So funktionieren Medien, die sich verkaufen müssen – oder die geklickt werden wollen. Und der Experte Wolfgang Storz meint auch sinngemäß: Wenn sowieso andere Medien an Wulff sägen, musste man wohl selbst bei der Bild aufpassen, dass das nicht irgendwie auf sie abfärbt.
Wulff kommt also weiterhin in Bedrängnis. Es tun sich immer wieder aktuelle Dinge auf, die ihn nicht gut aussehen lassen. Und im Hintergrund holt ihn ein Fehler wieder ein.
Mehr in Episode 5.