„Es ist so, dass ich in Koblenz ‚Roberto‘ bin und nicht, wie im Ahrtal, der Betreiber vom ‚La Concordia‘, [...] das Flutopfer“, sagt Roberto Lauricella, als er im Rohbau seiner zerstörten Pizzeria in Bad Neuenahr steht. Knapp drei Jahre sind seit der Flutkatastrophe vergangen, die ihn und seine Familie fast das Leben gekostet – und dann ihre Existenz fortgespült hat.
Roberto wollte und musste raus aus dem Ahrtal, um Distanz zu gewinnen, wie er sagt. Der „Vollblutgastronom“ hat sein Restaurant geschlossen und seinen alten Beruf in der bisherigen Form aufgegeben. Stattdessen fährt er jetzt nach Koblenz und arbeitet als Außendienstler für einen Gastronomie-Großhandel.
„Aufgeben“ ist eigentlich ein Wort, das nicht zu Roberto passt. Denn er ist ein Kämpfer, einer, der nicht aufgibt. Nur wenige Wochen nach der Flut verkauft er Pizza aus einem Container heraus an die Helfer und bringt ein Stück Normalität zurück.
Ein Jahr später geht es Roberto mental zwar nicht gut, doch das Restaurant ist wieder behelfsmäßig offen – und es läuft. Er repariert und baut, soweit das möglich ist. Doch dass der Wiederaufbau im ganzen Ort so schleppend vorangeht und dass dringend benötigte Hilfsgelder nicht fließen, zermürbt ihn.
SWR3-Reporter Jakob Reifenberger hat Roberto in der Ruine seines Restaurants besucht und war entsetzt, wie langsam der Wiederaufbau geht:
Nach der Flutkatastrophe: Gastronom Roberto hat einen neuen Job in Koblenz
Roberto bleibt zwar weiterhin in Bad Neuenahr wohnen, aus dem Ahrtal rauszukommen, scheint ihm gutzutun. Das sieht man Roberto auch direkt an: Die Augenringe sind weg, der Blick geht nach vorn. „Es geht mir sehr, sehr gut“, sagt er.
Dass er in Koblenz einer von vielen sei, tue der Psyche gut, sagt Roberto. „Nicht immer wieder angesprochen zu werden. Wie steht es ums Haus? Was ist mit deinen Eltern? Wo kochst du aktuell? Wann kochst du wieder? Wann können wir zu dir ins Restaurant? Also, das darf man auch nicht vergessen, das holt das ja immer wieder hoch.“
Und natürlich ist durch den Jobwechsel auch eine große Last von seinen Schultern gefallen. Er hat mehr Zeit für sich und seine Familie, hat sich ein Rad gekauft, ist ans Meer gefahren.
Flutnacht im Ahrtal „Es kann Tote gegeben haben“ – was sich Dreyer und Lewentz mitteilten
In Rheinland-Pfalz sind bereits zwei ehemalige Kabinettsmitglieder wegen der Ahrtal-Katastrophe zurückgetreten. Jetzt werfen alte SMS-Nachrichten von Ministerpräsidentin Dreyer womöglich neue Fragen auf.
Roberto: In Koblenz ist der Blick auf Hochwasser anders als im Ahrtal
Auch wie man in Koblenz mit dem Wasser umgeht – die Stadt liegt am Zusammenfluss von Rhein und Mosel – helfe ihm: „Dort ist man das gewohnt, dass Wasser kommt und dass Wasser etwas überflutet.“ Er hofft, dass sich auch im Ahrtal so eine Mentalität entwickeln könne. Dass man sich darauf einstellt, „dass die Welt sich dreht und sich das Klima auch verändert [...] und wir nicht immer wieder diese riesen Mammutaufgabe erleben müssen“.
Viele Menschen im Ahrtal hatten nicht damit gerechnet, dass sich die beschauliche Ahr innerhalb kürzester Zeit in solch ein Monster verwandeln könnte. Viele Häuser sind oder waren direkt am Fluss gebaut. Die Katastrophe und vor allem deren Ausmaß kam für viele überraschend.
Sieht Roberto noch eine Zukunft im Ahrtal nach der Flut?
In den kommenden Jahren sehe er sich erst mal nicht in der Küche, sagt Roberto. Aber bedeutet das das Ende vom Restaurant Concordia in Bad Neuenahr? Dem Restaurant, für das er so viel und so lange gekämpft hat. In das unglaublich viel Energie und Herzblut geflossen sind und das letztlich auch ein Vermächtnis seiner Eltern im Ort ist? Und jetzt sagt Roberto etwas ziemlich krasses:
Doch Roberto wäre nicht Roberto, wenn diese Aussage nicht mit einem mutigen Anpacken in Verbindung stehen würde: Sein Wunsch sei es, alles komplett abzureißen und dann das Restaurant auf Stelzen und nach neuesten Hochwasserschutzauflagen neu aufzubauen.
Er wolle so ein „Vorzeigeprojekt“ für das Ahrtal setzen. Etwas, das zeigt, dass es funktioniert und auch nach einem kollektiven Trauma weitergehen kann. Und falls das klappt, will er es an seine Kinder vererben. Die Fördergeldanträge für den Neubau hat er bereits eingereicht und wartet jetzt auf die finanzielle Unterstützung – einmal mehr.
Eure Geschichten nach der Flut im Ahrtal
Neben Roberto haben wir nach der Flut mit vielen weiteren Menschen im Ahrtal gesprochen. Für viele sind es nicht nur materielle Dinge, die sie verloren haben, sondern auch wichtige Erinnerungsstücke:
Noch mehr Geschichten gibt es in zwei großen SWR3-Reports, die ihr hier zum Nachlesen findet:
Ahrtal: Schule im Container ist „wie Knast“ „Ihr habt zwei Minuten. Es ist alles verloren!“
Das Zuhause verloren, die Schule plötzlich meterhoch im Schlamm: Hier gibt es sehr lange keinen Unterricht mehr. Aber wohin gehen, wenn sogar unklar ist, wo die Schülerinnen und Schüler zukünftig wohnen?
Bei den Menschen nach der Flut Katastrophe im Ahrtal: Flucht mit drei Kindern vor dem Wasser
Die Flut im Ahrtal nahm der Familie Gemein alles. Auch Monate nach der Katastrophe ist ihr Alltag noch weit von der Normalität entfernt.