Lehrer im Interview: Bob Blume über das „Wir“-Gefühl in Schulen
Wo gibt es ein „Wir“-Gefühl in Schulen und wie können Lehrer, Schüler und Eltern es fördern? Lehrer Bob Blume hat mit uns darüber im Interview gesprochen.
Wir haben im Mai eine Stunde lang mit euch und Bob Blume live im Radio diskutiert: Sind Noten noch die ideale Methode, Schüler zu bewerten?
Schulsystem und Noten reformieren? Eure Fragen und Haltungen zum Thema
Die Grundaussage von Bob Blume: „Noten blockieren beim Lernen.“ Für ihn zeichnet einen guten Unterricht aus, wenn die Klasse vergisst, zu fragen, ob ein Projekt eine Note gibt oder auf das Klingeln wartet. Diese Begeisterung könne nicht durch die Aussicht auf eine Note erzeugt werden. Außerdem: Wenn das Ziel nicht mehr die gute Note, sondern das Lernen wäre, werde man sich auch nicht faul zurücklehnen, wenn es keine Note gibt. Diese Motivation in der Klasse zu wecken, sieht er als klare Aufgabe der Lehrkräfte:
Das Problem, das Blume bei Noten sieht: Sie hängen von der Tagesform und dem Lehrer ab. Mehr sage sie nicht aus. Was ist also wirklich wichtig in der Schule? „Lernen ist wichtig und nach der Schule weiter zu lernen sollte das Ziel sein, das die Schüler erreichen.“
Achten Ausbildungsbetriebe auf die Noten?
Blume sieht eher eine andere Entwicklung. Aus seiner Erfahrung achten Betriebe viel mehr auf Softskills als auf die konkreten Noten. Grundsätzlich würden Noten zwar eine Tendenz geben, wie begabt jemand in welchem Gebiet ist, mehr sei es aber auch nicht. SWR3-Hörer Sascha hat selbst einen Ausbildungsbetrieb und unterstützt diese Aussage:
Hörerin Ines aus Kuppenheim arbeitet bei der Deutschen Bahn und führt selbst häufig Einstellungsgespräche. Noten beachte auch sie weniger, der Abschluss spiele aber schon eine Rolle.
Noten sorgen für einen Überblick
Eine Schülerin berichtet, dass sie durch Noten einen Überblick behält, doch auch hier sieht Blume das Thema etwas anders: Grundsätzlich sei ein Überblick in der Schule natürlich gut, aber mündliche Noten seien fast noch schlechter, da sie den Charakter des Schülers bewerten würden.
Seine Lösung: Blume korrigiert die Arbeiten seiner Schüler und benotet diese auch. Allerdings erhält jeder Schüler auch noch eine Audionachricht, die etwa 12 Minuten lang ist. Darin enthalten: Eine Bewertung dessen, was der Schüler abgeliefert hat, aber vor allem auch eine Aussicht, wie sich der Schüler noch verbessern könnte.
Benotet man anders, wenn man gegen Noten ist? Wie würde Bob Blume lieber benoten?
Blume sagt, er bewerte nicht anders. Es sei ein Widerspruch in ihm, mit dem er leben müsse, auch wenn er nicht gerne benotet. Für ihn ist klar: „Man prüft das ab, was man gemacht hat. Wenn jemand bei mir im Deutschunterricht mit 15 Punkten aus dem Abitur rausgeht, muss ich mir sicher sein, dass er überall in Deutschland sein Wissen auch anwenden kann.“
Er würde lieber mit einfacheren Kategorien benoten: Bestanden, nicht bestanden, mit Auszeichnung bestanden. Er betont, dass wichtige Fähigkeiten beherrscht werden sollten; ohne das Ziffersystem könnten aber einfacher persönliche Schwerpunkte nach den eigenen Interessen geschaffen werden. „Jemand, der Mathe studieren soll, braucht da natürlich mehr als nur Grundkenntnisse.“
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Noten führen zu Leistungsdruck
Mareille Fleischmann ist selbst Schülerin und der Meinung, Noten seien ungerecht. Sie verursachten vor allem Druck. Ihre Lösung: Man solle das Engagement und die Zusammenarbeit der Schüler bewerten und fördern. Doch bereiten Noten nicht auch auf den Leistungsdruck nach der Schulzeit vor?
„Das ist eine Verwechslung von Ursache und Wirkung – eine komische Definition von Leistungsdruck.“ Kinder könnten sehr wohl Stoff lernen auch ohne Leistungsdruck. Blume berichtet von Arbeitsgemeinschaften, die nicht bewertet werden, bei denen Schüler dennoch viel leisten. „Nur weil in der Gesellschaft eine bestimmte Haltung vorherrscht, muss man die Kinder doch nicht so indoktrinieren.“ Besser sei es aus seiner Sicht, dass Schüler selbst Schwerpunkte finden können und darin aufgehen.
Noten in kreativen Fächern wie Kunst oder Musik sind schwer zu vergeben
Das findet auch SWR3-Hörer Andreas. Für ihn ist das Benoten hier problematisch, weil mehr kaputt gemacht werde, als es helfe. Bob Blume stimmt grundsätzlich zu; Kreativität zu bewerten sei immer schwierig. Er weitet die Perspektive aber auch auf andere Fächer aus; Deutsch beispielsweise. Es sei wichtig, dass jeder schreiben könne und auch die Qualität der Texte könne gesteigert werden, aber:
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Welche Rolle spielt die Haltung der Eltern bezüglich der Benotung?
Vielleicht fragen einige Eltern, wenn ihre Kinder nach Hause kommen, welche Note sie bekommen haben, doch auch das empfindet Blume als schwierig: „Ich würde mir wünschen, dass vielleicht auch ab und zu gefragt wird: Was hast du denn heute gelernt? Wie hast du dich heute weiterentwickelt?“
Noten in der Schule
1938 wurde die Note Sechs in Deutschland eingeführt. Vor dem 20. Jahrhundert war das Spektrum der Noten mancherorts auf drei oder vier Noten begrenzt. Vermutlich wurde die Notenskala erweitert, weil zu häufig die Note drei vergeben wurde. Somit sind Noten in der Schule schon lange ein Thema. Doch ob die Benotung von Schulleistungen sinnvoll ist, das bezweifelt Bob Blume. Jeden Tag vergibt er Noten, doch das findet er nicht mehr zeitgemäß.
Wo gibt es die größten Baustellen im Schulsystem?
Blume könnte so einige Dinge aufzählen, die im Bereich Schule gerade problematisch sind. Aber vor allem sagt er dazu:
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Was können Lehrkräfte und Schüler daran ändern?
Vor allem die Rahmenbedingungen müssten sich ändern, so Blume. Weniger Stoff, der vermittelt werden muss und dafür vertiefendes Lernen. So würde es sich der Gymnasiallehrer aus Bühl. Ebenso sollten Schüler stärker einbezogen werden und die Themen näher am Alltag der Schüler gestalten. Zudem können Lehrer Druck herausnehmen, indem sie den Schülern Vertrauen entgegenbringen, denn gemeinsames Lernen sei wichtiger als der nächste Test.^
Was können Eltern daran ändern?
Dies seien irrelevante Faktoren, wenn es darum geht, für das Leben und Arbeiten nach der Schule zu lernen.