Die Abgründe, die sich den Reporterinnen des funk-Reportageformats STRG_F aufgetan haben, sind erschütternd. Mehr als ein Jahr lang haben Isabell Beer und Isabel Ströh in Gruppen des Messengers Telegram recherchiert, in denen scheinbar völlig unbehelligt Tipps zur Vergewaltigung von Frauen und Aufnahmen von sexualisierter Gewalt geteilt werden.
Telegram-Chatgruppen für sexuellen Missbrauch
Dutzende Gruppen haben die beiden beobachtet, dokumentiert und analysiert – mit hunderten bis zehntausenden Mitgliedern. Darunter waren auch deutsche User. In den Gruppen fand ein reger Austausch darüber statt, wie man Frauen unbemerkt betäuben kann, um sich dann an ihnen zu vergehen. Es wurden Vergewaltigungen angekündigt und sich gegenseitig dazu angefeuert.
Teilweise wurde behauptet, die Betroffene sei einverstanden. In den meisten Fällen brüsteten sich die User aber damit, dass sie nichts davon wisse. Die betroffenen Frauen wurden als Schwester, Mutter, Freundin oder Ehefrau bezeichnet. Manche Nutzer boten auch anderen ihre Partnerinnen zum Missbrauch an.
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K.O.-Tropfen getarnt und nicht nachweisbar
Neben Anleitungen zur Betäubung der Frauen wurden auch Links zu Online-Shops geteilt, in denen man beispielsweise K.O.-Tropfen kaufen kann. Manche dieser Betäubungsmittel sind als Fläschchen von Wimpernkleberentferner oder Haarserum getarnt – also völlig unauffällig aufzubewahren und blieben auch bei einer eventuellen Hausdurchsuchung unbemerkt.
Das STRG_F-Recherche-Team hat das „Haarpflegemittel“ bestellt und den Inhalt untersuchen lassen. Was Volker Auwärter, Toxikologe am Universitätsklinikum Freiburg, darin fand, schockierte ihn: Mit Medetomidin, einem Tiernarkosemittel, Flualprazolam, einem Designer-Benzodiazepin, und Scopolamin, einem Medikament gegen Erbrechen, waren gleich drei gefährliche Substanzen enthalten. In dieser Kombination seien sie mit Standardtests nicht nachzuweisen.
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Vergewaltigung auf Telegram: Was sagen die Behörden?
Nach Strafgesetzbuch § 177 Absatz 2 sind sexuelle Handlungen an Bewusstlosen strafbar. Allerdings ist es nicht verboten, Aufnahmen davon zu besitzen, wie eine erwachsene Person vergewaltigt wird.
Das Bundesinnenministerium hat STRG_F nicht auf konkrete Fragen zum Telegram-Netzwerk geantwortet, rät aber allgemein dazu, sexuelle Übergriffe zeitnah zur Anzeige zu bringen. Zudem verweist das Ministerium darauf, dass auch kriminelle Handlungen im Internet von der Polizei verfolgt würden, wenn dieser Hinweise darauf bekannt würden.
Das Bundeskriminalamt erinnert an die Meldefunktion, um den Anbieter auf entsprechende Gruppen hinzuweisen, damit diese gelöscht werden. Von Telegram selbst hieß es: „Telegram verfolgt eine Null-Toleranz-Politik gegenüber Missbrauch seiner Plattform und alle Nutzer, die dabei erwischt werden, werden sofort gesperrt.“ Strafverfolgungsbehörden gebe Telegram nach Prüfung IP-Adressen und Telefonnummern weiter.
Die komplette Reportage von STRG_F könnt ihr euch hier anschauen:
Was du beim Verdacht auf K.O.-Tropfen tun kannst
Der Verein M’endors pas hat einige Tipps zusammengestellt, falls du den Verdacht hast, dass dir jemand K.O.-Tropfen verabreicht hat:
- Bewahre das Getränk oder Lebensmittel auf, mit dem dir das Mittel verabreicht worden sein könnte
- Wenn möglich, sichere das mögliche K.O.-Mittel, zum Beispiel Medikament, direkt
- Nimm eine Haarprobe: Betäubungsmittel verschwinden schnell aus Blut und Urin (innerhalb von Stunden bis Tagen, je nach den verwendeten Substanzen), können aber oft noch durch eine Haaranalyse nachgewiesen werden. Damit dies möglich ist, solltest du dein Haar nicht schneiden, färben oder bleichen.